Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein. Jakob Matthiessen

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Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein - Jakob Matthiessen


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rausrücken wollte. Er hat mich so merkwürdig angeschaut und dabei gegrinst. Kannst du dir einen Reim darauf machen?«

      Eine leichte Röte zeigte sich auf Jehudiths Gesicht. Geschwind wandte sie sich zur Küche um und antwortete im Gehen: »Ich bring dir erst einmal etwas zu essen. Setz dich hin und ruh dich aus. Magst du etwas Wein?«

      Chaim ließ sich auf den Stuhl fallen. »Gerne, mein Schatz.«

      Schon kam Jehudith mit dem Rotweinkrug. Sie reichte ihm einen Tonbecher und ein Messer aus dem Wandregal. Chaim schenkte sich ein und nahm einen ordentlichen Schluck, während Jehudith ein Holzbrett mit Kümmelbrot, Pflaumenmus und einem Stück der harten Wurst, die er so mochte, aus der Küche hereintrug. »Du kannst mir heute Abend mehr von der Sitzung des Rates erzählen. Ich muss wieder nach unten, die Frau des Metzgers in der Krämergasse wartet.«

      Bevor sie zur Treppe hinunter zum Laden entschwand, kraulte sie Chaim kurz den Nacken. Der brummte wohlig vor sich hin. »Aaaahhhhh, tut das gut.«

      »Räum die Sachen bitte nachher in die Küche.«

      Schmunzelnd blickte Chaim seiner Frau nach. Drei schwere Geburten lagen hinter ihr, und kein Kind hatten sie verloren. Auch dank Salomo. Alle drei Kinder hatten anfangs mit hohem Fieber zu kämpfen gehabt, die Kräuter des Arztes, mit dem sie nun schon seit vielen Jahren befreundet waren, hatten jedoch jedes Mal schnell Linderung gebracht.

      Jehudiths Hüften waren mit den Jahren fülliger geworden, wie auch der Umfang seines Bauches gewachsen war. Und ihre Brüste waren nicht mehr die zwei jungen Rehzwillinge, die unter den Rosen weideten, wie er sie in den ersten Jahren ihrer Ehe mit Worten aus dem Hohelied liebkost hatte. Die Spuren des Stillens dreier Kinder ließen sich nicht verbergen. Lass deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock, hatte er ihr aus diesem alten Lied vorgesungen, als David endlich auf der Welt gewesen war, und Jehudiths Brüste zunächst kaum Milch geben wollten.

      Aber sein Verlangen nach Jehudith, das hatte er nicht verloren. Ebenso wenig wie seine Begeisterung für das Schir ha-Schirim, das Lied der Lieder, wie das Hohelied auch genannt wurde. Noch immer nannte er sie meine Rose von Scharon. Und auch Jehudiths Lust war frisch geblieben. Nach den Geburten hatte er sie in Ruhe gelassen und gewartet, bis sie sich ihm wieder genähert hatte.

      Mit großem Hunger verspeiste Chaim die guten Dinge, die ihm von Jehudith aufgetischt worden waren. Seit dem Frühstück hatte er nichts mehr zu sich genommen. Die Wurst war würzig, das Brot angenehm weich und schmackhaft und das Mus lieblich süß. Der Wein legte sich wohltuend um seine düsteren Gedanken an die Ereignisse in Speyer. Satt und ein wenig beruhigter räumte er zu guter Letzt die übrig gebliebenen Speisen in die Kammer.

      Er hatte noch zwei Stunden Zeit, in seiner Werkstatt im Hinterhaus nach dem Rechten zu sehen.

      Peters Heim nahe Gerstendorf

      Aus der Ferne sah Peter sein mit Stroh gedecktes Heim, in dem er zusammen mit Vater und Mutter, seinem Bruder Bernhard und der kleinen Mathilde, ihrem Pferd Lene, drei Kühen und zwei Ochsen lebte. Die Hühner und Schweine waren in ihrem eigenen Stall untergebracht, etwas abseits des Hauses. Erst letzten Sommer hatte der Vater ihn gebaut. Alle waren froh, dass der Schweinegestank nun nicht mehr aus dem Raum direkt gegenüber der Stube drang. Dort stand jetzt nur noch Lene mit den Kühen und Ochsen.

      Die Stube war der Schlaf- und Essraum der Familie. Im Winter rückten sie eng zusammen um die Feuerstelle. Dort schliefen sie auf Stroh. Manchmal jedoch verbrachte Peter die Nacht neben Lene. Seit diesem Frühling verzog er sich auch gern in die Grubenhütte etwas abseits des Hauses, in der das Werkzeug lagerte und wo der Vater seine Schmiedearbeiten durchführte.

      Er ließ Lene aus dem Bach trinken, der an ihrem Haus entlangführte. Dort konnte sie noch etwas in der Abendsonne stehen, das Gras an dieser Stelle schmeckte ihr besonders gut. Erst nach der Mahlzeit würde er sie in ihren Stall führen. Nachdem er mit Lene ein paar letzte Worte gesprochen und ihr zum Abschied über das Fell gestreichelt hatte, begab er sich ins Haus.

      An der Tür empfing ihn eine Stimme, die ihm unbekannt war. »Gott segne dich, du musst Peter sein.«

      Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit des fensterlosen Raumes. Der Feuerplatz war neben einer blakenden Talglampe die einzige Lichtquelle im Raum. Am Tisch saß der Priester in der roten Kutte, den er heute Mittag von seinem Acker aus beobachtet hatte. Dieser richtete abermals das Wort an ihn. »Setz dich zu uns, Peter. Du musst erschöpft sein. Der Pflug ist schwer und der Boden sicher hart, so wenig wie es in den letzten Wochen geregnet hat.«

      Die Stimme des Mannes war sanft, er rollte das R so weich, dass es einem ganz warm ums Herz wurde. Wie fremd war doch dieser leuchtend rote Stoff in ihrem Haus, den der Priester an seinem schlanken Körper trug. Und wie fein die Sandalen. Seine Hände waren unglaublich sauber. Peter kam sich erbärmlich vor mit seinen dreckigen Füßen, auf denen er heute barfuß durch den Acker gestapft war.

      Mutter rührte einen Getreidebrei über dem Feuer, während sein Vater die Gunst der Stunde nutzte und mit dem hohen Besuch am Tisch Met genoss, den es sonst nur am Sonntag zu trinken gab. Scheu setzte sich Peter hinzu, und sein Vater schenkte auch ihm etwas von der goldenen Köstlichkeit in einen Holzbecher.

      »Wir werden immer mehr, seitdem Papst Urban alle Christenmenschen zur Befreiung Jerusalems aufgerufen hat«, sagte der fremde Mann. »Vor vier Wochen waren wir knapp zweihundert, jetzt sind wir fast zweitausend auf dem Weg in die Heilige Stadt.«

      »Was denkt Ihr, wann werden die Ritter Jerusalem erreichen?« Vater füllte Peters Becher mit Wasser aus einem großen Tonkrug auf.

      »Wohl nächstes Jahr im Frühling. Gott will, dass wir zuerst hier im Rheinland für Ordnung sorgen.«

      »Herr, was meint Ihr damit?«, erkundigte sich Peters Vater.

      »Reden wir lieber von Jerusalem«, überging der fremde Mann die Frage. »Aus allen Ländern kommen die Ritter und das Fußvolk dem Aufruf unseres Papstes nach. Wir werden die Sarazenen im Handstreich besiegen.«

      Mainz – in Jehudiths und Chaims Haus

      Die Gesellen hatten in Chaims Abwesenheit alle Arbeiten fehlerfrei ausgeführt. Zu seinem Missfallen ließen sie ihn jedoch wissen, dass der Bischof einmal mehr bezüglich der Domfenster hatte nachfragen lassen.

      Das rote Rosenfenster, das er für die Synagoge gefertigt hatte, war auch unter den Christen nicht unbemerkt geblieben. Nun war es der Wunsch des Bischofs, dass in seinem Dom die gläsernen Bildnisse den Raum mit farbigem Licht ausfüllten. Und Chaim war der Einzige in ganz Mainz, der so etwas vielleicht schaffen konnte. Da war der hohe Herr sogar bereit, den Dienst eines Juden anzunehmen.

      Die Seitenöffnungen des großen Bauwerks, die im Winter und bei starkem Regen mit Teppichen verschlossen wurden, waren hoch und breit. Die Druckverhältnisse der Mauern waren kompliziert, veränderten sich mit der Temperatur, und der Wind presste mit all seiner Macht gegen die großen Flächen. Daher wollte Chaim nicht zu viel versprechen.

      Doch der Bischof bestand darauf, sich und all seine Vorgänger verewigt zu sehen. Und schlimmer noch, ein Bild des Gekreuzigten sollte ein Fenster im Altarraum zieren. Zwar reizten Chaim die Herausforderungen eines solchen Auftrags, aber auch das Ungemach in der Gemeinde gab ihm zu denken. Unser Christenfreund Chaim schmückt nun die Häuser der Unreinheit, würde es wohl heißen. Rabbi Chaim stellt Bilder des Gehängten her. Daher hatte Chaim beim letzten Gespräch mit dem Bischof in allen Details auf die technischen Probleme hingewiesen. Der Bischof hatte ungehalten reagiert und wohl auch durchschaut, dass Chaim die vorgesehenen Motive wenig zusagten. Seitdem ließ Ruthard hartnäckig nachfragen. Lange würde Chaim sich nicht mehr erwehren können.

      Daher verfolgte er mit Raimund neben der Psalmenübersetzung heimlich eine weitere Idee, welche in Richtung des Wunsches des Bischofs ging: Die Fensteröffnungen in der Johanniskirche waren weitaus kleiner, und an diesen wollte sich Chaim zunächst versuchen. Auf den sechs Fenstern auf der Westseite der Kirche sollten Gleichnisse des Nazareners dargestellt werden. An Skizzen dafür wollte er noch etwas arbeiten.

      Peters Heim nahe Gerstendorf

      Mit


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