Tod und Nachtigallen (Steidl Pocket). Eugene McCabe

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Tod und Nachtigallen (Steidl Pocket) - Eugene McCabe


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mit Haferschösslingen, grün und satt wie Frühlingsgras, überquert, dann war er einen Feldweg durch Dacklin nach Brackagh Cross entlanggegangen. Er hatte Händeklatschen, eine Handorgel und Gelächter gehört. Der Mond leuchtete hell, und er überraschte ein Pärchen, das in einem trockenen Graben kopulierte: nackte Beine, die mit überkreuzten Knöcheln den ruckenden Leib eines Mannes umschlangen, blindes Stöhnen von beiden. Stolpernd war er auf sie zugestürzt und hatte gebrüllt: »Bestien, Unmenschen, Teufel.« Seine Reitgerte mit dem beinernen Griff war auf das Gesäß des Mannes niedergefahren und hatte dann auf Kopf und Rumpf eingedroschen, als der Mann zurückwich und sich mit einer Hand zu verteidigen versuchte, während er mit der anderen sein Geschlecht bedeckte. Danach hatte der Kanonikus sich umgedreht, um auch die Teufelin zu bestrafen, die aber war durch den Graben davongekrochen und über ein Feld in Richtung Brackagh Cross gerannt, um die anderen zu warnen. Handorgel, Händeklatschen und Gelächter verstummten jäh unter einem züchtigen Vollmond.

      Erstaunt betrachtete Billy Winters die milden grauen Augen, das lammfromme Haar und den gütig wirkenden Mund. Nichts daran deutete auf Brutalität.

      »Jemand vom Tanz am Wegkreuz?«

      »Die Gerte war kaputt, als ich nach Hause kam… Ward war’s oder Blessing, beide deine Pächter.«

      »Glaubst du?«

      »Ich bin sicher, es war einer von ihnen oder sogar beide.«

      Der Kanonikus tippte mit der Reitgerte auf sein Knie, setzte zum Sprechen an, hielt inne und sagte dann:

      »Sie stehen in deinen Diensten, Billy.«

      »Keineswegs, sie kaufen Steine und Füllgut im Steinbruch… Der Grafschaftsrat bezahlt sie. Und dann bezahlen sie natürlich mich.«

      »Es ist dein Steinbruch.«

      »Stimmt.«

      »Du könntest sie abweisen.«

      Billy war zu verblüfft, um auf der Stelle zu antworten.

      »Das könnte ich … ja.«

      »Du sollest es tun. Blessing ist eine miserable Kreatur. Ward ist noch schlimmer; er ist das personifizierte Böse, oder doch nahe dran.«

      »Er ist mächtig eingebildet, das stimmt schon … aber böse, Leo, das ist ein großes Wort.«

      »Jedenfalls ist er ein übler Geselle.«

      Während einer Gesprächspause starrte der Reverend Leo McManus durch die offene Vorbautür, als hoch oben aus den Buchen ein Schwarm Tauben aufflatterte. Er folgte ihrem Flug, bis sie sich aus seinem Blickfeld verloren.

      »Du wirst mir erklären müssen, warum«, sagte Billy. Der Kanonikus zögerte und sagte dann:

      »Ich bin nicht befugt, das offenzulegen.«

      Die Sittenpolizei? Beichtgeheimnisse? Etwas noch Unheilvolleres?

      »Du erledigst viele Aufträge für uns hier in Fermanagh, Billy … und all die Marmorarbeiten in der Kathedrale von Monaghan.«

      »Ist das eine Art Erpressungsversuch, Leo?«

      »Es ist eine Bitte.«

      Billys Ellbogen zuckte zu dem Bischofsbrief hin, der hinter ihm auf der Fensterbank lag.

      »Hat der was damit zu tun?«

      »Nein, da bin ich ganz sicher.« Nach einer weiteren kurzen Pause sagte der Kanonikus:

      »Du brauchst mir nicht zu glauben.«

      »Ich habe keinen Grund, dein Wort anzuzweifeln«, sagte Billy, »aber ich muss ihm … muss Ward erklären, warum.«

      »Auf meine Bitte hin… Er wird schon verstehen.«

      Warum Ward?, fragte sich Billy. Der früh verwaiste Sohn eines Schleusenwärters nahe Cootehill, mehr schlecht als recht aufgezogen von Old Tom Ward, seinem wildernden, schwarzbrennenden Onkel in Brackagh; eine kurze Phase als besserer Stallbursche in Florencecourt, wo gemunkelt wurde, dass die herrschaftlichen Fräuleins allzu gern den Pferdestall aufsuchten. Auch von einem Diebstahl war die Rede. Anschließend eine Zeit lang mit Charles Boycott im Westen; dann für einige Jahre in Amerika und jetzt wieder hier mit dieser gedehnten Sprechweise; Frachtführer, Quacksalber, eingebildet, das schon, aber schwer zu verstehen, warum dieser Pfarrer so extrem gegen ihn eingestellt war.

      Der Messingriegel an der Haustür klickte, die Tür ging auf, und Mercy Boyle betrat den Vorbau. Sie trug ein mit Spitzentuch bedecktes Tablett mit drei Tassen, einer Kanne Kaffee, einer Zuckerdose und einem Kännchen Sahne. Mercy stellte das Tablett neben dem Kanonikus auf die Bank. Der stand auf, murmelte: »Zu viel des Guten, mein eigenes Frühstück wartet, so viel Aufwand wäre doch nicht nötig gewesen«, und flocht eine Begrüßung für Mercy ein: »Das ist doch Mercy Boyle, nicht wahr? Wie geht’s dir, Mercy?«

      »Mir geht’s gut, Hochwürden.« Beth hielt Mercy beim Hinausgehen die Tür auf, schloss sie und trat vor, um die ausgestreckte Hand des Kanonikus zu ergreifen.

      »Du kannst ihr die Hand gleich doppelt schütteln«, sagte Billy, »heute ist ihr Geburtstag, und als es heute Morgen noch stockfinster war, hat sie schon eine Kuh vor der Blähsucht gerettet.«

      Beth erwiderte das Lächeln der Männer. Zwei Väter, keiner davon der meinige, dachte sie. Unterdessen schwafelte Billy weiter, auf die scheinbar gewöhnliche, onkelhaft irische Art, die er für Landpfarrer, Hofknechte und Steinbrucharbeiter an den Tag legte, nie jedoch für die »Protestanten zu Pferde« oder während der Pferdeschau in der Royal Dublin Society.

      Sie schenkte den Kaffee ein und erkannte an der Art des Schweigens, dass sie in ein vertrauliches Gespräch geplatzt war. Sie sah den ungeöffneten, an Billy adressierten Brief mit dem Wachssiegel des Bischofs von Clogher.

      »Und wie«, fragte ihr Gemeindepfarrer, »gedenkst du den Tag zu feiern?«

      Angenommen, sie könnten Gedanken lesen… Die Vorstellung war so absonderlich, dass ihr eine leichte Röte in die Wangen stieg, und so entgegnete sie rasch:

      »Butter machen, den Torfstechern Tee bringen, und dann ist da noch ein Schwein, das geschlachtet werden muss.«

      »Wer besorgt das für euch?«, fragte der Kanonikus.

      »Blinky Blessing«, antwortete Billy.

      »Aha.«

      Aus den Augenwinkeln heraus konnte Beth sehen, wie Billy dem Gemeindepfarrer zublinzelte.

      »Es wird kein reiner Arbeitstag werden, ich habe noch ein oder zwei Überraschungen auf Lager.«

      Die habe ich auch, dachte sie, als sie sich mit ihrer Tasse neben Billy setzte. Und ich hoffe inständigst, dass dieser Mann mir gegenüber jetzt nicht anfängt, von Familienähnlichkeiten zu schwafeln, wie die alte Lily Cole es einst getan hat: Mund, Nase, Hände, Augen, Stimme und so weiter und so fort, schmerzlicher für Billy als für mich. Ab morgen haben all diese Peinlichkeiten ein Ende.

      Plötzlich deutete Billy mit seinem kurzen, dicken Zeigefinger auf den Kanonikus und fragte:

      »Wirst du heute Abend im Rathaussaal sein, Leo?«

      »Das erfordert einen Sonderdispens und eine frühzeitige Reservierung … ich habe weder das eine noch das andere.«

      »Schade. Ich war mit ihm im Trinity College.«

      »Ich wusste nicht, dass du ein Studierter bist.«

      »Ich bin’s und bin es nicht… Ein Jahr Ingenieurswesen, und dann wurde mein Vater krank…«

      »Du kennst ihn also?«

      »Kannte ihn … vor achtundzwanzig Jahren … damals hieß er schlicht und einfach Willy French. Das war, bevor aus ihm der weltberühmte Percy French wurde.«

      Es folgte ein Schweigen, das Billy füllte, indem er sagte:

      »Er ist ein begabter Maler, hab ich gehört.«

      »Davon habe ich keinen blassen


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