Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy

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Menschen im Krieg – Gone to Soldiers - Marge Piercy


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Zach reizten Bernice bis aufs Blut, weil beide ganz sachlich erörterten, was ihr als Verlust naheging. Sie hatte in der Überzeugung gelebt, ihrem Idol eines Tages zu begegnen, ein Foto von ihr aus der Zeitung geschnitten und sich an die Wand gehängt, zwischen Jeffs frühe und neuere Landschaften.

      Das Radio redete neunmalklug in ihre Träumerei. »Die Japaner sind ein sehr großes Risiko eingegangen, ihre Flugzeugträger in die Reichweite unserer äußerst leistungsstarken Marineaufklärungsbomber und unserer auf der Insel Oahu stationierten Langstreckenbomber gebracht zu haben. Ein Risiko, das sich nur als verzweifelte Maßnahme interpretieren lässt, die zum Verlust am Angriff beteiligter Flugzeugträger führen kann, die allerdings auch unsere Pazifikflotte auf ihrem Weg in den Westpazifik aufhalten und damit den Japanern wichtige Zeitgewinne für Operationen im Fernen Osten verschaffen kann.«

      Durch die forsche, selbstsichere Stimme klangen die Nachrichten halbwegs beruhigend. Der Major hätte die Anweisungen des Trainers in einem Baseballspiel beschreiben können oder auch ihre eigenen Gedankengänge, wenn sie mit ihrem Vater Schach spielte. Sie schämte sich ihrer Hochstimmung. Vielleicht bedeuteten diese Ereignisse gar nicht unbedingt Krieg; vielleicht trat der Krieg in Form von ebensolchen gebieterischen Männerstimmen in ihr Leben, die ferne Ursachen und Wirkungen erläuterten: ein Unglück zwar, aber weniger bedrückend als die Weltwirtschaftskrise.

      Zeit, den Blumenkohl aufzusetzen und die Soße zu bereiten.

      Oscar hatte recht, das spanische Restaurant war gut. Louise bestellte Paella und Oscar eine Zarzuela de maresco: Riesengarnelen, Hummer, Venus- und Miesmuscheln in einer knoblauch- und safrangewürzten Tomatensauce. Sie bedauerte, das nicht auch bestellt zu haben, obwohl ihre Paella hervorragend war. Typisch Oscar, genau zu wissen, was man am besten bestellte. Er war kein versnobter Feinschmecker, doch schien er stets die richtige Wahl durch die Poren zu wittern, vielleicht, weil er neugierig war und keine Scheu hatte, den Kellner zu fragen, was das Paar am Nebentisch aß. Das hatte ihnen über die Jahre zu einigen denkwürdigen Mahlzeiten verholfen, die meisten davon gut, manche einfach nur denkwürdig wie ihr Verzehr von Seeigeln in einem chinesischen Restaurant.

      Sie begannen mit einem Glas trockenem Sherry, dann teilten sie sich eine Flasche weißen Rioja. Oscar redete über sein Projekt der Flüchtlingsbefragung. Louise hatte gute Antennen. Sie beobachtete sein Gesicht, als sie bemerkte: »Ich könnte mir vorstellen, dass viele von diesen Auskünften für den Geheimdienst interessant sind? Ich gehe davon aus, die Regierung ist zu der Einsicht fähig, dass wir früher oder später in diesen Krieg hineingezogen werden?«

      »Hmmm«, sagte Oscar. »Möchtest du noch mal von meiner Zarzuela kosten? Ich sehe, du beäugst sie mit gewissem Interesse.«

      »Deine Zarzuela, also wirklich, Oscar.« Sie bediente sich. Sie hatte die Antwort, aber nur teilweise. Für wen genau arbeitete er?

      »Ich hätte nichts gegen eine Kostprobe von deiner, überhaupt nichts. Es ist lange her.«

      »Schämst du dich gar nicht, Oscar, du versuchst, mich zu verführen, um meine Frage nicht zu beantworten. Was sie letztendlich beantwortet.«

      »Dich zu verführen steht a priori auf dem Programm. Zumindest der Versuch. Früher gelang mir das.« Er schenkte ihr Glas wieder voll. »Hat sich dein Herz gänzlich gegen mich verhärtet?« Er versuchte, seelenvoll dreinzuschauen, wirkte aber nur jungenhaft, was vollauf genügte.

      »Du hast dir doch nicht eingebildet, ich ginge mit meinem Exmann in ein Hotel?«

      »Dafür sind wir zu kultiviert, und außerdem haben wir beide gemütliche, geräumige Wohnungen. Ich denke öfter an dich, als du weißt, Louie. Öfter, als du glaubst.«

      »Das stimmt wahrscheinlich.« Ihrer festen Überzeugung nach war sie diejenige, die ständig über Oscar nachgrübelte, doch sie hegte keinerlei Absicht, das einzugestehen.

      »Ein kalter, windiger Sonntag. Wie könnte man ihn besser nutzen? Ich habe einen phantastischen Oloroso, den mir ein Freund mitgebracht hat.«

      »Ich dachte, du hast Madeleine inthronisiert, die derzeitige Gebieterin deines Herzens.«

      »Louie, du hast das immer überschätzt. Ich kam ihr gerade recht, ein alter Freund in einem neuen Land. Sie ist bei der University of California in Los Angeles untergekommen. Mit Hilfe des psychoanalytischen Netzwerks.«

      »Eins möchte ich wissen. Wer wurde überdrüssig, du oder Madeleine?«

      »Louie, New York wimmelt von geflüchteten Psychoanalytikern. Madeleine konnte hier nicht Fuß fassen. Los Angeles ist für sie nicht fremder als New York, und ihr wurde ein Lehrauftrag angeboten. Sie wird sich dort einrichten und bald eine eigene Praxis haben.«

      Sie konnte bei Oscar nicht die leisesten Anzeichen von gebrochenem Herzen ausmachen. Er schien die nachrichtendienstliche Verbindung, die er mit Informationen fütterte, eher verbergen zu müssen als das, was von seiner Beziehung zu Madeleine Blufeld blieb, blonde, elegante Österreicherin und einer der Gründe für ihre Scheidung, aus Louises Sicht. Zweifellos sagte er ihr die Wahrheit, wie er sie sah; Madeleine musste um ihres beruflichen Fortkommens willen in den Westen gehen und Oscar nicht. Zweifellos rechnete er darauf, wieder mit Madeleine anzubandeln, wenn sie gelegentlich nach New York kam. Zweifellos rechnete er auf ein romantisches Tête-à-Tête, sollten die Umstände ihn nach Südkalifornien führen. Oscar mochte keine endgültigen Abschiede.

      »Du siehst dermaßen entzückend aus, Louie, selbst wenn ich nicht die ganze Woche an dich gedacht hätte, dich so am Tisch zu sehen wie ein Strauß roter Rosen würde schon genügen, meine Gedanken an dich zu fesseln.« Oscar machte nicht viele Komplimente. Zweifellos merkte er – obwohl er wahrscheinlich nie verstanden hätte, warum –, dass die Erwähnung von Madeleine die Stimmung, um die er sich bemühte, etwas gedämpft hatte. Oscar war auf seine unkonventionelle Art ein sentimentaler Mensch, und sie musste davon ausgehen, dass er es durchaus passend fand, einen Teil ihres ehemaligen Hochzeitstages im Bett zu verbringen.

      Das Problem dabei war, sie fand ihn trotz aller abstrakten Empörung immer noch überwältigend attraktiv. Er schien Hitze zu verströmen. Seine dunklen Augen strahlten sie an, er beugte die breiten Schultern über den Tisch, und seine großen, wohlgeformten Hände, auf deren Rücken und Fingergliedern üppiges Haar wuchs wie ein gepflegter schwarzer Rasen, näherten sich über die Tischplatte, gestikulierten, schenkten ständig Wein nach, reichten ihr Häppchen, beanspruchten Platz, rückten vor. Ach, was soll’s, dachte Louise, warum nicht? Madeleine ist über alle Berge, und ich kann mir beim besten Willen nicht viel Verlangen nach Dennis abringen. Ich werde nicht zulassen, dass ich das ernst nehme. Ich werde nicht zulassen, dass ich verletzt werde. Diesmal nicht. Ich werde ihn so nehmen, wie Männer Frauen nehmen, und dann nach Hause fahren, mich mit Dennis zu einem netten, kultivierten und ziemlich langweiligen Abend treffen und morgen schon früh an die Arbeit gehen. Warum nicht? Sie war zufrieden mit sich, richtig rücksichtslos entschieden zu haben. Vielleicht war das die eigentliche Errungenschaft einer Geschiedenen, die Freiheit zu spontanen ruchlosen Entscheidungen, zu der Entscheidung, etwas zu genießen und dann davonzuspazieren.

      Der Kellner, der sie anfangs umhegt hatte, war dann für weite Strecken des Mahles verschwunden. Jetzt, als Oscar die Rechnung verlangte, redete er unvermittelt auf ihn ein. »Während Sie hier sitzen, verkündet das Radio, dass Sie sich im Krieg befinden. Jawohl, Ihr Land.«

      »Was ist denn?« Louise beugte sich vor. »Haben wir Deutschland den Krieg erklärt?« Ihr fiel plötzlich ein, dass dies spanische Flüchtlinge waren; sie hatten ihren Krieg gegen die Mächte des Bösen und der Reaktion geführt; den Krieg, der ihrer Generation gezeigt hatte, dass ein Volk das Recht und die Zahlen auf seiner Seite haben und doch verlieren konnte. Auch die Demokratie konnte im Krieg scheitern.

      »Die Japaner haben Ihr Honolulu bombardiert. John Cameron Swayze hat es im Radio gesagt, während Sie hier saßen. Sie sagen, es geht auch jetzt noch weiter.«

      »Honolulu?«, wiederholte Oscar. »Das muss ein Irrtum sein. Warum sollten sie Honolulu bombardieren? Das ist wie ein Angriff auf Miami Beach.«

      »Es tut mir leid für Ihre Leute in Honolulu. Bombardiert werden, das macht einem


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