Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy

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Menschen im Krieg – Gone to Soldiers - Marge Piercy


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die Hand. »Ich wünsche diesem Land Glück in seinem Krieg. Aber Sie haben das Geld, um Panzer und Flugzeuge zu kaufen. Das fehlte uns.«

      Oscar gab ein Riesentrinkgeld, und sie stolperten auf die Straße. Er winkte einem Taxi. »Nein, Oscar, ich fahre zu mir. Ich möchte nach Hause zu Kay und erfahren, was wirklich vorgeht. Nochmals danke für den netten Nachmittag.« Sie nahm seine Hand und gab ihm einen festen Händedruck. »Bis bald.«

      Oscar war zu baff, um zu widersprechen, obwohl sein Mund auf- und zuging und er die Hand ausstreckte, als wollte er sie hindern, ins Taxi zu steigen. Er war ebenfalls verwirrt von den Nachrichten und ungeduldig, das Radio anzustellen. Er wandte sich um und suchte den heranströmenden Verkehr nach einem weiteren Taxi ab. Als ihres abfuhr, sah sie ihn rasch die Vierzehnte Straße entlanggehen und zu seiner Wohnung in der Vierten West eilen.

      »Es ist nicht Honolulu, es ist der Marinestützpunkt in Pearl Harbour«, sagte der Taxifahrer. »Ein Dolchstoß in den Rücken. Aber die von der Marine, das sind große Kämpfer, die haben den Japsen bestimmt Saures gegeben. Der Horde kleiner gelber Affen. Die Wichse, in die die heute reingelatscht sind, so was haben die noch nicht gesehen.«

      Louise fühlte sich, als sei sie in allerletzter Sekunde vor einer Torheit bewahrt worden, ein viktorianisches Mägdelein, das vor dem aalglatten Schurken gerettet wurde, doch sie bedauerte ihre Rettung. Auch wenn sie sich wenig Illusionen über Oscars Angebot machte, war sie sich bewusst, dass tief in ihr Wunschvorstellungen kreisten, empfindlich wie tropische Fische mit hauchdünnen Schwanzschleppen, an denen andere Fische nur allzu gern geknabbert hätten. Wunschvorstellungen, so hirnlos wie Guppys, und sie nahm sich vor, sie im Dunkel ihres Rückenmarks niederzuhalten, wo sie hingehörten. Doch noch, als sie durch die Stadt zu ihrer Tochter und der Nachrichtenquelle und dem Telefon fuhr, das inzwischen bestimmt klingelte, bedauerte sie, dass der Kellner davon angefangen und es nicht ihnen überlassen hatte, es zu entdecken, nachdem sie einander wiederentdeckt hatten.

      Murray rief Ruthie am frühen Abend an. »Irgendwie kann ich nicht stillsitzen«, sagte er. »Vielleicht können wir einen Spaziergang machen, einen kurzen? Ich weiß, du hast Hausaufgaben. Ich ja auch.«

      Ruthie konnte ihn kaum verstehen, so laut dröhnte das Radio hinter ihr und genauso laut schmetterte das Radio hinter ihm in seinem Haus. Sie wusste, eigentlich musste sie zu Hause bleiben und lernen, aber sie war zu aufgewühlt. »Komm doch gleich vorbei«, sagte sie leise. »Ich kann nicht lange weg. Wir können einen Kaffee trinken gehen.«

      Naomi trug Boston Blackie herum wie eine Babypuppe. Sie fragte: »Die Japaner, sind die wie die Deutschen?«

      »Sie sind Teil der Achse. Sie sind unsere Feinde.«

      »Aber hassen sie auch die Juden?«

      Ruthie verwuschelte Naomis Lockenhaar. »Ich glaube, die wissen gar nicht, wer die Juden sind, Naomi.«

      »Dann sind sie vielleicht nicht so schlimm.«

      »Schsch!« Ruthie tippte Naomi mit dem Finger auf die Lippen. »Sag das zu keinem sonst. Nie.«

      »Ich versprech’s«, sagte Naomi. »Ich weiß ja, wenn sie Bomben abwerfen, ist es egal, ob du jüdisch bist oder nicht. Sogar die Kühe werden verbrannt und liegen tot neben der Straße. Sogar die Hunde werden totgebombt.«

      Murray kam innerhalb von vierzig Minuten, da er sich den alten Dodge seines Vaters geliehen hatte. Als sie ihn in seiner karierten Mütze und dem alten Tweedmantel in der Tür stehen sah, hatte sie wieder dieses Gefühl von Unbefangenheit. Er stand ein wenig scheu da, mit krummen Schultern, und lächelte sie an. Sie führte ihn so kurz ins Haus, wie sie nur konnte. Als sie etwas sagen wollte, winkte Duvey ab. Alle drängten sich um das Wohnzimmerradio.

      »Wir haben gerade die Nachricht erhalten, dass Guam wahrscheinlich unter Angriff steht. Die Kabelgesellschaft gibt an, dass ihre Leitungen unterbrochen sind. Die Japaner haben die praktisch wehrlose Stadt Schanghai überfallen. Berichten zufolge haben sie das Hafenviertel um die berühmte Bund, die Uferstraße, bombardiert. Sie sollen ein britisches Kanonenboot versenkt und das amerikanische Kanonenboot Wake gekapert haben, das als Funkstation für das amerikanische Konsulat fungierte. Sie haben ferner das International Settlement besetzt. Das bedeutet, dass etwa dreitausend Amerikaner festsitzen.«

      »Aus Washington kündigt das Rekrutierungsbüro der US-Marine an, dass alle Rekrutierungsstellen morgen früh ab acht Uhr geöffnet sein werden.«

      Draußen auf der Straße gingen sie trotz des kalten Nieselregens langsam. Ohne zu überlegen, ohne die Entscheidung zu bedenken, gab sie ihm ihre Hand, und er steckte sie in seine Manteltasche, um sie ohne Handschuhe halten zu können. »Ich frage mich, ob ich zur Marine gehen soll«, sagte Murray. »Meine Mutter ist dagegen, aber ich kann mir kaum denken, dass irgendeine Mutter dafür ist. Ich war noch nie in meinem Leben auf einem Schiff. Du?«

      »Nur auf dem Dampfer nach Bob Lo. Ich bin am Ende des achten Schuljahres mal mit der Klasse hingefahren, und die Gewerkschaft von meinem Vater hat da mal ein Picknick veranstaltet.«

      »Hast du Angst?« Er hielt ihre Hand fester.

      »Ja. Ich weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat. Ein Teil meiner Familie ist jetzt seit zwei Jahren im Krieg –«

      »Verwandte in Polen?«

      »Einige in Polen und welche in Frankreich.«

      Murray grinste. »Ich habe noch nie französische Juden kennengelernt.«

      »Zwei von den Schwestern meiner Mutter sind nach Paris gezogen. Meine Mutter stammt ursprünglich aus Polen und hat meine Oma rübergeholt.«

      »Meine Eltern reden nie über ihre Familie in Europa. Sie wollen so sehr wie richtige Amerikaner sein, sie mögen nicht mal meine Fragen beantworten.«

      »Sie reden nie Jiddisch?«

      »Nie. Ich wusste gar nicht, dass sie es überhaupt können, bis ich einmal gehört habe, wie meine Mutter es in einem Laden benutzte, als sie um eine Manteländerung feilschte.«

      »Ich finde es wichtig, ein Gefühl dafür zu haben, wo man herkommt.« Sie wollte noch nichts von Naomi sagen, die all die Verwandten, denen sie nie begegnet war, für sie real und lebendig machte. Naomi hatte nicht mit Murray gesprochen, und bei dem Gewusel und Chaos zu Hause war sie ihm wahrscheinlich entgangen, das kleine Mädchen mit dem krausen Haar, den hellbraunen Augen und dem herzförmigen Gesicht, das ihn wie eine eifersüchtige Katze wütend anstarrte.

      »Ich weiß nicht.« Murray runzelte die Stirn. »Ich sehe manchmal die chassidischen Burschen mit den Schläfenlocken und den komischen Kleidern, und ich kann mich mit ihnen nicht mehr identifizieren als mit Eskimos oder Südseeinsulanern. Ich habe das Gefühl, sie sind aus dem Mittelalter. Ich lebe im Detroit des Jahres 1941, und sie leben immer noch im Minsk des Jahres 1841. Sie sind mir peinlich.«

      »Aber es gibt eine Verbindung. Ich bin ebenso jüdisch wie sie, aber auf meine Art. Das habe ich von meiner Großmutter und meiner Mutter gelernt, und das möchte ich weitergeben.«

      »Denkst du oft daran zu heiraten?«

      Ruthie lachte auf. »Ach, Murray, unter all denen, die während der Depression aufgewachsen sind wie wir, kennst du da irgendwen, der ganz jung heiraten und eine Familie gründen will? Jedenfalls nicht die von uns, die ein kleines bisschen mehr wollen, als unsere Eltern haben. Ich sehe bei meinem Bruder Arty und seiner Frau Sharon, wie es sie am Boden hält, schon zwei Kinder zu haben. Mir macht es nichts aus, wenn Arty sagt, ich werde als alte Jungfer enden. Ich will nicht heiraten und ich will keine Kinder haben, bevor ich fünfundzwanzig oder vielleicht sogar dreißig bin!«

      »Das ist gut, ich meine, das ist weitblickend von dir. Du schaffst bestimmt deinen Abschluss. Ruthie, ich weiß nicht, was ich machen soll. Auf der einen Seite möchte ich unbedingt auf der Uni bleiben, denn ich denke, das ist meine einzige Chance, weiterzukommen und einen richtigen Beruf zu lernen. Bei den Sachen, die mir jetzt offenstehen, sitze ich auf der Straße, sobald eine Wirtschaftskrise kommt. Ich möchte eine Arbeit tun, die ich schätze. Aber ich habe auch das Gefühl, ich sollte mich freiwillig zum Militär melden.


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