Feiertage und andere Katastrophen. Stefanie Grimm

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Feiertage und andere Katastrophen - Stefanie Grimm


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Sie versank sogleich zwischen hunderten von geblümten Kissen.

      »Chris, verdammt«, nörgelte Anny sofort. »Du weißt doch ganz genau, dass ich unser Zimmer erstmal fotografieren möchte. Also nimm deine Tasche vom Bett.«

      Ich verdrehte die Augen, griff mein Gepäck und sah mich ratlos um. »Und wo, bitteschön wird die Starfotografin nicht von meinen Sachen gestört? Das Zimmer ist so vollgestopft mit altem Krempel, dass man gar nicht weiß, wohin mit seinem Kram.«

      Entnervt riss Anny mir die Tasche aus der Hand und stopfte sie in einen wurmstichigen alten Schrank. Ich hoffte, dass die Holzwürmer wirklich schon tot waren und sich nicht an meinem Gepäck vergriffen. Dann war Anny auch schon wieder bei mir, drückte mir die Hand auf die Brust und dirigierte mich rückwärts durch eine Tür, die, wie mir ein schneller Blick über die Schulter bescheinigte, ins Badezimmer führte. Von hier aus sah ich zu, wie sie mit ihrer Spiegelreflexkamera unser Zimmer sezierte.

      Das konnte länger dauern. Ich setzte mich auf den Badewannenrand und fingerte nach meinen Kippen. Da fiel mir ein, dass ich aufgehört hatte zu rauchen. Anny zuliebe. Wenn das mal kein Fehler gewesen war. Dann wenigstens frische Luft. Ich stand wieder auf und versuchte, das Fenster nach oben zu drücken. Der dicklackierte Rahmen ließ sich erst nach etlichen Versuchen bewegen. Wahrscheinlich war er genauso alt wie das ganze Anwesen. Endlich stand ich am offenen Fenster und sah hinaus in die stockdunkle Nacht über den schottischen Highlands. Von nebenan erklang immer wieder Annys begeistertes Quietschen. »Oh, wie entzückend, diese Bordüren. Chris, das musst du dir unbedingt anschauen. Ein echtes Chesterfield Sofa. Und hier, die Schminkkommode, mit klappbaren Spiegeln.«

      »Ja, ja, Liebling«.

      »Das ist Vintage Romantik pur. Wie bei Laura Ashley.« Mit glühenden Wangen kam sie ins Badezimmer gelaufen und küsste mich. »Danke, dass wir beide diesen Urlaub machen. Das bedeutet mir echt viel.« Ihre rehbraunen Augen strahlten mich an, und für einen Moment vergaß ich den ganzen Ärger in unserer Beziehung. Ich wollte sie an mich drücken, doch sie hatte sich schon wieder abgewandt und strich mit einer Hand langsam über den Badewannenrand. »Eine freistehende Badewanne. Sogar mit vergoldeten Löwenfüßen.«

      »Ach ja? Ist mir gar nicht aufgefallen.«

      »Chriesssss.«

      Ich schloss die Augen und zählte von zehn rückwärts. Ich kam bis acht.

      »Du hast das Fenster aufgemacht!«

      Ich atmete langsam aus.

      »Die Mücken werden uns umbringen.«

      Plötzlich klopfte es. Ich nutzte die Chance, einem Vortrag über schottische Midgies zu entkommen und öffnete die Zimmertür. Es war die grauhaarige Frau unbestimmbaren Alters, die uns bei der Ankunft die mächtige Eichentür geöffnet hatte. Sie trug eine weiße Schürze mit Spitzenbesatz über einem dunklen Kleid und balancierte ein vollbeladenes Tablett. Um zwölf Uhr in der Nacht. Alle Achtung.

      »Ja bitte?«, fragte ich.

      »Ich wollte Ihnen eine kleine Erfrischung bringen. Sie hatten doch eine anstrengende Reise. Frühstück wird um acht im Speisezimmer serviert. Üblicherweise essen alle Gäste gemeinsam an der großen Tafel.«

      Ich musste gestehen, dass ich beeindruckt war. Der Service in dem B&B schien gut zu sein. Wahrscheinlich mussten sie sich alle Mühe geben, um überhaupt irgendwelche Gäste in die Einsamkeit zu locken. Wir hatten auf den letzten Kilometern der Taxifahrt kein einziges Licht gesehen. Weder Häuser noch Fahrzeuge.

      »Oh, das ist aber nett, Mrs ...?«, versuchte Anny gleich Kontakt aufzunehmen.

      »Miss, Miss Elisa. Zu Ihren Diensten.« Sie stellte das Tablett mit Sandwiches und Getränken auf ein verschnörkeltes Tischchen, von dem ich hoffte, dass es nicht zusammenbrechen würde. Es hatte mindestens 150 Jahre auf dem Buckel, besser gesagt den dünnen Tatzenfüßchen.

      »Ach, Miss Elisa, darf ich fragen, wie viele Gäste im Haus sind?«, erkundigte sich Anny neugierig und ich hoffte, dass die Antwort kurz sein würde.

      »Mit Ihnen sind es sieben Bewohner. Das Haus hat sieben Zimmer, drei sind noch frei.« Miss Elisa verbeugte sich, verließ rückwärts unser Schlafzimmer und schloss die Tür geräuschlos. Anny überkam ein Kicheranfall. »Oh, Chris. Ob MISS Eliiisa hier der Hausgeist ist? Hast du eine Ahnung, wie alt sie sein könnte? Benehmen tut sie sich, als wäre sie über Hundert.«

      »Gott sei Dank ist sie es nicht, sonst hätte sie kaum an ein kaltes Bier gedacht.« Ich öffnete die Flasche mit einem spritzigen Plopp und nahm einen tiefen Zug. Welch ein Genuss, endlich.

      Nicht zu verachten war auch das Frühstück, das Miss Elisa pünktlich um acht im Speisesaal servierte. Anny und ich waren schon etwas früher die hochherrschaftliche Treppe heruntergestiegen. Vorbei an ausgestopften Hirschen, Füchsen und Raubvögeln, die zwischen missmutig blickenden Ahnenportraits hingen. Anny nahm meine Hand und hob geziert ihren freien Arm. »Möchtest du mich bitte zu Tisch geleiten?«

      Ich lachte. Es war zwar etwas albern, aber wenigstens hatte Anny wieder bessere Laune. Und es passte wirklich zu der Umgebung. Noch nie hatte ich in einem Museum übernachtet. »Oh sieh, die Kronleuchter.« Während Anny ganz begeistert war, schaute ich skeptisch zur Deckenverankerung der beiden Monster, die über der langen Tafel hingen. Dann widmete sich meine Freundin dem Geschirr, den Platztellern und Kristallgläsern. Keine Ahnung, warum Blümchenporzellan und Jagdmotive so etwas Bemerkenswertes waren. Obwohl ich insgeheim zugeben musste, dass die Ausstrahlung des Viktorianischen Herrenhauses langsam aber sicher auch mich in seinen Bann zog. Ich trat an das Erkerfenster. Dunkel bewaldete Hügel mit kargen Gipfeln erhoben sich über einem tiefblauen See. Für mich als Großstädter eine ungewohnte Einsamkeit.

      »Ha, Sie müssen die neuen Gäste sein. Zimmer vier, nicht wahr? Wir wohnen in Zimmer drei. Willkommen, willkommen«, ertönte eine tiefe Stimme. Sie gehörte einem älteren Mann mit Kinnbart und Knickerbockerhosen. »Darf ich mich vorstellen? Ed Cromwell und das ist meine Frau Daisy. Wir sind Ornithologen. Aber für Vögel werden Sie junge Leute nichts übrighaben. Eher fürs Vög ...«

      »Ed, das wirst du jetzt nicht sagen.« Daisy klang gleichzeitig empört und belustigt. Ihre bunte Bluse flatterte bei jeder Bewegung um ihren fülligen, aber erstaunlich beweglichen Körper. In Windeseile durchquerte sie den Raum und schüttelte unsere Hände. Wir hatten uns gerade vorgestellt, als die übrigen Gäste erschienen. Max und Paul waren zwei Mountainbiker aus London und im Gegensatz zu den durchaus witzigen Cromwells recht schweigsam. Paul wurde erst gesprächiger, als Mary an den Tisch trat. Mary – alle Achtung. Eine blonde Schönheit, und offensichtlich ziemlich schwanger. Miss Elisa erschien mit Tee und Kaffee und fragte jeden, wie er seine Eier zubereitet haben wollte und welche Beilagen er dazu wünschte. Max neben mir war als letztes an der Reihe. Er rollte etwas genervt die Augen. »Aber Miss Elisa, das müssten sie doch mittlerweile wissen. Wie immer zwei Spiegeleier, eine Scheibe Black Pudding und eine gegrillte Tomate.«

      Wortlos, aber mit einem kleinen Nicken, verschwand Miss Elisa.

      »Sind Sie denn schon länger hier?«, fragte Anny die Cromwells, als wir uns alle an den großen Tisch setzten. Sie war, im Gegensatz zu mir, eine Meisterin im Smalltalk.

      »Das kann man schon sagen«, antwortete Daisy mit einem Lächeln, das jedoch sofort verblasste, als Max laut auflachte und Ed ihr seine Hand auf den Unterarm legte. Das Gespräch verstummte, aber genau in diesem Augenblick erschien Miss Elisa mit einem riesigen Tablett voll unserer Bestellungen. Sie schien wirklich eine Küchenfee zu sein, so schnell und echt lecker hatte sie alles zubereitet. Spiegeleier, Bacon, gegrillte Tomate und Räucherfisch. Ich langte kräftig zu. Den Seitenblick meiner Freundin auf meinen vollen Teller ignorierte ich. Schließlich hatte auch ich Urlaub.

      »Lunchimbiss, sofern Sie anwesend sind, wird um ein Uhr im Salon gereicht und Dinner serviere ich pünktlich um zwanzig Uhr hier im Speisezimmer.« Miss Elisa hatte uns mit Wanderkarten versorgt und verabschiedete die Gäste nach und nach in der Eingangsdiele. Daisy und Ed waren gleich nach dem Frühstück mit Ferngläsern und ornithologischen Büchern verschwunden. Paul und Max schoben ihre Mountainbikes aus der Scheune,


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