Das Vermächtnis des Konstanzer Kräuterbuchs. Marcel Rothmund

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Das Vermächtnis des Konstanzer Kräuterbuchs - Marcel Rothmund


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Tücher in der Schüssel und legst sie ihm um die Unterschenkel, das wird seine Körpertemperatur senken.«

      Adam atmete tief aus und murmelte beim Hinausgehen vor sich hin. »Der wird es hoffentlich wert sein.«

      Elisabeth war währenddessen im Zimmer hinter dem Vorhang verschwunden. Während Kilian kurze Zeit später von Adam die Wadenwickel angelegt bekam, hörte er Elisabeth im Hinterzimmer arbeiten. Zuerst vernahm er das Blättern von Buchseiten, dann lief sie scheinbar von der einen Ecke im Zimmer zur anderen. Zwischendurch klimperten Gläser und Tongefäße. Schließlich war ein reibendes Geräusch zu hören, das sich nach einem Mörser anhörte. Nach einer ganzen Weile, es musste mehr als eine halbe Stunde vergangen sein, kam sie wieder hinter dem Vorhang hervor. In der Hand hielt sie ein Tüchlein, das mit einem grünbräunlichen Kräuterbrei bestrichen war. Damit trat Elisabeth an das Sofa heran.

      Kilian betrachtete das Tüchlein. »Was ist das?«, fragte er skeptisch.

      »Ein Kräuterpflaster aus Lavendel, Rauten, Spitzwegerich, Sonnenwirbel, Schellkraut, weißen Nesseln und Holunderblüten. Das wird dir sicher helfen«, antwortete sie.

      Dann hob Elisabeth seinen linken Arm an und rieb ihm mit den Fingern die Innenseite seines Unterarms warm. Anschließend nahm sie das Tüchlein und band es um sein Handgelenk, sodass die Kräutersalbe direkt auf seiner Pulsader auflag.

      »Du musst darauf achten, dass das Pflaster nicht hinunterfällt!«, mahnte sie. »Hörst du? Die Kräuter werden dein Fieber senken. Dann wird es dir morgen besser gehen.«

      Kilian nickte schwach und schloss die schweren Augenlider. Elisabeth stupfte ihn vorsichtig an. »Kilian, bevor du einschläfst, musst du unbedingt noch etwas trinken.« Dann wandte sie sich an Adam. »Geh und hol bitte noch eine Tasse von dem Apfelschalentee.«

      Adam ging in die Küche hinaus, kam kurz danach mit einer vollen Tasse zurück und reichte sie ihm. Vorsichtig trank Kilian aus und flüsterte ein leises »Danke«. Dann schloss er die Augen erneut. Ein paar Minuten später schlief er ein.

      Auf der Jagd

      Es war inzwischen elf Uhr und Zeit zum Schlafen. Adam und Elisabeth schlichen leise aus der Stube hinaus und schlossen die Tür hinter sich. Während Elisabeth nach oben in die Schlafkammer ging, machte Adam einen kurzen Abstecher nach draußen hinter das Haus und erleichterte sich an einen Baum. Im oberen Stock des Hauses gab es zwei Schlafkammern, die über der Stube und dem Hinterzimmer lagen. Die Kammer über dem Hinterzimmer war Elisabeths und seine Schlafkammer. Adam betrat den Raum und hängte seine Kleidung in den Schrank. Gegenüber ihrem Bett war ein Waschtisch aus hellem Birnbaumholz mit einer grauweißen Marmorplatte und einem beigen Waschlavoir. Auf die Waschschüssel und den Krug waren schwarze Ornamente aufgemalt, die laufende Flötenspieler zeigten. Elisabeth hatte das Waschlavoir von ihrer Mutter geschenkt bekommen. Sie goss Wasser in die Schüssel und wusch sich die Hände von der Kräuterzubereitung. Über dem Waschtisch hing ein großer Spiegel, der von einem verzierten Holzrahmen eingefasst war. Rechts neben dem Waschtisch befand sich ein Fenster. An der anderen Außenwand stand der Kleiderschrank und rechts davon waren ein zweites Fenster sowie eine Zwischentür. Über diese Tür war ihre Schlafkammer mit der anderen verbunden. Diese Kammer war meist verwaist. Ab und an wurde sie als Gästezimmer genutzt, wobei sich die Gäste bisher mehr oder weniger auf Elisabeths Schwester Brunhilde und deren Tochter Katharina beschränkten. Von der vorderen Schlafkammer gelangte man auf den Flur. Der restliche Teil des oberen Stockwerks, der mehr als die Hälfte des Hauses ausmachte, diente als Heustock.

      Elisabeth hatte bereits das Nachthemd angezogen, öffnete ihren Zopf und zog ein Haarnetz über ihren Schopf. Dann schlüpfte sie unter die Bettdecke. »Du musst für mich morgen auf die Jagd gehen«, sagte sie. »Kannst du das machen?«

      Adam setzte sich im Nachthemd auf die Bettkante. »Wieso? Was brauchst du?«, murmelte er.

      »Ich brauche eigentlich nichts. Doch unser junger Gast braucht eine Kreuzspinne, damit das Fieber endlich sinkt. Kannst du gleich morgen früh nach einer suchen?«

      »Von mir aus«, antwortete er. »Aber eins ist sicher: Der Bursche wird mir dafür ein paar Ster Holz hacken müssen, damit sich der ganze Aufwand auch lohnt!«

      Elisabeth schmunzelte. »Das wird er wohl, sobald er wieder gesund ist. Da bin ich mir sicher.«

      Adam löschte das Licht und sie legten sich schlafen.

      Am nächsten Morgen kamen die beiden nicht ganz so früh aus dem Bett wie sonst. Als sie noch jünger gewesen waren, war Adam jeden Morgen um halb sechs von selbst aufgewacht – darauf war Verlass gewesen. Doch mittlerweile schien seine innere Uhr in die Jahre gekommen zu sein, weshalb sie manchmal erst um sieben aufstanden. So war es auch an diesem Tag, denn die Krankenversorgung des Patienten gestern Abend hatte beide länger als sonst wach gehalten. Während Adam sich anzog, weckte er Elisabeth und ging nach unten in die Küche. Dort nahm er die rote Emaille-Schüssel vom Regal und lief hinter das Haus an den Brunnen, um frisches Wasser zu holen. Er überlegte oft, wie alt der Brunnen wohl sein mochte. Der runde Brunnenschacht maß im Durchmesser fast eineinhalb Meter und war aus großen Wacken gemauert. Ein kleines Dach überdeckte seine Öffnung, unter dem eine Kurbelstange mit Seil und Holzeimer hing. Adam drehte an der seitlichen Kurbel und ließ den Eimer am Seil nach unten. Dort sammelte sich das Grundwasser, das er und Elisabeth jeden Tag brauchten. Vor Jahren hatte er die Tiefe des Brunnens nachgemessen und errechnete bis zum Grund fast sieben Meter. In diesen Erinnerungen zog er den gefüllten Eimer wieder nach oben. Das frische Wasser füllte er in die Schüssel und ging zurück in die Küche. Am Schüttstein nahm er beide Hände voll Wasser und rieb sich damit das Gesicht ab. Das Wasser aus dem Brunnen war kalt, doch Adam war es recht so, denn das kalte Wasser trieb ihm den Schlaf aus dem Gesicht. Als Nächstes nahm er ein Stück Kernseife zur Hand und seifte sein Gesicht ein. Danach rieb er mit den Fingern durch den Mund und über seine Zähne. Zum Schluss der Morgenwäsche hielt er sein Gesicht über die Schüssel und spülte alles kräftig ab. Inzwischen war Elisabeth angekleidet nach unten gekommen. Während er seine Morgenwäsche beendete, schaute sie in die Stube zu Kilian. Adam leerte die Schüssel und füllte frisches Wasser nach. Im Gegensatz zu ihm war Elisabeth das Wasser aus dem Brunnen am frühen Morgen zu kalt. Bevor sie ihre Morgenwäsche vornahm, musste das Wasser aufgewärmt werden. Dazu machte Adam Feuer im gusseisernen Herd und füllte einen Teil des Wassers in das Schiffchen auf der Herdplatte. Das warme Wasser würde Elisabeth später zum kalten in der Schüssel mischen, bis es ihr warm genug war. Als sie in die Küche kam, begann das Wasser im Schiffchen langsam zu dampfen. Adam saß am Tisch und schnitt sich eine Scheibe Brot ab.

      »Wie geht es ihm?«, fragte er.

      »Auf jeden Fall besser als gestern Abend«, antwortete Elisabeth. »Ich werde ihm erst einmal einen Tee machen, damit er wieder etwas trinkt. Und vielleicht isst er ja auch einen Brocken Brot.«

      Elisabeth ging zum Regal und nahm einen kleinen Tonbehälter mit ihrer Apfelschalen-Teemischung herunter. Während sie den Tee für Kilian anrichtete, sprach sie weiter. »Gehst du jetzt gleich auf die Suche in den Wald?«

      Adam schnitt sich zwei weitere Scheiben Brot ab und schmierte von Elisabeths Brombeermarmelade auf eine Scheibe. Auf die andere Brotscheibe gab er eine Portion Schmalz, streute Salz darüber und klappte die dritte Scheibe als Deckel darauf. Das Marmeladenbrot aß er sofort, das Schmalzbrot war sein Proviant für unterwegs.

      »Ja, ich werde sicher den ganzen Vormittag unterwegs sein, bis ich eine gefunden habe«, antwortete er. »Aber ich kenne ein paar Stellen im hinteren Aachtobel, wo Kreuzspinnen hausen. Sie hocken in den Nischen der Felswände und spannen dort ihre Netze. Wenn ich nicht gleich auf Anhieb eine finde, muss ich sie eben anlocken. Brauchst du sie lebend oder wird sie sowieso verbrannt?«

      »Nein, auf jeden Fall lebend!«, wandte Elisabeth ein.

      »Aha, dann hat der Bursche also das Vergnügen, das kleine Vieh lebendig zu fressen. Dann gib ihm aber auch ordentlich Salz und Pfeffer dazu.« Er machte gern solche trockenen Bemerkungen und wusste, dass Elisabeth diesen Humor an ihm liebte. Schmunzelnd sah sie ihn an.

      »Ach was, du Eselpeter! Die Spinne kommt lebendig in eine Nussschale, die


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