Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy

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Menschen im Krieg – Gone to Soldiers - Marge Piercy


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Bernice war keine schlechte Fahrerin, aber gegenüber der Möglichkeit, über den Luftraum zu gebieten, war ein Sportwagen einfach unterlegen. Das leichteste, klaterigste Flugzeug mit einem 40-PS-Motor konnte in eine Dimension vordringen, die dem teuersten Renn-Ferrari der Welt verwehrt war.

      Gleichgültig, wie dürftig ihr Leben zeitweilig war, ihr gehörte die gesamte Hälfte eines Flugzeugs. Sie hatte Steven sein Viertel abgekauft, als er zum Militär ging. Der andere Besitzer, ein Rechtsanwalt, flog meistens zur Entspannung und gelegentlich, wenn ihm der Sinn danach stand, um einen Klienten aufzusuchen. Für ihr Empfinden war es eigentlich ihr Flugzeug, denn sie war diejenige, die es am häufigsten flog, und sie war diejenige, die es reparierte und pflegte und verhätschelte. Eines Tages würde sie den Rechtsanwalt auskaufen. Er redete schon davon, sich nach dem Krieg etwas Schickeres zuzulegen. Sie konnte diese Maschine noch jahrelang in Betrieb halten. Wenn sie sich mit dem Abwasch beeilte, konnte sie noch wenigstens zwei Stunden lang tippen, obwohl ihre Hände von der Kälte im Flugzeug geschwollen waren. Machte nichts. Sie würde es schon schaffen.

      Sie nahm sich vor, an dem Tag, an dem sie endlich ihre Verkehrspilotenlizenz bekam, mit einer irgendwo ergatterten Flasche Whisky oder Gin auf den Jumpers Mountain zu steigen und dazusitzen und Lieder zu singen und den Mond zu grüßen. Sich ihr Fest zu bereiten. Es Jeff zu erzählen, der sich bestimmt mit ihr freute, wenn auch nur am Telefon. Denn dann hatte sie endlich etwas Eigenes vollbracht.

      Duvey 1

      Viele Stürme kennt das Meer

      Duvey verbrachte die ersten drei Monate 1942 auf der karibischen Tour und war deshalb heilfroh, jetzt die nordatlantische Geleitzug-Route zu schippern. Er war auf Tankern gefahren, jetzt zum Glück nicht mehr. Er hatte fünf Freunde verloren, von denen er wusste, und wahrscheinlich noch mehr, von denen er keine Ahnung hatte. Alle hopsgegangen auf Tankern, vor der Küste torpediert, nah genug, dass man’s vom amerikanischen Festland riechen und den Feuerschein sehen konnte. Cape Hatteras war am schlimmsten, aber die gesamte Küste war tödlich.

      Eine Frau in einer Bar erzählte ihm von ihrer Mutter in Vero Beach, wo die Dodgers ihr Winterlager hatten und wo jeden Morgen am Strand Arme, Ohren und Rümpfe ohne Kopf zusammen mit verbogenem Metall angespült wurden. Meistens ging die Tankerbesatzung in einer großen Stichflamme drauf, und vielleicht war das gut so, denn die armen Kerle, die von Bord sprangen – er hatte geholfen, welche davon aus dem Wasser zu fischen. Ihm war lieber, sofort hochzugehen, statt ins flammende Meer zu springen und mit Verbrennungen am ganzen Körper »gerettet« zu werden und langsam im Krankenhaus zu verrecken oder als Schreckgespenst durch Detroit zu humpeln.

      Die U-Boote führten Krieg, wie sie Lust hatten, lauerten vor der Küste und spielten vor den Lichtern von Miami, Charleston, Savannah und New York Schießbude mit den Tankern. Die Städte waren nicht mal verdunkelt. Das Leben von Seeleuten war billig. Die Helden waren in der Armee und in der Marine, aber krepieren taten die Seeleute, und wenn irgendwer an Land meinte, der Krieg konnte ohne die Nahrungsmittel, das Öl und den Nachschub von ihren Frachtern gewonnen werden, dann war der so bescheuert, wie er es den meisten schon immer unterstellt hatte. Wenn England durchhalten sollte und wenn die Vereinigten Staaten sich wirksam in den Krieg einschalten sollten, dann mussten die Frachtschiffe ihre Ladung ausliefern.

      Er hatte sich entschieden. Er dachte nicht daran, sich vom Militär in die Zwangsjacke stecken zu lassen und jedes Arschloch zu grüßen, das zufällig Annapolis absolviert hatte. Er war immer Malocher gewesen, und er blieb einer. Das war die richtige Kriegsarbeit, wie er sie verstand, und er war es gewohnt, Städte von ihren Hafenvierteln und ihren Nachtseiten zu sehen. Sie hatten sich für ihre Gewerkschaft den Arsch aufgerissen, und jetzt zogen sie zu Gewerkschaftstarifen in den Krieg. Die Nationale Seemännische, eine CIO-Gewerkschaft wie die von Tate, hatte sie von vierzig Dollar im Monat und von Quartieren, die nur für Schweine taugten, auf hundert Dollar im Monat gebracht, und jetzt bekamen sie noch mal hundert Gefahrenzulage. Ein paar Amtsschimmel wollten ihnen die Heuer kürzen, aber erst sollten mal die Schiffseigner ihre riesigen Profite ausspucken, dann ließ sich über Lohnkürzungen reden: Das sagte die Gewerkschaft, und das sagte er.

      Wenn er daran dachte, schrieb er rasch einen Brief nach Hause, denn er wollte nicht, dass Mame sich Sorgen machte. Er passte auf, was er schrieb, füllte seine Briefe mit Fragen und Lügengeschichten. Sie dachte, weil er nicht bei der Marine war und nicht kämpfen musste, war er sicher. Besser, sie blieb dabei. Er hatte nicht vor, ihr ein Licht aufzustecken. Er hatte ihr immer Ärger ins Haus gebracht, obwohl er das gar nicht wollte. Als Ältester wusste er, wie schwer das Leben für sie gewesen war.

      Er war auf seine Art ein Härtefall, aufgewachsen im tiefsten Keller der Depression, hatte fast alles entbehren müssen, was Spaß machte. Arty sah nicht über seinen Tellerrand raus. Ruthie, die konnte vielleicht was aus sich machen. Die hatte zwar so was Artiges, Redliches an sich, was er zum Kotzen fand, aber sie war ganz in Ordnung und half Mame. Vielleicht kam sie ja sogar irgendwann durchs College, die erste Studierte in der Familie, wenn sie nicht so blöde war zu heiraten. Die Ehe machte kaputt. Frauen fingen an, Kinder zu kriegen, und bald sahen sie aus wie ihre Mütter und konnten nur noch nachplappern, was ihre Mütter mal gesagt hatten. Männer kriegten so was Ausgelaugtes, Gebeugtes, und die Bäuche quollen ihnen über den Hosenbund.

      Das war nichts für ihn. Daran hatte er nie auch nur im Traum gedacht. Ihm gefielen Frauen, die er zu Hause nicht vorzeigen konnte. Die einzigen Mädels, die in seinen Augen die Mühe wert waren, das waren die, die es gewohnt waren, sich selber durchzubringen, eine Kellnerin oder eine Barfrau oder eine Maniküre oder eine Nutte, die keinem Zuhälter gehörte, eine, die auf sich aufpasste, damit man sich bei ihr nicht was holte. Das süßeste Mädel, das er je gehabt hatte, war eine Farbige, Delora mit Kupferhaut und langen tollen, tollen Beinen und einem Hintern, den sie nur über die Straße tragen musste, damit die Männer auf die Knie fielen. Aber ein farbiges Mädel zu haben brachte Zoff. Sie konnten fast nirgendwohin was essen oder trinken gehen, ohne dass er mit weißen Wichsern aneinandergeriet oder mit Farbigen, denen es stank, dass er sich mit ihren Frauen einließ, als ob jede Frau der gleichen Hautfarbe ihnen als Gruppe gehörte. Duvey hatte nichts gegen eine Keilerei, aber doch nicht jedes Mal, wenn sie aus dem Haus gingen.

      Er war mit Farbigen in der Nachbarschaft aufgewachsen, und er verstand nie, warum die Weißen sich so anstellten. Ein russischer Jude und ein Schwede zum Beispiel, oder ein Schotte und ein Sizilianer, die waren genauso verschieden. Aber jedes Mal, wenn man mit einem reden wollte, der auf dem Gebiet eine Macke hatte, dann fing der an: Wäre es dir vielleicht recht, wenn ein Farbiger deine Schwester heiratet? Als ob alle Schwarzen nichts anderes im Sinn hatten, als jemandes schielende, lahmende Schwester zu heiraten. Klar waren sie neugierig, mit einer Weißen ins Bett zu steigen, genau wie er beim ersten Mal neugierig auf eine Farbige gewesen war, aber danach war es ein bestimmtes Lächeln oder ein Gang oder ein schlagfertiger Spruch, auf den er anbiss.

      Detroit hatte viele farbige Einwohner, und es wurden immer noch mehr, weil die Farbigen aus ihrem Sackgassendasein im Süden hochkamen und Arbeit in den Fabriken suchten. Wie bei den Juden waren die Gescheitesten wahrscheinlich die, die es im schwarzen Gegenstück zum Schtetl nicht mehr aushielten und sich was suchten, wo sie vorankamen und anständig verdienten. Die Farbigen in Detroit, das waren oft gescheite, aufgeweckte, fixe Leute, mit dem Bauch voll Wut über die Scheiße, die sie fressen mussten.

      Auf der Montauk waren sechs Schwarze, alle unten im Maschinenraum. Sie blieben meistens unter sich, und wenn er ihnen auch guten Tag sagte, falls sie ihm über den Weg liefen, hatte er doch nicht viel mit ihnen zu tun. Außer ihm war noch ein Jude an Bord, der Funker, aber der war Offizier. Wenn der gefragt wurde, ob er Jude war, gab er es zu, aber freiwillig sagte er das nie, nur, wenn er wusste, dass er mit einem Juden redete. Sobald du sagtest, du warst Jude, wollten sie dir ans Leder. Die hielten alle Juden für Matschbacken und Schlappschwänze, und du musstest ein doppelter Kerl sein.

      Wenn ihn welche ausfragten, sagte er: »Ich bin aus Detroit, Jack, wo die Autos rassig sind und die Weiber noch rassiger. Wir werden auf Rädern geboren, und wir verlöten den Schnaps wie Benzin.« Dann hatten sie was zum Reinbeißen.

      Duveys Spitzname war der steile Dave, wegen seines Erfolgs bei den Weibern im Hafen. Noch auf der Highschool hatte Duvey sich ausklamüsert, Frauen lohnten sich für


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