Tod und Nachtigallen (Steidl Pocket). Eugene McCabe

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Tod und Nachtigallen (Steidl Pocket) - Eugene McCabe


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noch aus zwanzig Metern Entfernung legst du jede Forellenfliege sauber auf einer Untertasse ab.«

      Der Kanonikus lächelte geschmeichelt. Billy wandte sich um und sagte zu Beth:

      »Ein Mann wie Leo wäre der Richtige für dich, Beth, ein begeisterter Sportsmann, ein guter Gärtner, ein Landwirt und ein tadelloser christlicher Ehrenmann obendrein – und Bienen hält er auch noch… Sie ist so was von wählerisch, dieses Fräulein; ganze Wagenladungen voll hab ich hierhergekarrt; von jeder Sorte etwas: überzüchtet und unterzüchtet, junge Kerle und weniger junge, Burschen von der Bank, wohlhabende Landwirte, Müller, Kaufleute, angehende Juristen, Buchhalter, Architekten. Mit keinem von ihnen will sie was zu tun haben.«

      »Sie auch nicht mit mir, Sir«, sagte Beth leise.

      »Du gibst ihnen keine Chance, Mädel.«

      »Wenn die Zeit kommt, wirst du den rechten Mann schon finden«, sagte der Kanonikus.

      »Ich bin nicht auf der Suche«, erwiderte Beth, stand auf und ging mit ihrer Kaffeetasse aus dem Vorbau zu der Stelle, wo die Irish-Setter-Hündin auf dem Kies lag. Als Beth sich hinhockte, um dem Tier den Kopf zu streicheln, reckte es in scheuer Begrüßung den Hals vor. Die beiden Männer sahen zu.

      »Du hast sie in Verlegenheit gebracht, Billy.«

      Billy Winters schüttelte den Kopf.

      »Sie geht ihre eigenen Wege, man hat keine Ahnung, was in ihrem Kopf vorgeht, genau wie bei ihrer Mutter. Niemand weiß, was in Frauenköpfen vorgeht«, und fügte dann beinahe säuerlich hinzu, »vom Offensichtlichen mal abgesehen.«

      Dem Priester drängte sich das Bild des kopulierenden Pärchens auf. Stirnrunzelnd riss er sich davon los, stürzte beim Aufstehen den Kaffee hinunter und sagte:

      »Ich geh dann mal, Billy.«

      Der Kopf der Hündin schnellte hoch, und mit aufgestellten Ohren und wachsamem Blick starrte sie zur Tür des Vorbaus hinüber. Beth wusste, ohne sich umzudrehen, dass der Priester im Aufbruch begriffen war. Mit halbem Ohr hörte sie den ausgetauschten Gemeinplätzen zu. Sie wusste, dass die gekünstelte Kameraderie nur verschleierte, was die beiden wirklich voneinander dachten. Vor langer Zeit die erbitterten Streitereien mit der armen Mama. Warum bis heute diese Heuchelei?

      Sie winkte dem davonreitenden Priester zu, der ihr, während der Hund den Grauschimmel umkreiste, seinen Segen erteilte, blickte ihm einen Moment lang nach und ging dann zu dem Vorbau, wo Billy den Brief des Bischofs las. Kommentarlos reichte er ihn ihr herüber, und sie erkannte das bischöfliche Wappen und die Adresse.

       Latlurcan House, Bischofsresidenz

       Dublin Road, Monaghan

       Donnerstag, den 3.Mai 1883

       Lieber Billy,

       heute hat uns ein nicht ganz so junger Mann namens Maurice Fairbrother aufgesucht. Von der Steuerbehörde im Dublin Castle war er bevollmächtigt, unsere Bücher in Augenschein zu nehmen. Wir ließen ihn gewähren. Er zeigte besonderes Interesse an allen von dir geleisteten Marmor-, Maurer- und Steinmetzarbeiten sowie an allen damit zu sammenhängenden Geldern und Transaktionen. Father Benny Cassidy gab ihm eine Truhe voller Dokumente, die alle mit der Kathedrale und den Kosten ihrer Fertigstellung zu tun hatten. Er warf kaum einen Blick darauf. Wir fanden beide, dass er sehr wenige Fragen zu Dingen stellte, die ihn eigentlich hätten interessieren sollen.

       Später unterhielt ich mich mit ihm. Sein Vater ist ein Gutsverwalter in Chatsworth (Sitz des Herzogs von Devonshire), und so kamen wir natürlich auf den verstorbenen Lord Frederick Cavendish zu sprechen. Als ich meine tief empfundene Abscheu über dessen grausige Ermordung im Phoenix Park zum Ausdruck brachte, zeigte er sich stark betroffen. Anschließend sprach er mit mir über vertrauliche (nicht geheime) Angelegenheiten der Krone und ich mit ihm über vertrauliche (nicht geheime) Angelegenheiten der Kirche. Er ist ziemlich sattelfest in beiden Themen. Daher bin ich mir sicher, dass er kein Steuerkommissar ist – aber was er ist, das weiß ich nicht. Die Art und Weise, wie er sich nach Dir erkundigte, erschien mir befremdlich. Morgen will er Dir einen Besuch abstatten. Ich vermute, Du hast genau wie ich vor langer Zeit gelernt, das Unverwartete zu erwarten, das Unglaubliche zu glauben und allen Menschen gegenüber jederzeit auf der Hut zu sein.

       Ich habe Dich getraut, ich habe Elizabeth getauft, wir sind immer Freunde gewesen, Du bist all die Jahre über aufrichtig mit mir umgegangen, und ich habe das Gefühl, dass mein Eindruck von diesem Fairbrother hilfreich für Dich sein könnte. Übrigens, wie geht es Elizabeth? Wie ich höre, wird sie Deiner armen Catherine immer ähnlicher. Morgen fahre ich nach Enniskillen, um eine Nichte zu verheiraten und einen hoffentlich vergnüglichen Abend mit Percy French zu verbringen. Wirst du dort sein? Und Elizabeth? Wenn nicht, sende ich meine besten Wünsche, und bitte schaut vorbei, falls einer von Euch in diese Gegend kommt.

       Mit freundlichen Grüßen in Christo

       James von Clogher

       P. S. Father Benny hat mich davon unterrichtet, dass noch einige Zahlungen offen sind. Sie werden, Deo volente, noch vor Ende November beglichen sein. Jimmy.

      Beth gab Billy den Brief zurück und sagte:

      »Er ist ein Agent des Dublin Castle, Sir.«

      »Ein Spion?«

      »So etwas Ähnliches.«

      »Was könnte der von mir wollen … von uns?«

      »Informationen, das ist doch deren Aufgabe.«

      »Da ist er bei uns aber an der falschen Adresse.«

      Billy betrachtete unschlüssig den Brief, las noch einmal einzelne Passagen, und Beth wagte eine Vermutung.

      »Vielleicht hat’s ja damit zu tun, dass wir Mr Parnell beherbergt haben.«

      »Was für eine Bedeutung sollte das haben?«

      »Genug, um die Leute im Castle neugierig zu machen.«

      »Zur Hölle mit alledem. Du hast Geburtstag… Lass uns reingehen und frühstücken, du bist seit aller Herrgottsfrühe auf.«

      Billy faltete den Brief zusammen und steckte ihn in seine Westentasche, nahm Beth beim Ellbogen und führte sie durch die Eingangshalle zum Speisezimmer.

      »Warum hast du mich nicht geweckt?«

      »Sie haben fest geschlafen, Sir.«

      »Trotzdem.«

      »Nächstes Mal tu ich’s.«

      »Du bist dein Gewicht in Gold wert, Mädel.«

      »Bin ich das, Sir?«, fragte sie.

      Durch die hohen Fenster strömte die Maisonne ins Speisezimmer, schimmerte auf der polierten Schieferplatte des Kamins und ließ Gläser und Besteck auf dem Tisch aus Rosenholz funkeln. Mercy hatte eine große Glasvase mit Rhododendron, Klematis und grünen Farnwedeln gefüllt. Den Tisch hatte sie eigens mit weiß-blauem Geschirr und gutem Silberbesteck gedeckt, und während sie Platz nahmen, setzte sie jedem von ihnen ein gebratenes Frühstück vor und stellte eine Schüssel mit Scones zwischen sie. Beide dankten ihr, und Billy fragte Beth einige Minuten lang zum genauen Hergang der Kuh- und Blähungsgeschichte aus, ließ sie Schritt für Schritt jede Einzelheit rekapitulieren. Während sie antwortete, erinnerte sich ein Teil von ihr an eine ganz andere Morgendämmerung, die sie vor nicht allzu langer Zeit erlebt hatte.

      Kurz bevor es hell wurde, war sie von Lärm und Geklapper in der Küche erwacht und hinuntergegangen. Ja, sie konnte schon mal Fleisch abschneiden, ja, sie konnte schon mal Butter aufs Brot streichen, und während sie dies tat, hatte Billy am Esstisch gesessen und mehr Whiskey auf die Tischplatte als in sein Glas geschüttet und, vermischt mit rührseligen Anspielungen auf ihre Mutter, über Reisen und Steinbrüche und Geschäfte und Verträge geredet. Als es zu nervtötend und unverständlich wurde, hatte sie sich zum Gehen gewandt. Da hatte er mit dümmlich geöffnetem Mund ihren Oberschenkel


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