Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy

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Menschen im Krieg – Gone to Soldiers - Marge Piercy


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sie irgendeinen Filmstar. »Er heißt Andy.« Als Louise ihren strengen Blick nicht abwandte, fügte sie hinzu: »Andy Bates.«

      »Sprich weiter. Wo hast du ihn kennengelernt und wer ist er und warum hast du nicht vorher mit mir darüber geredet?« Louise hatte den sauren Gedanken, wenn sie ihre Kindheit in einem Roman von Dickens verbracht hatte, so schien die ihrer Tochter in Filmschnulzen zu baden.

      »Ich bin sechzehn, Mutter, ich bin jetzt erwachsen, und es wird Zeit, dass du das zur Kenntnis nimmst. Mädchen werden in Kriegszeiten schneller erwachsen.« Kay lauschte mit einiger Zufriedenheit, wie sich das anhörte.

      »Seit letzter Woche bist du erwachsen? Erstaunlich. Und wer ist dieser Andy Bates?«

      »Er ist bei der Marine.«

      »Oh nein! Ein Matrose? Wo zum Teufel lernst du Matrosen kennen?«

      »Vor dem Rekrutierungsbüro. Wir sind zu jung, um hineinzugehen, aber wir treffen uns draußen mit ihnen. Deine Haltung ist unpatriotisch, Mutter. Ich schäme mich für dich.«

      »Ich schäme mich für dich, du gabelst auf der Straße einen Matrosen auf und willst mir weismachen, das sei Teil der Kriegsanstrengungen. Was hast du mit ihm gemacht?«

      »Wirklich, Mutter, du hörst dich an wie eine viktorianische Matrone, die mir gleich die Tür weisen wird. Ich bin zu einer Doppelverabredung mit ihm zum Zoo im Central Park und dann auf dem See rudern gegangen. Mit seiner Freiheit ist es vorbei. Ich habe versprochen, ihm zu schreiben, aber ich werde ihn erst in einigen Monaten wiedersehen, falls er nicht vorher in Stücke gerissen wird.«

      »Kay, er mag ein netter junger Mann sein, aber du kannst nicht Männer auf der Straße aufgabeln und erwarten, dass sie sich anständig verhalten. Du hast überhaupt keine Ahnung, in was du da geraten kannst. Manche Männer sind durchaus bereit, Gewalt anzuwenden –«

      »Wirklich, Mutter, heutzutage treffen sich alle zwanglos, und wenn du ehrlich glaubst, er wollte mich mitten im Zoo schänden –«

      »Du weißt gar nicht, was das Wort bedeutet! Ich wünsche nicht, dass du dich vor dem Rekrutierungsbüro herumtreibst und dich in Schwierigkeiten bringst. Und wenn ich dich jeden Tag von der Schule abholen und nach Hause bringen muss, dann werde ich das tun.«

      »Mutter! Willst du, dass ich vor Blamage sterbe? Ich höre mit der Schule auf, wenn du mich so behandelst.«

      »Das bezweifle ich. Du würdest dich zu Hause ganz schön langweilen. Hör zu, Kay, wenn du meinst, du bist alt genug für Verabredungen, dann nur an Wochenenden, und ich möchte die jungen Männer kennenlernen.« Sie hörte sich an wie eine Tugendwächterin, und es war ihr egal. In Kays Alter hatte sie einen geschärften Sinn dafür gehabt, welche Männer gefährlich waren und welche nicht, ein Wissen, vor dessen Erwerb sie Kay immer beschützt hatte; auch wünschte sie Kay nicht, die Männer, denen sie begegnete, auf ihr Potenzial zu brutaler Gewalt abschätzen zu müssen.

      Sollte sie nicht Oscar zu Rate ziehen? Vielleicht war er in der Lage, Kay wesentlich wirksamer ins Gewissen zu reden, als sie es konnte; womöglich gelang es ihm, sie so zu beschämen, dass sie sich weniger leichtsinnig verhielt. Louise hatte das Gefühl, ihn hineinziehen zu müssen, wollte sich aber nicht in die gefährlichen Ranken von Oscars Aufmerksamkeit verwickeln. Bestimmt konnte sie mit Kay alleine fertig werden, sich für immer von ihm freimachen.

      Sie saß bei zugezogenen Verdunkelungsvorhängen in ihrem Bett und las Saint-Exupérys Flug nach Arras. Dennis hatte ihr den Roman an jenem Abend gegeben, als sie ihn nicht davon abhalten konnte, ihr einen Heiratsantrag zu machen und sich dann verletzt zurückzuziehen. Plötzlich klingelte das Telefon.

      Sie runzelte die Stirn. Spät für einen Anruf. Es war ein Ferngespräch. Als sie die Stimme mit dem französischen Anklang hörte, verschwand ihre Verärgerung. »Claude! Wo bist du?«

      »Ich bin immer noch in Washington. Aber ich habe meinen Terminplan geändert. Morgen nehme ich den Zug nach New York, wo ich auch den Abend verbringe, und wir treffen uns, einverstanden? Kannst du absagen, was du vorhast, und kommen? Denn am nächsten Vormittag muss ich zurück an die Westküste.«

      »Morgen? Soll ich dich vom Zug abholen?«

      »Nein, der wird überfüllt sein. Ich habe es so arrangiert, dass ich mich in New York mit unserem Geldmogul treffe. Irgendein Lakai wird mich abholen. Ich rufe dich am späten Nachmittag an und sage dir, wann wir essen gehen. Ist das gut?«

      »Hört sich sehr gut an.«

      »Ich konnte nicht bis zum Sommer warten, Louise, um unser Gespräch fortzusetzen. Ich halte es für dringend. Bist du dafür?«

      »Ich bin dafür, dich morgen zu treffen, Claude. Und jetzt gute Nacht.« Sie hatte sich im Verdacht, Claude unweigerlich in die Arme zu fallen, wenn er sie nur heftig genug bedrängte. Offensichtlich hatte sie auf ihn Eindruck gemacht, wie er auch auf sie, aber würde das zweite Treffen neben dem ersten bestehen? Mach dir keine Gedanken, befahl sie sich und knobelte, wie sie in ihren bereits engen Zeitplan einen Friseurtermin einarbeiten konnte und mit welcher Ausrede sie darum herumkam, mit ihren Freunden, den Bauers, Katherine Cornell in Shaws Candida anzuschauen, nachdem es so schwer gewesen war, dafür Karten zu ergattern. Sie musste Kay an ihrer Stelle hinschicken und unerwartete Arbeit für den Ausschuss vorschützen. Die Bauers waren es gewohnt, dass ihre Freunde nach Washington gerufen wurden und bei Bundesdienststellen ehrenamtliche Posten übernahmen. Sie würden ihren Termindruck nicht hinterfragen. Ihr kam die Idee, sich morgen früh von Kay beim Sortieren der Unterlagen aus dem Karton helfen zu lassen, was Kay von der Wahrheit ihrer Geschichte zu überzeugen versprach. Der Weg war frei für Torheiten.

      Ich bin Oscar nicht nur in der Ehe treu gewesen, sondern auch noch lange danach, selbst wenn ich mich gelegentlich wie ein Packen frisch gewaschener, unsortierter Wäsche in das Bett eines anderen Mannes fallen lasse. »Ich war dir treu, Cynara, auf meine Weise.« Louise lächelte bei dem Gedanken an dieses schwer atmende Gedicht ihrer Jugend, das unter den literarisch interessierteren und emanzipierteren Koedukationsschülerinnen herumgereicht wurde, weil sie es erotisierend fanden, bis sie Joyce und Hemingway entdeckten. Claude hatte Oscars Kaliber, und selbst ein kurzer Galopp mit ihm tat ihrem Sinn für sich selbst und ihre Möglichkeiten bestimmt gut. Louise seufzte und fragte sich, ob sie sich nicht lieber auf schwüle Romane hätte werfen sollen statt auf stromlinienförmige Kurzprosa, denn in keiner ihrer Geschichten durften ihre Heldinnen den Hochofen sexueller Lust durchleben, der da im Zentrum toste und mit seiner Energie ihr Leben speiste.

      Louise war zu aufgeregt, um schlafen zu können, wollte aber anderntags blendend aussehen. Schließlich kramte sie in einer Schublade nach einer Schlaftablette. Sie hatte seit den Monaten nach Oscars Auszug keine mehr genommen. Sie konnte sich an ihren unglücklichen Zustand erinnern, aber heute Abend hatte sie eine Vogelperspektive auf diese Hölle, säuberlich wie Flickenteppichfelder weit unter ihr. Wenn sie heute Abend eine Einschlafhilfe brauchte, dann nicht, weil ihr Leben ihr entleert vorkam, sondern übervoll.

      Als sie erwachte, erinnerte sie sich an zwei sexuelle Träume. Darin hatte sie nicht mit Oscar geschlafen, der ihr Traumleben immer noch zu dominieren schien, auch nicht mit gesichtsloser Jugend, jung Tausendlieb, der manchmal Oscar ersetzte. Sie hatte geträumt, Körper an Körper nackt mit Claude zu liegen, einmal und dann noch einmal, und als sie nun aufstand, um sich ihrem Tag zu stellen, ertappte sie sich dabei, dass sie an ihn bereits als ihren Liebhaber dachte, als einen Mann, der ihr schon zweimal Genuss bereitet hatte.

      Naomi 2

      Ab heute bist du eine Frau

      Es passierte in der Schule, als Naomi in der Turnstunde draußen Baseball spielte. Sie war ans entfernteste Laufmal gestellt worden, weit weg vom Schläger, wo ihre einzige Angst war, der Ball könnte plötzlich auf sie zufliegen. Baseball war für sie ein fremdes Spiel. Sie holte nach dem Ball aus, wenn sie mit Schlagen dran war, und wenn sie ihn manchmal traf, so war das reine Glückssache. Sie hatte gelernt, dann ganz schnell zu rennen, und sie wusste, wo sie zuerst hinrennen musste und wohin dann.

      Wenn dem Ball jedoch einfiel, direkt auf sie zuzukommen, dann wusste sie sich keinen Rat, was sie tun sollte. Dann stand sie mit hochgestreckten


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