Tausend und eine Nacht. Max Geißler

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Tausend und eine Nacht - Max Geißler


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glei­chen Au­gen­bli­cke stan­den meh­re­re Ka­me­le vor dem Palast; die wa­ren ent­we­der schön auf­ge­zäumt, oder sie tru­gen Ge­schen­ke al­ler Art. Auch war ein star­kes Ge­fol­ge von Skla­ven bei den Tie­ren, und wie die Ka­ra­wa­ne ei­nes rei­chen Kauf­herrn zo­gen Asem, sei­ne Ge­mah­lin und die Skla­ven auf den Ka­me­len von dan­nen. An der Küs­te tra­fen sie ein Schiff, und ein güns­ti­ger Wind führ­te sie in kur­z­er Zeit in die Va­ter­stadt Asems. Wer ver­möch­te die Freu­de zu schil­dern, die die grei­se Mut­ter emp­fand, als sie ih­ren ver­lo­ren ge­glaub­ten Sohn in die Arme schloss!

      Über­schüt­tet von Lie­be und Glück, war Asem da­mals ei­ner der reichs­ten Ein­woh­ner sei­ner Stadt; aber als drei Jah­re ver­flos­sen wa­ren, er­in­ner­te er sich des Schlos­ses an der Wüs­te, und er nahm sich vor, ihm einen Be­such ab­zu­stat­ten. Ehe er je­doch reis­te, gab er den Schlei­er sei­ner Ge­mah­lin in die Hän­de sei­ner Mut­ter und sag­te: »Wenn du ihr die­sen Schlei­er ließest, wür­de sie von ei­ner un­wi­der­steh­li­chen Sehn­sucht nach der flie­gen­den In­sel ge­trie­ben wer­den. Hüte dar­um den Schlei­er wohl; wenn ich glück­lich heim­ge­kehrt bin, will ich selbst mit mei­ner Gat­tin in ihre Hei­mat rei­sen. Dürf­te sie aber al­lein ge­hen, so wür­de ich sie auf ewig ver­lie­ren und ihre bei­den Kin­der wür­den ver­waist um sie trau­ern.«

      Die Mut­ter ver­sprach, den Schlei­er sorg­sam zu hü­ten. Dann reis­te Asem zum Schloss in der Wüs­te.

      Nach ei­ni­gen Ta­gen nahm sei­ne Gat­tin ein Bad an je­ner Stel­le, an der auch die Frau­en vom Hofe des Sul­tans zu ba­den pfleg­ten. Und als sie die schöns­te al­ler Frau­en sa­hen, konn­ten sie ihre Au­gen an der Blü­te ih­rer Ju­gend nicht sät­ti­gen und ge­lei­te­ten sie nach Hau­se.

      So­bei­de, die Ge­mah­lin des Sul­tans, war über die­se Nach­richt sehr er­staunt und hat­te Lust, Asems Gat­tin zu se­hen. Sie ließ sie ho­len.

      Als sie bei ihr ein­trat, rich­te­te die Sul­ta­nin ihre er­staun­ten Au­gen auf sie und sprach: »In wel­chem Lan­de ist eine so himm­li­sche Schön­heit ge­schaf­fen wor­den?«

      »Fürs­tin«, er­wi­der­te sie, »wenn Ihr mich schon in die­sen ein­fa­chen Klei­dern schön fin­det, was wür­det Ihr sa­gen, wenn Ihr mich in mei­nem Schlei­er­ge­wan­de sä­het!«

      So­bei­de be­fahl der Mut­ter Asems, auf der Stel­le hin­zu­ge­hen und den Schlei­er zu brin­gen. Bei die­sen Wor­ten zit­ter­te die Alte; denn sie dach­te an ihr Ver­spre­chen; aber sie wag­te nicht, Ein­wen­dun­gen da­ge­gen zu ma­chen, ging trau­rig nach Hau­se und brach­te das ver­häng­nis­vol­le Ge­wand.

      So­bei­de be­trach­te­te das feins­te al­ler Ge­we­be lan­ge und be­wun­der­te es; denn es war von un­ge­ahn­ter Herr­lich­keit.

      Die Gat­tin Asems aber, als sie den Schlei­er in ih­ren Hän­den fühl­te, konn­te ihre Hei­mat­sehn­sucht nicht mehr zü­geln, nahm ihre Kin­der in ihre Arme, warf sich das Ge­wand über und ent­schwand vor den er­staun­ten Au­gen der Sul­ta­nin und ih­res Hof­staa­tes in den Lüf­ten. Von weit­her rief sie zu­rück: »Lebt wohl, lie­be Mut­ter! Trös­tet mei­nen Ge­mahl! Ich wer­de nie auf­hö­ren, ihn zu lie­ben, aber die Sehn­sucht nach mei­ner Hei­mat zwingt mich, ihn zu ver­las­sen. Wenn er nicht ohne mich le­ben kann, so soll er mich auf den flie­gen­den In­seln su­chen! Ade! Ade!« –

      Wäh­rend die­se Din­ge sich zu­tru­gen, ge­dach­te Asem sei­ner Ge­mah­lin, schied aus dem Schloss an der Wüs­te und kehr­te in sei­ne Va­ter­stadt zu­rück. Er fand sei­ne Mut­ter in bit­te­ren Trä­nen.

      »Was ist ge­sche­hen?« rief er in ban­ger Ah­nung. »Wo ist mei­ne Frau? Wo sind mei­ne Kin­der?«

      In tiefer Reue er­zähl­te die Mut­ter al­les, und Asem er­gab sich sei­nem fas­sungs­lo­sen Schmer­ze.

      Dann fass­te er den Ent­schluss, sein Weib und sei­ne Kin­der auf­zu­su­chen, aber man stell­te ihm vor, dass er die flie­gen­den In­seln erst in sie­ben Jah­ren er­rei­chen wür­de. Doch nichts konn­te ihn von sei­nem Vor­satz ab­brin­gen. Er reis­te zu­nächst zum Palast an der Wüs­te und frag­te dort um Rat. Auch jene bei­den Schwes­tern, die er zu­erst ge­se­hen hat­te, such­ten ihn zu­rück­zu­hal­ten. Um­sonst. Sie wie­sen ihm also den Weg, und am zehn­ten Tage sei­ner Wan­de­rung kam er an eine Stra­ßen­kreu­zung. Dort er­blick­te er drei Män­ner, die in hef­ti­gem Streit mit­ein­an­der la­gen und ihn an­rie­fen: »Heda, jun­ger Mann, kommt nä­her; Ihr sollt der Schieds­rich­ter in un­se­rem Strei­te sein.«

      Dann zeig­ten sie ihm eine Kap­pe, eine Trom­mel und einen Ball, und ei­ner sprach zu ihm:

      »Wir sind drei Brü­der, die von ih­ren El­tern die­se drei Din­ge als Erb­teil er­hal­ten ha­ben; nun wis­sen wir nicht, wel­ches Stück dem einen, wel­ches dem an­de­ren ge­hö­ren soll. Da­rum: teilt je­dem sein Los zu, und bei Eu­rer Ent­schei­dung wol­len wir uns be­ru­hi­gen.«

      »So sagt mir zu­vor, wel­chen Wert die Stücke ha­ben!« sprach Asem.

      »Die­se Kap­pe hat die Kraft, un­sicht­bar zu ma­chen. Wer sie auf­setzt, kann über­all ein­tre­ten, er kann die Schänd­lich­kei­ten der Bö­se­wich­ter ent­schlei­ern – kurz, er er­fährt alle Ge­heim­nis­se, die er zu wis­sen wünscht. – Die Trom­mel aber be­freit den, der sie be­sitzt, aus je­der Ge­fahr; alle Geis­ter ste­hen ihm zu Dienst, wenn er auf die Schrift­zei­chen schlägt, die dar­in ein­ge­gra­ben sind. – Wer aber den Ball hat, kann sich in je­dem Au­gen­bli­cke von ei­nem Ende der Erde zum an­de­ren ver­set­zen; er vollen­det in zwei Ta­gen einen Weg von sie­ben Jah­ren.«

      »Hm«, sag­te Asem, »er­zäh­len könnt Ihr mir das wohl, aber könnt ihr die Wahr­heit Eu­rer Re­den auch be­wei­sen?«

      »So ver­sucht die Kräf­te die­ser Wun­der­din­ge«, spra­chen die Brü­der, »und wenn wir ehr­lich ge­re­det ha­ben, so kehrt zu uns zu­rück und fällt Eure Ent­schei­dung.«

      Asem setz­te also die Kap­pe auf den Kopf, knüpf­te die Trom­mel an sei­nen Gür­tel, warf den Ball, der an ei­nem Fa­den hing, auf den Bo­den, sprach den Ort aus, zu dem er woll­te, und der ge­hor­sa­me Ball roll­te so­gleich vor­wärts und durch­flog mit ihm den Raum in Win­des­schnel­le.

      End­lich hielt er vor dem Tore ei­nes großen Hau­ses. Asem er­griff sei­ne Trom­mel, schlug die Zau­ber­zei­chen, und eine Stim­me ließ sich aus dem Hau­se hö­ren, die sprach: »Du hast ge­siegt, Asem, und du hast einen Teil der Schwie­rig­kei­ten über­wun­den. Aber es war­ten dei­ner noch man­cher­lei Ge­fah­ren und Prü­fun­gen. Ver­birg dei­nen Ball!«

      »Wer bist du, der also zu mir spricht?«

      »Ich bin ei­ner der Geis­ter, die der Trom­mel die­nen. Set­ze dei­ne Fahrt fort; denn du bist noch drei Jah­res­rei­sen von den flie­gen­den In­seln ent­fernt.«

      Asem ver­lor den Mut nicht und ge­lang­te nun in eine Wüs­te, die wim­mel­te von Schlan­gen, Dra­chen und an­de­ren wil­den Tie­ren.

      Da be­sann er sich auf sei­ne Kap­pe und durch­schritt so die grau­en­vol­le Ge­gend ohne Ge­fahr.

      Dann kam er zum Stran­de ei­nes Mee­res und sah in der Fer­ne die Ber­ge der flie­gen­den In­seln; die stan­den im Lich­te der un­ter­ge­hen­den Son­ne, als wä­ren sie von Gold.

      Asem, der nicht wuss­te, wie er über dies wei­te Meer kom­men soll­te, rief mit


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