Prostatakrebs-Kompass. Dr. med. Ludwig Manfred Jacob
Читать онлайн книгу.unterbunden. 3beta-Adiol spielt bei der Regulation des Prostataepithels eine wichtige, schützende Rolle (vgl. Kapitel 3.5.2 ab Seite 36), was die höhere Rate an entdifferenzierten, aggressiven Prostatakarzinomen in Zusammenhang mit diesen Medikamenten erklären könnte.
Neue Untersuchungen aus der REDUCE-Studie mit Dutasterid (Fowke et al., 2014) und dem Prostate Cancer Prevention Trial mit Finasterid (Gong et al., 2009) zeigen, dass besonders bei Männern, die Alkohol tranken, Finasterid und Dutasterid wirkungslos in der Prävention von aggressivem, hochgradigem Prostatakrebs waren oder sogar das Risiko deutlich erhöhten: Bei Männern, die neben der Behandlung mit Dutasterid wöchentlich mehr als sieben alkoholische Getränke zu sich nahmen, wurde ein um 86 % höheres Risiko festgestellt ein hochgradiges Prostatakarzinom zu entwickeln (Fowke et al., 2014).
In der Finasterid-Studie erhöhten schwerer Alkoholkonsum (≥ 50 g Alkohol täglich) und regelmäßiges starkes Trinken (≥ vier alkoholische Getränke täglich an ≥ fünf Tagen pro Woche) das Risiko für ein hochgradiges Prostatakarzinom um 101 % bzw. 117 % (Gong et al., 2009). 50 g Alkohol sind enthalten in ca. 1,25 l Bier, 570 ml Wein oder 165 ml Wodka.
Der Arzt, der die Kontrolle des PSA-Wertes übernimmt, muss über die Einnahme von Dutasterid oder Finasterid informiert sein, weil diese den PSA-Wert senken und der Wert folglich anders gedeutet werden muss.
Medikamente sind wichtig, um das natürliche Fortschreiten von BPH zu verhindern, und sie können möglicherweise auch zur Prävention eines PCas beitragen. Doch Medikamente bergen immer das Risiko für Nebenwirkungen in sich und sie können in Bezug auf PCa bei Männern, die ihre Lebensweise nicht ändern, wirkungslos oder sogar ungünstig sein.
Eine richtig durchgeführte Umstellung der Ernährungs- und Lebensweise (s. Kapitel 7, Seite 201) dagegen hat keine negativen Begleiterscheinungen, sondern stattdessen sogar spürbar stark positive Nebenwirkungen auf Vitalität, Körpergewicht und Herz-Kreislauf-Gesundheit.
3. Entstehung des Prostatakarzinoms
Die Tumorentwicklung wird klassischerweise in drei Abschnitte gegliedert: die Initiation, in der einzelne Zellen entarten, die Promotion, während der sich die veränderte Zelle stark vermehrt, und die Progression, in der der Tumor bösartig wird und schließlich Metastasen bildet. Da das Prostatakarzinom ein typischer, fast immer hormonabhängiger Alterskrebs ist, spielt für das individuelle Risiko vor allem die Tumorpromotion eine entscheidende Rolle. Der Hormon- und Rezeptorstatus des Tumorgewebes sowie die Belastung und Belastbarkeit durch oxidativen Stress und Entzündungsprozesse beeinflussen dabei maßgeblich das Schicksal des Patienten. Die individuelle Situation wird sowohl durch die genetische Disposition (familiäre Vorbelastung) als auch durch die Ernährungs- und Lebensweise bedingt.
Welche Rolle spielen Krebsstammzellen?
Krebszellen sind nicht alle gleich. Besonders aggressiv und überlebenstüchtig sind Krebsstammzellen. Stammzellen haben allgemein noch keine spezifische Ausprägung und Funktion, d. h. sie sind undifferenziert und können sich zu verschiedenen Zelltypen entwickeln. Stammzellen können sich vermehren und Tochterzellen mit den gleichen oder schon genauer differenzierten Eigenschaften bilden. Im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen haben gesunde adulte Stammzellen (ab dem Zeitpunkt der Geburt) ein geringeres Selbsterneuerungsvermögen und ein eingeschränktes Potential zu Differenzierung.
Krebsstammzellen können sich jedoch sehr schnell und unbegrenzt vermehren, viele verschiedene Zelltypen hervorbringen und haben eine potentiell unbegrenzte Lebensdauer. Krebsstammzellen spielen daher bei der Tumorentstehung und bei der Metastasierung eine zentrale Rolle. Bei einer Strahlen- oder Chemotherapie werden Krebsstammzellen häufig nicht abgetötet, weshalb es zu einem aggressiven Rezidiv („Rückfall“) kommen kann. Um den Krebs dauerhaft zu bekämpfen und zu heilen, müssen auch und insbesondere die Tumorstammzellen zerstört oder „resozialisiert“ werden.
Bei der Entstehung von Krebsstammzellen aus regulären Stammzellen spielen Entzündungsprozesse eine wichtige Rolle. Dabei wird der nukleäre Faktor kappaB (NF-kappaB) aktiviert, was zur Hemmung der Apoptose (programmierter Zelltod) und somit zur „Unsterblichkeit“ der Zellen führt.
Krebsfördernd können alle Stoffe wirken, die die Erbinformation verändern oder auch die Signalwege der Zelle stören, z. B. Entzündungsfaktoren, freie Radikale, Schadstoffe, chronische Infektionen (Viren, Bakterien, Parasiten) oder Strahlung. Auch psychische Aspekte und Stress sind hier von Bedeutung. Im Laufe des Lebens können sich zudem beträchtliche Mengen an exogenen Kanzerogenen in der Prostata ansammeln, die von außen zugeführt wurden. Hierzu zählen klassische Kanzerogene wie z. B. heterozyklische Amine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die bei der Zubereitung von Fleisch auftreten, Alkohol, Kanzerogene aus Tabakrauch sowie vor allem exogene östrogen wirksame Substanzen (Endocrine Disrupting Chemicals) (s. u.). Letztere wirken einerseits direkt kanzerogen, andererseits fördern sie die Zellteilung durch ihre östrogene Wirkung. Auch Metalle wie Kupfer, Nickel und Eisen wirken entzündungsfördernd, prooxidativ und so prokanzerogen.
Entscheidend bei der Tumorentwicklung ist die Tumornische
Durch ihre Fähigkeit der unbegrenzten Selbsterneuerung und Apoptoseresistenz, wodurch sie praktisch unsterblich sind, kommt Krebsstammzellen bei der Tumorentwicklung eine zentrale Rolle zu. Die Nische („microenvironment“), d. h. das umliegende Milieu und der Zellverband (Matrix), beschreibt die „Lebensbedingungen“ für Stammzellen in unserem Körper und nimmt daher entscheidenden Einfluss auf die Krebsentwicklung.
Die „Seed and Soil-“ (Saatgut-und-Boden-)Hypothese zur Krebsentstehung ist schon sehr alt. Die Hypothese besagt, dass Tumorzellen nur dann wachsen können, wenn sie von einem geeigneten „Tumormilieu“ umgeben sind (Paget, 1889). Demnach können einzelne Krebszellen sich nur dort vermehren und abgesiedelte Tumorzellen nur dort Metastasen bilden, wo ihnen das Milieu eines Gewebes ideale Wachstumsbedingungen bietet. Auch heute noch ist diese Hypothese weitgehend gültig, vor allem für Knochenmetastasen, die bei Prostatakrebs eine besonders große Rolle spielen.
In Studien entwickelten sich Tumorstammzellen in einer gesunden Nische nicht zu einem Tumor. Jedoch kann aus gesunden Zellen in einer stark kanzerogenen Nische ein Tumor hervorgehen. Das Tumormilieu ist daher entscheidender als die Erbinformation der Zelle. Je nach Beschaffenheit kann es sowohl stark krebsfördernd als auch krebshemmend wirken.
Abb. 4: Einflussfaktoren auf die Entstehung eines für die Tumorentwicklung günstigen Milieus
Mit einfachen Worten ausgedrückt: Die Tumorsaat entsteht immer und in jedem Körper, weil Zellen unter dem Einfluss körpereigener (endogener) und von außen einwirkender (exogener) Karzinogene permanent entarten. Entscheidend für die Entstehung eines tödlichen Tumors ist daher der Nährboden, in dem sich die Tumorsaat entwickelt. Hierbei spielt die Ernährung eine zentrale Rolle, weil sie nicht nur wesentlichen Einfluss auf unseren Hormonhaushalt (Geschlechtshormone, Stoffwechselhormone wie Insulin und Wachstumsfaktoren), unser Körpergewicht und unser Körpermilieu nimmt, sondern auch spezifische Schutz- und Schadstoffe mit sich bringt.
Insbesondere das metabolische Syndrom, in dessen Kern vermehrtes Bauch- und Leberfett mit Insulinresistenz steht, schafft einen wachstumsfördernden Nährboden. Dieser fördert zunächst eine gutartige Prostatavergrößerung (BPH) und ein damit einhergehendes chronisches Entzündungsgeschehen mit erhöhtem oxidativem und nitrosativem Stress. Unter diesem proentzündlichen, prooxidativen Einfluss, durch hormonelle Veränderungen im Alter und durch Kanzerogene entstehen meist deutlich verzögert bösartige Entartungen, deren Aggressivität wiederum von den Milieubedingungen der Tumornische abhängt und daher stark variiert.
Das Gleichgewicht aus Hormonen und Rezeptoren
Die Prostata ist aus verschiedenen