Prostatakrebs-Kompass. Dr. med. Ludwig Manfred Jacob
Читать онлайн книгу.id="ulink_35f465bf-0f5f-59b7-8ab0-7222f8eecb0b">2.2 Prostatitis und Prostatodynie
Bei Männern unter 50 Jahren sind Beschwerden aufgrund einer akuten oder chronischen Prostatitis (Prostataentzündung) oder eine Prostatodynie (nicht entzündliches, abakterielles, chronisches Schmerzsyndrom des Beckens) häufige urologische Diagnosen.
Etwa 5 % aller Männer zwischen 20 und 50 Jahren leiden unter einer Prostatitis. Die Ursache können eine Infektion, Harnrückstau oder andere Faktoren, z. B. Unterkühlung des Unterleibes, sein. Wahrscheinlich ist jedoch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die die Krankheit auslösen und aufrechterhalten. Zu den Symptomen der chronischen Prostatitis zählen Schmerzen sowie Beschwerden beim Wasserlassen wie Restharngefühl oder häufiger Harndrang (LUTS, s. Kapitel 2.4, Seite 9). Wird die Prostatitis behandelt, sind 60 % der Patienten nach 6 Monaten beschwerdefrei, bei 20 % variiert der Verlauf, weitere 20 % weisen dauerhafte Beschwerden auf.
Eine akute Prostatitis ist dagegen eine akute bakterielle Infektion der Prostata, die mit Fieber und Schmerzen einhergeht und durch die Behandlung mit Antibiotika meist abklingt.
Die Prostatodynie, auch chronisches Schmerzsyndrom des Beckens, gilt als psychosomatische Erkrankung und betrifft vor allem jüngere Männer zwischen 25 und 45 Jahren (Günthert, 2013). Die Symptome ähneln denen einer Prostatitis: Charakteristisch sind chronische Schmerzen im Beckenbereich, häufiges Wasserlassen und vermehrter Harndrang; zudem können Potenzstörungen auftreten.
Im Gegensatz zur Prostatitis liegt der Prostatodynie keine Infektion oder Entzündung zugrunde. Die Schmerzen stammen möglicherweise aus den Beckenbodenmuskeln, die Blase und Harnröhre unterstützen. Bei Stress kann es dazu kommen, dass diese Muskeln nicht vollständig entspannen, was zu Problemen beim Wasserlassen führt. Prostatodynie tritt häufiger bei Männern auf, die vermehrt unter Druck stehen und gestresst sind, z. B. bei Typ-A-Persönlichkeiten (ehrgeizig, leistungsorientiert, Neigung zu Perfektionismus und Konkurrenzdenken), Sportlern und Fernfahrern (Barrett, 2000).
Prostatodynie ist eine Ausschlussdiagnose, die getroffen wird, wenn alle anderen in Frage kommenden Diagnosen ausgeschlossen werden. Die tatsächliche Ursache einer Prostatodynie lässt sich nicht festlegen, allerdings wirken viele Faktoren begünstigend. Hierzu zählen Verletzungen und Traumata im Damm- und Analbereich. Auch wiederholte Belastungen, z. B. durch Radfahren oder Reiten, können eine Rolle spielen.
Die Behandlung geschieht symptomatisch und psychosomatisch mit Schmerzmitteln, Physiotherapie und Verhaltenstherapie, z. B. Stressmanagement. Gegebenenfalls können alpha-Blocker helfen, die Beckenbodenmuskeln zu entspannen.
2.3 Benigne Prostatahyperplasie (BPH)
Die benigne Prostatahyperplasie ist eine gutartige Vergrößerung der Prostata. Dabei kann die Prostata bis auf die zehnfache Größe anwachsen und ein Volumen von mehr als 200 ml einnehmen. Jeder zweite Mann zwischen 50 und 60 Jahren und 90 % der über 80-Jährigen sind von einer Prostatahyperplasie betroffen (Mc Vary, 2006). Die BPH entsteht in der Übergangszone der Prostata, wächst nach außen und drückt dabei auf die periphere Zone in Richtung Blase oder Darm (s. Abb. 3). Je nach Ausdehnungsrichtung der Prostata sind die Symptome der BPH unterschiedlich. Durch das Wachstum wird auch die Harnröhre eingeengt, was zu Beschwerden beim Wasserlassen (LUTS, s. Kapitel 2.4), z. B. häufiger Harndrang, schwacher Harnstrahl oder Nachtröpfeln, führt. Auch Harninkontinenz und erektile Dysfunktion (Erektionsstörung) gehören zu den Folgen der BPH.
Abb. 3: Prostatahyperplasie (BPH)
Ohne Behandlung schreitet eine BPH immer weiter fort. Es entstehen häufig Beschwerden wie Blasendysfunktion und -vergrößerung, was zu einem akuten Harnverhalt führen kann, der weitere, auch schwere Komplikationen nach sich ziehen kann (Fitzpatrick, 2006; Fitzpatrick und Kirby, 2006; Roehrborn, 2008).
Wer frühzeitig seine Ernährung entsprechend dem Ernährungsplan im Kapitel 7 (ab Seite 201) umstellt, kann die Prostata auf normaler Größe halten. Auch Soja (mit Isoflavonen und dem Phytosterin ß-Sitosterin), Sägepalmen-Früchte (Sabal) und Brennnessel haben eine gewisse Wirksamkeit in frühen Stadien der Vergrößerung. Ist die Prostata allerdings bereits deutlich vergrößert, entsteht ein proentzündlicher Teufelskreis, der die Vergrößerung vorantreibt. Aber auch bei nichtentzündlicher Vergrößerung kann die BPH medikamentös behandelt werden. Können mittlere bis schwere Symptome nicht ausreichend mit Medikamenten gelindert werden, ist eine Operation, wie z. B. TURP (transurethrale Resektion der Prostata), notwendig.
2.4 Lower Urinary Tract Syndrome (LUTS)
Das Lower Urinary Tract Syndrome (LUTS) ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom-Spektrum, das bei verschiedenen Erkrankungen der Harnwege oder der Prostata auftritt. Das Syndrom umfasst Beschwerden, die vom unteren Harntrakt ausgehen. Dazu gehören häufiges, schmerzhaftes und vermehrtes nächtliches Wasserlassen, Harndrang, schwacher oder unterbrochener Harnstrahl, verzögerter Beginn der Blasenentleerung, Pressen beim Wasserlassen, Nachträufeln, Restharngefühl und Harnverhalt. Bei einem Harnverhalt kann die Blase nicht spontan entleert werden, was weitere Komplikationen nach sich ziehen kann.
Die BPH ist bei Männern über 50 Jahren die häufigste Ursache für LUTS, doch auch viele andere Krankheiten können LUTS verursachen. Dazu zählen u. a. eine Prostatitis oder ein PCa, Krankheiten der Harnröhre, der Harnblase, aber z. B. auch psychische Ursachen.
Weitere Hintergrundinformationen zur Prostatagesundheit und zu Prostatakrebs erhalten Sie in diesen beiden empfehlenswerten Büchern:
Gesunde Prostata – Von Vorbeugung bis Heilung; Dr. Peter Düweke. Stiftung Warentest, 2011.
Diagnose: Prostatakrebs. Ein Ratgeber – nicht nur für Männer; Prof. Lothar Weißbach und Edith A. Boedefeld. 2. Auflage. Zuckschwerdt Verlag GmbH, 2007.
Die gute Nachricht: Prostata-Erkrankungen müssen nicht als Schicksal hingenommen werden. Jeder kann selbst Verantwortung übernehmen und über die Ernährungs- und Lebensweise vorbeugen oder die Therapie unterstützen. Mehr dazu erfahren Sie in den Kapiteln 4, 5 und 7.
2.5.1 Erst wächst der Bauch, dann die Prostata, dann oft ein Karzinom
Unsere moderne Zivilisationskost mit reichlich Fleisch- und Milchprodukten, Zucker, Weißmehl sowie vielen stark industriell verarbeiteten Lebensmitteln fördert Stoffwechselerkrankungen, Übergewicht und das metabolische Syndrom. Der Mensch wächst immer mehr in die Breite, was sich auch an den Drüsen wiederspiegelt. Für jedermann sichtbar wird dies bei Übergewicht an der Brustdrüse von Mann und Frau, doch auch die Prostata ist eine Drüse, die bei Männern, welche sich nach dem westlichen Muster ernähren, stetig wächst.
Unsere Zivilisationsernährung führt zu einer Ansammlung von Fett in Bauch und Leber und zu Stoffwechselstörungen. Nach außen sichtbar ist vor allem das Übergewicht, doch im Blut finden sich zu viele Fette, Cholesterin, Zucker, Insulin, IGF-1 und Aminosäuren, die eine anabole Mast auslösen und ideale Voraussetzungen für gut- und bösartiges Zellwachstum schaffen. Auch die Ausschüttung von Hormonen wird so stimuliert. In der Prostata führt dies zunächst zu einer Prostatahyperplasie (BPH), einer gutartigen Vergrößerung durch Zellvermehrung. Die BPH resultiert in einer vermehrten Anfälligkeit der Prostata für Entzündungen oder verstärkt diese in Form eines Teufelskreises. Denn Entzündungsprozesse fördern wiederum das Wachstum der Prostata und die BPH (s. Kapitel 2.5.4, Seite 13 sowie Kapitel 3.7, Seite 47).
Die Inflammationsprozesse bei einer chronischen Prostatitis fördern schließlich insbesondere durch den chronisch erhöhten oxidativen und nitrosativen Stress die