Tödlicher Fetisch. Frederique La Rouge

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Tödlicher Fetisch - Frederique La Rouge


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und sie hatten sich wieder in dem, für Sylvia, buchstäblich unbefriedigenden Rhythmus ihrer selten stattfinden intimen Momente wiedergefunden.

      Am Mittwoch dieser Woche, im August 2018, saß Sylvia wieder einmal an einem der Tische im Außenbereich des kleinen Straßencafés und verarbeitete die Eindrücke ihres Arbeitstages. Es hatte heute eine kleine verbale Ausuferung mit der recht neuen Kollegin, Frau Solcher, die ihr unterstellt worden war, gegeben, weil diese in schöner Regelmäßigkeit ihre Mittagspause deutlich überzogen hatte. Sylvia hatte natürlich von ihr gefordert, dass sie zukünftig, nach der Mittagspause pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen solle. Die neue Kollegin hatte Sylvias nüchtern, sachlich formuliertem kleinen Tadel, persönlich genommen und beleidigt reagiert. Schließlich hatte Sylvia das Problem nach der Mittagspause erneut angesprochen, aber da sie auf wenig Einsicht stieß; es würde sich ja schließlich nur um ein paar Minuten handeln, und sie solle sich nicht so haben, hatte Sylvia sich anhören müssen, hatte sie keine andere Möglichkeit gesehen, als mahnend die Dienstvorschriften zu erwähnen und Frau Solcher auf die Konsequenzen hinzuweisen, die ihr drohen würden, sollte sich ihr Gebaren nicht sofort und nachhaltig innerhalb der zitierten Vorschrift einpendeln. Sylvia hatte sich bei dieser Maßnahme ausgesprochen unwohl gefühlt. Sie benötigte Harmonie im Umgang mit ihren Kolleginnen und Kollegen um sich im Büro wohlzufühlen. Die hierarchische Mitarbeiterführung lag ihr ganz und gar nicht. Wieso fühlten sich auch immer gleich alle persönlich angegriffen, wenn man ein Problem offen ansprach? Wie auch immer, morgen kommt sie bestimmt pünktlich, dachte Sylvia und genoss den Anblick ihres, mit Kakao bepuderten Latte Macchiato, bevor sie sich den ersten Schluck des heißen Getränkes genehmigte. Am Nachbartisch entdeckte sie ein ausgesprochen attraktives Pärchen, welches sich jedoch wenig zu sagen haben schien. Sylvia meinte, die hübsche Frau schon einmal gesehen zu haben, überlegte angestrengt woher sie sie wohl kennen möge, kam aber nicht darauf. Sie schätzte die beiden auf ein ähnliches Alter wie das ihre, in den späten Dreißigern.

      Beide waren auffällig gut gekleidet, sie trug ein teures schwarzweißes Kostüm, das ihre langen, schlanken Beine ausgesprochen gut zur Geltung brachte und sicherlich nicht von der Stange herrührte. Sein dunkelblauer Zweireiher war vermutlich ebenfalls Maßarbeit. Beide hatten einen Kaffee und ein Glas Wasser vor sich stehen und nippten gelegentlich daran. Sylvia hätte den beiden auch vermutlich kaum weiter ihre Aufmerksamkeit geschenkt, hätte der Mann nicht so fürchterlich attraktiv auf sie gewirkt. Er strahlte eine weltmännische Gelassenheit und Souveränität aus, die ihre Sinne aufs Äußerste ansprachen. Hochgewachsen, adrett, braungebrannt als käme er direkt aus dem Urlaub, und unter dem blütenweißen Hemd, das unter dem Jackett blitze, deutete sich leicht eine gut definierte Brustmuskulatur ab. Seine attraktive Begleitung wischte, unverständlicherweise völlig unbeeindruckt des Adonis, der ihr gegenübersaß, auf ihrem Smartphone herum. Den würde ich auch nicht von der Bettkante schubsen, dachte, Sylvia, und erschrak im selben Moment über ihren verwegenen Gedanken, als der hübsche Mann sich ihr zuwandte und ihre Blicke sich für einen etwas zu langen Moment begegneten. Ein faszinierend sympathisches Lächeln huschte über sein Gesicht, vielsagend und geheimnisvoll zugleich. Sylvia spürte, wie es ihr die Röte ins Gesicht trieb und senkte verlegen den Blick.

      Einige Minuten später erhob sich die attraktive Frau, machte einen Schritt auf den Mann zu, hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verließ mit selbstbewussten Schritten das Café. Er würdigte sie dabei keines Blickes.

      Sylvia beobachtete ihn verstohlen aus den Augenwinkeln, als er mit einer lässigen Bewegung den hübschen Kellner zu sich beorderte, der neben dem Mann zusehends seine Anziehungskraft auf Sylvia verlor. Als hätte man einem kleinen Mädchen ein feines Bonbon in die Hand gedrückt, dass nun in glücklicher Vorfreude auf den Moment wartet, es endlich aus dem Zellophan Papier herauswickeln zu dürfen um die Leckerei zu genießen, und dann legt der Spender des Bonbons plötzlich eine ganze Pralinenschachtel vor dem Mädchen auf den Tisch.

      Der Mann bekam die Rechnung, und klemmte, wie sie es aus Urlauben mit Götz in südlichen Ländern kannte, einen Geldschein unter sein halbleeres Wasserglas, erhob sich und kam mit einem freundlichen Lächeln direkt auf sie zu. Er wird mich doch nicht etwa ansprechen, dachte sie. Was sage ich dann bloß? Prompt verlangsamten sich tatsächlich seine Schritte. Er sah ihr direkt in die Augen, lächelte herzlich und aufmunternd, hielt neben ihr inne und sprach mit wohltönender Bassstimme: “Ich wünsche ihnen noch einen wundervollen Tag. Sie haben ihn sicherlich verdient. Und bitte, genießen sie die wärmenden Sonnenstrahlen dieses schönen Tages, noch ein Weilchen für mich mit.“ Dann beschleunigte er seine Schritte wieder und ging einfach weiter, während Sylvia ihm mit halboffenem Mund nachschaute. Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal ein Mann auf offener Straße angesprochen hatte. Hatte es überhaupt schon jemals ein Mann getan? Jedenfalls war sie zu keiner Antwort fähig gewesen. Dabei war es doch nur die nette Aufmerksamkeit eines äußerst attraktiven Mannes gewesen, der zufällig ihren Weg gekreuzt und sie wahrgenommen hatte. Oder war es doch mehr? Nein, ganz bestimmt nicht. Er hatte sie wahrgenommen, als Frau. Das war alles und gleichzeitig das Besondere an dieser Situation, wurde ihr allmählich bewusst.

      „Hey, mach den Mund wieder zu. Und wow! Wer war das denn gerade?“

      Sylvia wandte den Kopf in die Richtung, aus der die Worte zu ihr geklungen waren.

      Bettina, ihre beste Freundin, war im Begriff sich neben sie zu setzen und schaute sie fragend an.

      „Erzähl schon. Wer war das?“, hakte sie nach.

      „Ich, ich habe keine Ahnung. Er saß dort drüben, hat einen Kaffee getrunken“, erklärte Sylvia während sie mit der ausgesteckten Hand auf den Nachbartisch wies. „Und im Gehen hat er mich dann angesprochen. Komisch!“

      „Und du lässt ihn einfach so abhauen? Na typisch! Der sieht ja von hinten sogar noch supersexy aus. Und ich bin mal wieder zu spät dran.“ Bettina setzte bewusst ein, etwas übertrieben beleidigtes Gesicht auf. „Was hat er denn zu dir gesagt?“, wollte sie wissen.

      „Irgendwas von, dass ich die Sonne für ihn mitgenießen solle. Und er hat mir noch einen schönen Tag gewünscht. Das war schon alles.“

      „Wie? Echt jetzt? Mehr nicht? Und du? Was hast du gesagt?“, Bettina sprühte vor Neugierde.

      „Na nichts. Ich war viel zu überrascht!“, gab sie zu.

      „Da kommt so ein Prachtexemplar an deinen Tisch, flirtet dich an. Und du sagst nichts? Manno, wäre ich doch nur ein paar Minuten früher da gewesen“, ereiferte sich Bettina.

      „Hast du den Namen Götz schon mal gehört?“, fragte Sylvia, die sich wieder gefasst hatte. „Ich bin verheiratet!“

      Bettina schaute sie mit gerunzelter Stirn an. „Stimmt, hast recht. Für einen klitzekleinen Moment habe ich doch tatsächlich diesen handzahmen, zahnlosen Papiertiger, der da so unauffällig neben dir her lebt vergessen. Wie konnte mir das nur passieren?“, versuchte sie ironisch zu sein. Es regte sie manchmal auf. Sylvia war so fürchterlich loyal zu Götz, während sie an seiner Seite zu verblühen drohte, und er sie kaum wahrnahm.

      „Er ist mein Mann und Ich liebe ihn! Alles andere zählt nicht!“

      „Dann verstehe ich überhaupt nicht, warum dir eben der Unterkiefer runter geklappt ist. Ich glaube manchmal, du verwechselt da was. Liebe ist ein wenig mehr, als gemeinsam unter einem Dach zu wohnen. Und ich habe auch nicht gesagt, dass du den Typen da eben gleich heiraten sollst. Es geht doch nur um ein wenig Spaß. Und wenn dein Göttergatte dazu nicht fähig ist ...“, Bettina vollendete den Satz nicht, was ihn für Sylvia nur noch deutlicher machte.

      „Du spinnst. Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass ich Götz betrüge. Und nun Schluss mit dem Thema!“, verkündete sie energisch.

      Sie bestellten beide noch einen Latte Macchiato und unterhielten sich über belanglosere Dinge, wie ihren gemeinsamen Yogalehrer, der ja eventuell doch homosexuell war, oder den neuen Friseur, der in der Nähe von Bettinas Wohnung seinen Salon eröffnet hatte, und sie sich noch unschlüssig war, ob sie es wagen könne bei ihm einen Termin zu vereinbaren. Das Thema fremdgehen wurde dabei von Bettina wohl bewusst vermieden,


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