Drei Dekaden. Hermann Ritter

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Drei Dekaden - Hermann Ritter


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Namen Meyrink (eine alte Schreibform des Namens seiner Mutter, auch als Meyerink geschrieben4) legte er sich erst in späteren Jahren zu. Zeit seines Lebens litt Meyrink unter seiner unehelichen Geburt – besonders, als man ihn in Prag einmal in einer Ehrenaffäre als nicht satisfaktionsfähig bezeichnete. Als ihn jedoch – nachdem er schon als Schriftsteller bekannt war – der Familienverband der väterlichen Familie aufnehmen wollte, lehnte er stolz ab.5

      Der Konflikt mit seiner eigenen Herkunft und seine Abneigung gegenüber dem Beruf der Mutter (Schauspielerin) ziehen sich durch sein Werk.6

      Nach Schule (in München und Hamburg) und (erstem Teil der) Ausbildung zog Meyrink 1883 nach Prag. „Meyrink schlug wie ein Meteor in die Stadt ein. In kürzester Zeit erwarb er sich den Ruf des großen Bürgerschrecks. Kleidung, Schmuck und Auftreten ließen ihn als den größten Snob erscheinen, den dekadentesten Stutzer, der in Prag herumlief. Hinzu kamen seine extravaganten Hobbys, sein Ruf als gefürchteter Duellant und sein turbulentes Nachtleben.“7 Max Brod beurteilte ihn ähnlich. Meyrink sei jeden Sonntag über die Hauptstraße gelaufen, alleine, dass eine Bein hinter sich herziehend – „Mit ehrfürchtigem Schauder beobachtete ich ihn aus der Ferne.“8 Frank nennt ihn einen „eleganten, snobistischen, okkult-umwitterten unehelichen Halbadeligen“9.

      Meyrink war von Prag begeistert, und er ließ sich hier – er hatte wohl vor: für immer – nieder. Er nannte Prag „die Stadt mit dem heimlichen Herzschlag“10 und widmete Prag und seiner Geschichte Zeit seines Lebens immer neue Artikel und Erzählungen. Marzin geht sogar so weit zu behaupten, dass Prag „wenn nicht überhaupt Schauplatz der Handlung doch immer erkennbar im Hintergrund steht“.11

      1888 gründete er eine Bank, Meyer und Morgenstern. Er nannte seine Bank Erste christliche Wechselstube12; dies tat er wohl auch, um Gerüchten entgegenzutreten, die seine jüdische Abkunft verbreiteten.

      Meyrink entwickelte sein Interesse für den Okkultismus weiter, heiratete 1892 und verfasste seine ersten literarischen Versuche.

      1897 wurde Meyrink sehr krank – eine Rückenmarksentzündung, von der er sich nie wieder richtig erholte. „Die Schmerzen gingen auf eine Entzündung des Rückenmarks zurück. Über die Ursachen seiner Krankheit gingen die wildesten Vermutungen um (…), doch Meyrink selbst schreibt sie bestimmten Meditationsübungen zu (…).“13

      Durch einige Skandale und einen Prozess (1901/02) – in dem es sich später erwies, dass Meyrink unschuldig war – wurde seine Bank in der Öffentlichkeit unmöglich gemacht; sie musste schließen (der Polizist Olic spielte hier eine tragende Rolle, weswegen ihn Meyrink später als seinen großen Gegenspieler Otschin im Golem verewigt14). Egon Erwin Kisch hat diesen Prozess beschrieben15, Brod selbst hat den Prozess als ungerecht bezeichnet16, sein Vater war in der Kommission, die die Vorwürfe gegen Meyrink zu untersuchen hatte17.

      Die Behauptung, dass Kisch über Meyrink geschrieben habe, klingt sehr interessant. In Wirklichkeit handelte es sich jedoch um einen Artikel in einer Kinderzeitung, die Kisch unter dem Arbeitstisch seines Vaters hergestellt hatte. Aber immerhin war es der erste Artikel, den Kisch je geschrieben hat18 (Meyrink war auch der tägliche Schachpartner von Kischs Vater19). Kisch selber schrieb autobiographisch über Meyrink (der sich damals noch Meyer nannte): „(…) wurde der Bankier Meyer unter dem Verdacht des Börsenbetruges verhaftet, und ich (…) verfasste einen geharnischten, nicht weniger als drei Zeilen langen Artikel zu seiner Verteidigung, bestehend in dem Satz, dass Herr Meyer ein sehr anständiger Herr sei. (…) Aber nie hat Gustav Meyrink erfahren, dass ich der erste war, der über ihn geschrieben.“20

      Die Hintergründe des Prozesses sind aus heutiger Sicht kaum zu beurteilen, aber es ging wohl einfach darum, den Außenseiter Meyrink aus Prag zu vertreiben. So waren die Anklagen z.T. völlig aus der Luft gegriffen. So solle sich Meyrink als Sohn König Ludwig des II. von Bayern ausgegeben haben, woraufhin eine Hausdurchsuchung bei ihm anberaumt wurde, um festzustellen, ob er wirklich das bayerische Wappen in seinem Haus aufgehängt hat.21

      Meyrink muss überhaupt eine schillernde Persönlichkeit gewesen sein. Steiner-Prag (der den Golem illustrierte) beschreibt ihn folgendermaßen: „Man hielt Sie für einen Goldmacher und Alchimisten, dem Geheimlehren vertraut waren; es hieß, Sie wären nicht mehr Christ sondern Brahmane und Mitglied mehrerer asiatischer Orden, den indische Mönche, die Europa bereisten, in Prag besucht hätten; man behauptete, Sie wären königlicher Abstammung und erbrachte phantastische Beweise. Die abenteuerlichsten Dinge erzählte man sich von Ihrer, nur Eingeweihten zugänglichen, ganz seltsam gestalteten Wohnung, in der sich unerklärliche und mystische Dinge zugetragen haben sollen.“22

      Eigentlich sollte der Golem von Kubin illustriert werden. Meyrink legte jedoch nach den ersten Kapiteln eine längere Pause ein, so dass Kubin die Illustrationen für seinen eigenen Roman Die andere Seite verwendete.23

      Meyrink ging durch die Prozesse Bankrott, er hielt sich nun mit dem Schreiben – namentlich durch die Mitarbeit beim Simplicissimus – über Wasser. Dort fand er bald Anerkennung, man nannte ihn den „bedeutendsten Satiriker des kaiserlichen Deutschland“, Brod nannte Meyrinks Beiträge „das Nonplusultra aller modernen Dichtung“24.

      Seine Anstellung beim Simplicissimus ist auch schon an für sich eine typische Meyrink-Geschichte: „Es war etwa um die Jahrhundertwende. Redaktionssitzung beim Simplicissimus in München. Der zweite Schriftleiter Geheeb betrachtete kopfschüttelnd ein Manuskript. Es trug den Titel Der heiße Soldat. Sein Verfasser war ein gewisser Gustav Meyrink aus Prag. »Das Zeug«, sagte Geheeb, »hat ein Wahnsinniger geschrieben. Schade, einiges daran ist gar nicht so übel.« Achselzuckend warf er die Blätter in den Papierkorb. Kurz darauf erschien der Chef persönlich: Ludwig Thoma. Er setzte sich auf seinen Stuhl und hörte der Redaktionskonferenz zu. Zufällig fiel sein Blick auf den Papierkorb. Er fischte Meyrinks Skizze heraus und begann zu lesen. Plötzlich knurrte er: »Ja, was ist denn dös?« »Ach«, meinte Geheeb geringschätzig, »das Produkt eines Wahnsinnigen.« »Wahnsinnig?« fragte Thoma. »Ja, vielleicht. Aber genial. Ja, ja, Geheeb, Genie und Irrsinn! Merken Sie sich mal den Namen Meyrink. Und schreiben Sie dem Mann, ob er nicht noch mehr von solchen Sachen hat. Wir drucken‘s umgehend.«“25

      1904 übersiedelt Meyrink nach Wien. Dort lässt er sich scheiden und heiratet 1905 erneut. Er zieht dann 1907 nach München, in dessen Umgebung er bis zu seinem Tode 1932 wohnt.

      Meyrink war begeistert vom Okkultismus, schulte sich auch selber in vielen – teils fernöstlichen – Meditationstechniken, um z.B. Gedankenübertragung ausüben zu können (nach seinem Tode musste sein Arzt auf seinen Wunsch hin ihm einen Gnadenstich ins Herz geben, um zu verhindern, dass Meyrink – geschult durch viele Yoga-Stunden – als Scheintoter begraben wurde).26

      Angeblich war er Mitglied in „verschiedenen Orden und Bruderschaften“, u.a. bei den Freimaurern, den Rosenkreuzern, den Sat Bahai und den Illuminaten.27

      Neben seiner Tätigkeit als Herausgeber von esoterischen Büchern war er aber auch in Briefen als magischer Lehrer tätig. Da viele Briefe vernichtet sind, kann man nur aus einzelnen Zeugnissen auf diese Tätigkeit schließen. So berichtet Fritsche von einem Briefwechsel mit Meyrink und Fragen zur Magie.28 Auch zählte Meyrink einige Esoteriker zu seinen Freunden.29

      Meyrink stirbt – fast 65jährig – 1932 in der Nähe von München. Man sagt, dass, als ihn die Mitteilung des Todes seines Sohnes erreicht hatte, ihn sein Lebensmut verließ; er wollte sterben.

      „Es ist Meyrinks letzte Nacht. Er hat solche Schmerzen, dass der Arzt Frau Meyrink rät, ein von ihm mitgebrachtes narkotisches Mittel in den Tee zu tun, den Meyrink als einzige Labung noch zu sich nahm. Meyrink fühlte diese Absicht sofort und sagte: »Ich habe nur noch eine Bitte an euch, mich in meinem Sterben nicht zu stören. Gebt mir keine Narkotika.« Er wollte den Tod ‚erleben’, ihn nüchtern bis zum letzten Atemzug erfahren.“30

      Auf


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