Tausend und eine Nacht. Max Geißler

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Tausend und eine Nacht - Max Geißler


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die Tie­fe.

      Sind­bad, weil er Mi­nis­ter war, hielt so­fort eine Kon­fe­renz mit dem Kö­ni­ge; aber der Kö­nig zog die Ach­seln und sag­te: »Mein lie­ber Mi­nis­ter Sind­bad, an die­ser schö­nen Ge­pflo­gen­heit ist nichts zu än­dern; und mir selbst und dir auch wird es so er­ge­hen wie je­nem vor­neh­men Man­ne, wenn un­se­re Frau­en vor uns ster­ben.«

      Von Stun­d’ an ward Sind­bad sehr nach­denk­lich und ver­wünsch­te das Ge­schenk, das ihm der Kö­nig in je­nem jun­gen Wei­be ge­macht hat­te. Er be­ob­ach­te­te die Frau aufs sorg­sams­te, und je­des Un­wohl­sein er­füll­te ihn mit Grau­en und Furcht. Ei­nes Ta­ges klag­te sie über hef­ti­ge Schmer­zen; Ärz­te wur­den ge­holt, alle Mit­tel wur­den ver­sucht – ver­geb­lich: die jun­ge Frau konn­te ihr La­ger nicht mehr ver­las­sen, und nach sie­ben Ta­gen war sie tot.

      »Das ist eine schö­ne Ge­schich­te«, dach­te Sind­bad; denn er stell­te Be­trach­tun­gen sehr trüb­se­li­ger Art an. Aber es fiel ihm nichts ein, wo­durch er sich hät­te aus sei­ner üb­len Lage be­frei­en kön­nen. So kam der drit­te Tag her­an und mit ihm das Be­gräb­nis; der Kö­nig und alle Vor­neh­men der Stadt ga­ben der To­ten das Ge­lei­te zu dem Brun­nen auf der Spit­ze des Ber­ges, in den sie und ihr über­le­ben­der Gat­te ver­senkt wer­den soll­ten. Sind­bad schritt tod­blei­chen An­ge­sichts dicht hin­ter der Bah­re, und so sehr er noch auf die­sem letz­ten Gan­ge den Kö­nig bat, ge­gen ihn das har­te Ge­setz die­ses Lan­des nicht an­zu­wen­den – es half nichts; denn der Kö­nig mein­te, er sei der ers­te Die­ner des Staa­tes und müss­te das Ge­setz vor al­lem er­fül­len.

      Zu­erst senk­te man die Tote in den Schacht der tie­fen Grot­te, dann setz­te sich Sind­bad auf die für ihn be­reit­ste­hen­de Bah­re, emp­fing sei­nen Krug Was­ser und die sie­ben klei­nen Bro­te, und lang­sam, lang­sam glitt die Bah­re an Stri­cken in die Fins­ter­nis. Dann wur­de der Stein über der Brun­nen­öff­nung ge­schlos­sen. »Wäre es nicht bes­ser, die Stirn an den Schrof­fen der Wän­de ein­zu­sto­ßen«, dach­te Sind­bad, »als in die­ser furcht­ba­ren Nacht zu ver­hun­gern?« Er tas­te­te mit sei­nen Hän­den und fühl­te Lei­chen um sich her. Aber die Lie­be zum Le­ben war zu groß in ihm – er er­griff den Krug und trank, er fand die Bro­te und aß da­von.

      So war die drit­te Nacht her­an­ge­kom­men, und Sind­bads Vor­rat an Nah­rungs­mit­teln war auf­ge­zehrt. Auf ein­mal ver­nahm er ein Keu­chen, wie das ei­nes ge­hetz­ten Tie­res, er hör­te ein Geräusch, als wenn dies Tier durch einen Spalt im Ber­ge sich zwäng­te, er sah die Au­gen die­ses Tie­res, die sich gie­rig wie grü­ne Lich­ter in die Nacht stell­ten. Es war eine Hyä­ne, die, von dem Ge­ruch der Ver­we­sung an­ge­lockt, einen Weg in das schau­der­vol­le Grab ge­fun­den hat­te.

      Ein Über­maß von Freu­de kam in des ar­men Sind­bad Herz; denn er dach­te: auf dem Wege, auf dem die­ses Tier durch die un­ter­ir­di­schen Grot­ten ge­gan­gen sei, müs­se auch er ans Licht kom­men. Er be­gann zu tas­ten, er er­griff einen Kno­chen als Waf­fe ge­gen die Hyä­ne und scheuch­te sie in die Flucht; er kroch auf al­len vie­ren einen un­end­lich lan­gen Gang durch Za­cken und Schrof­fen und durch trie­fen­des Ge­stein. End­lich sah er – wie einen Stern – ein Licht in der Nacht der Tie­fen auf­ge­hen: das war der Tag, der weit, weit­hin vor dem Ein­gan­ge des un­ter­ir­di­schen We­ges stand. Und als Sind­bad zu die­ser Öff­nung ge­lang­te, bran­de­te rings­um­her das Meer, und wil­de Klip­pen hin­gen um ihn, über die noch kei­nes Men­schen Fuß ge­schrit­ten war.

      Kaum konn­te der ge­quäl­te Mann noch auf den Fü­ßen ste­hen. Er fiel nie­der und dank­te sei­nem Got­te für die wun­der­ba­re Ret­tung; dann fing er sich ei­ni­ges See­ge­tier, das er roh ver­zeh­ren muss­te; aber durch sie­ben Tage fris­te­te er sein Le­ben in der Ein­sam­keit, und am ach­ten kam ein Schiff mit ge­bläh­ten Se­geln her­auf; der Ka­pi­tän er­kann­te den Men­schen in den Klip­pen des Stran­des, sand­te ein Boot zu ihm, das brach­te ihn an Bord, und mit dem Schif­fe ge­lang­te er in die heiß­er­sehn­te Hei­mat.

      Aber die Lust zu neu­en Rei­sen war dem Hel­den so vie­ler Aben­teu­er auch durch die­se Stra­pa­zen nicht ge­nom­men wor­den. Nach Jahr und Tag rüs­te­te er zu neu­er Fahrt. Nicht lan­ge, so lan­de­ten sie an ei­ner wei­ßen In­sel, dort fan­den sie ein Ei des Vo­gels Roch, wel­ches eben­so groß wie je­nes frü­he­re und schon lan­ge be­brü­tet war; denn der Schna­bel des jun­gen Rie­sen­vo­gels hat­te schon eine Öff­nung in die Scha­le ge­pickt.

      Die Kauf­leu­te, die sich bei Sind­bad be­fan­den, hat­ten so et­was noch nie ge­se­hen, dar­um mach­ten sie sich so­fort dar­an, das Ei mit ih­ren Äx­ten in Stücke zu schla­gen und den jun­gen Vo­gel her­aus­zu­ho­len. Sind­bad warn­te sie zwar ein­dring­lich, aber er fand kein Ge­hör; und nicht lan­ge, so ver­fins­ter­te sich die Luft, und zwei mäch­ti­ge Wol­ken flo­gen nä­her und nä­her.

      Der Ka­pi­tän er­kann­te, dass die Wol­ken nichts an­de­res sei­en als die al­ten Vö­gel, dar­um gab er Be­fehl, so rasch als mög­lich auf das Schiff zu ei­len; und ein paar Au­gen­bli­cke spä­ter stieß das Fahr­zeug denn auch mit vol­len Se­geln vom Lan­de.

      Wie die bei­den Ro­che merk­ten, dass ihr Jun­ges ge­tö­tet war, flo­gen sie ih­ren Weg zu­rück und ka­men in kur­z­er Frist wie­der; je­der aber trug dies­mal einen mäch­ti­gen Fels­block zwi­schen den Fü­ßen. Als sie ge­ra­de über dem Schif­fe wa­ren, ließ der eine den Fel­sen aus den Kral­len glei­ten, und er muss­te das Schiff zer­schmet­tern, wenn der Steu­er­mann nicht eine ge­schick­te Wen­dung aus­ge­führt hät­te. Da­rum fiel der Fels­block ins Meer und zer­riss die Flu­ten der­art, dass man den Grund des Ozeans se­hen konn­te. Der an­de­re Vo­gel Roch aber ließ sei­nen Fels­block so ge­nau auf die Mit­te des Schif­fes fal­len, dass es in tau­send Sp­lit­ter zer­schell­te. Alle Ma­tro­sen und Kauf­leu­te wur­den er­schla­gen, nur Sind­bad, der sich in der Tie­fe des Fahr­zeugs ver­bor­gen hat­te, tauch­te le­bend em­por, und es ge­lang ihm, sich auf ein Stück des Wracks zu ret­ten. Er wäre aber den­noch elend zu­grun­de ge­gan­gen, wenn er nicht zu­fäl­lig in eine Mee­res­s­trö­mung ge­trie­ben wor­den wäre, die ihn sanft und bei schöns­tem Wet­ter an den Strand ei­ner In­sel trug.

      Bä­che von süßem, köst­li­chem Was­ser ran­nen durch die grü­nen Auen die­ses Lan­des, und Bäu­me mit al­ler­lei Früch­ten wuch­sen in Men­ge rings­um­her.

      Sind­bad aß von den Früch­ten und er­quick­te sich an den küh­len Quel­len, als er plötz­lich einen Greis am Ufer ei­nes Ba­ches sit­zen sah, der so ge­brech­lich schi­en, als hät­te er auch Schiff­bruch er­lit­ten. »Ach, lie­ber Herr«, klag­te der Greis, »könn­tet Ihr mich nicht auf Eu­ren Schul­tern durch den Bach tra­gen?«

      Sind­bad, der ein sehr ge­fäl­li­ger Mann war, be­sann sich nicht lan­ge, hob den Al­ten auf sei­ne star­ken Schul­tern und trug ihn hin­über.

      Aber als er ihn dort ab­set­zen woll­te, wei­ger­te sich der Rei­ter, sei­nen Sitz zu ver­las­sen, und alle An­stren­gun­gen Sind­bads, der Last le­dig zu wer­den, blie­ben er­folg­los. Und wenn er sich mit ihm ins Gras streck­te, der Rei­ter wich nicht von sei­nem Plat­ze. Tau­send Lis­ten fie­len dem See­fah­rer ein, aber der Alte war klü­ger, und so füg­te sich Sind­bad sei­nem schreck­li­chen Lose, mit der Last des Grei­ses durch sei­ne Tage wan­dern zu müs­sen.

      Ein­mal


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