Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein. Jakob Matthiessen

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Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein - Jakob Matthiessen


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im Sterben lag, war er gekommen, um ihr die letzte Salbung zu spenden. Peter mochte ihren dicken, redseligen Pfarrer, der auch manchen guten Witz zu erzählen wusste. Aber von diesem schlanken Mann in seiner roten Kutte mit dem großen silbernen Kreuz über der Brust strömte ein Glanz aus, wie es Peter vorher nie erlebt hatte. Und dieser Mann hatte ihn gegrüßt, hatte sogar seinen Namen gekannt.

      »Hohe feste Mauern umschließen die Heilige Stadt, viel höher als die Mauern von Mainz«, mischte sich Peters Mutter ein, die die Gedanken ihres Sohnes wohl erraten hatte. »Das habe ich auf einem Bild im großen Dom gesehen. Viele Menschen werden ihr Leben lassen in Eurem Krieg.«

      »Gott ist auf unserer Seite, daher werden wir gewinnen. Und wer sein Leben hergibt im heiligen Kampf, dem werden alle Sünden vergeben. Das hat Papst Urban feierlich verkündet.«

      »Mmh«, war alles, was Peters Mutter darauf antwortete. Dann sagte sie: »Der Brei ist fertig. Etwas Besseres können wir Euch in unserer bescheidenen Hütte leider nicht anbieten, aber dick ist er und honigsüß. Unsere Bienen waren besonders fleißig im vergangenen Jahr.«

      Sie stellte den dampfenden Kupfertopf mit den drei Beinen auf den Tisch und schöpfte den nussfarbenen Brei in die Holzschalen. Anschließend ging sie vor die Tür und rief: »Bernhard, Mathilde, kommt zu Tisch! Das Essen ist fertig!«

      Die beiden Kinder kamen lachend angerannt und stoppten abrupt, als sie den Fremden sahen. Die Mutter blickte auf die beiden und zog die Augenbrauen nach oben. Peters Geschwister verbeugten sich und setzten sich still links und rechts neben ihrem Bruder auf die Bank. Zärtlich legte Peter seine Arme um Mathilde, die sich an ihn schmiegte. Mutter setzte sich zu Vater, der den Priester fragte: »Möchtet Ihr, Herr, das Tischgebet sprechen?«

      Der Mann in der roten Kutte faltete die Hände und seine geschmeidige Stimme erfüllte die Stube. »Der Herr segne diese Speise. Er erbarme sich euer, erlasse euch die Sünden und führe euch zum ewigen Leben. Amen.«

      Die Holzlöffel klackerten in den Schalen und ein gefräßiges Schweigen erfüllte eine Zeit lang den Raum. Jedes seiner Geschwister aß mit einem eigenen Löffel, in den von Peter hatte sein Vater eine Haselnuss am oberen Ende des Griffes eingeschnitzt.

      »Ein wohlschmeckender Brei, Weib«, durchbrach der Mann die Stille. »Wir brauchen gute Köchinnen auf unserer Reise und auch starke Männer.«

      Mutters Gesicht zeigte keine Regung.

      »Jerusalem, wart Ihr schon einmal dort?«, fragte Peters Vater.

      »Ja, ich war schon dort. Eine Stadt, so schön wie ein Gedicht. Wie heißt es in einem Psalm des Herrn:

      Vergesse ich dein, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verfaulen.

      Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wo ich nicht dein gedenke,

      wo ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.«

      »Höchste Freude«, wiederholte der Vater träumerisch. »Höchste Freude.«

      »Reich und üppig ist das Land. Die Böden tragen dreimal Frucht im Jahr. Saftige Feigen, schwarze und grüne Oliven und süße Aprikosen wachsen in großer Zahl. Mit den Schätzen der Sarazenen werden wir bald Kirchen und Burgen im Heiligen Land erbauen. Ein neues Reich in Gottes Gnade werden wir dort errichten.«

      »Erzählt bitte mehr vom Heiligen Land«, bat Peter, der gebannt an den Lippen des fremden Mannes hing.

      »Es wird bald dunkel und Ihr müsst sicher noch einen weiten Weg gehen«, unterbrach ihn die Mutter. Sie legte die Hand auf das Bein ihres Mannes und sah ihn mit ernsten Augen an.

      Der Vater erwiderte den Blick, nickte und richtete sich auf. »Mein Weib hat recht, die Dämmerung wird bald hereinbrechen und zum Dorf ist es ein gutes Stück.«

      »Was ist mit dir, Peter? Willst du nicht mit uns ziehen?«, fuhr der Priester ungerührt fort. »So einen wie dich können wir gut gebrauchen. Willst du nicht die weite Welt entdecken? Trockene Böden beackern, ist das alles, was du aus deinem Leben machen willst?«

      »Wir brauchen unseren Sohn hier«, antwortete Peters Vater unwirsch. »Und er verspürt auch nicht den Wunsch, in Euren Krieg zu ziehen.«

      »Nun, für Großes müssen Opfer gebracht werden.« Der Priester ließ sich keinen Ärger anmerken. »Abenteuer und die Schätze der Sarazenen erwarten dich, mein Sohn.« Ernst und freundlich richtete der fremde Mann in der roten Kutte seinen Blick auf Peter. »Und die Frauen der Sarazenen mit ihrer …«

      »Wärt Ihr so freundlich, einen Segen für unser Haus zum Abschied zu sprechen?«, unterbrach die Mutter den Priester.

      »Nein, bitte bleibt«, erwiderte Peter.

      Patsch! Das laute Knallen einer Ohrfeige schallte durch den Raum.

      »Widersprich deiner Mutter nicht!«, schimpfte der Vater.

      Peter lief rot an vor Scham. Er biss die Zähne aufeinander, sein Blick wurde starr. Erschrocken schlug die Mutter die Hand vor den Mund. Peter sprang auf. Der Vater wollte ihn noch festhalten. »Bleib hier!«

      Aber Peter riss sich los und rannte aus der Stube. Auf der Bank vor ihrem Haus setzte er sich nieder.

      Nach einiger Zeit hörte er den Priester sprechen. »Habt Dank für dieses gute Mahl. Glück und Segen komme über dieses Haus.«

      Beim Verlassen der Stube sang der Mann leise vor sich hin:

      »Vergesse ich dein, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verfaulen. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wo ich nicht dein gedenke, wo ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.«

      Mainz – in Jehudiths und Chaims Haus

      Die Frau des Metzgers hatte sich in ein Halskettchen mit roten und grünen Glasperlen verguckt. Nach kurzer Verhandlung war der Verkauf besiegelt und Jehudith konnte fünf Schillinge als Einnahme verbuchen. Entsprechend zufrieden hatte sie den Laden verschlossen und sich an die Vorbereitungen des Sabbatmahls gemacht.

      Benjamin, ihr Kleinster, war glücklich, David und Hannah beim Spielen beobachten zu können, sodass sie in aller Ruhe den Bohneneintopf mit Rindswurst vorbereiten konnte, den sie heute auftischen wollte. Sie hatte sich dafür ein saftiges Hüftstück von dem jüdischen Metzger bringen lassen, das sie nun in Sonnenblumenöl über der Feuerstelle in einem Kessel anbriet. Sie fügte eine Handvoll Thymian aus ihrem kleinen Hintergarten hinzu und schimpfte wie gewöhnlich über den Rauch, der nur ungenügend durch den Schacht nach draußen abzog.

      Für Benjamin zerstampfte sie einen Apfel und vermischte das Mus mit etwas Hirse, Milch und Honig. Sie schüttete die geschnittenen Bohnen in den Kessel und goss nach einigen Minuten etwas von dem billigen Rotwein nach. Eine Dampfwolke entstieg dem Kessel und bald schon kam zum Aroma der Kräuter der herbe Duft von angebratenem Fleisch und erfüllte ihre Wohnung.

      Peters Heim nahe Gerstendorf

      Auf der Bank vor der Hütte kämpfte Peter mit den Tränen, als der Priester in der roten Kutte aus dem Haus ins Freie trat und ihn aufmunternd anlächelte. »Vielleicht sehen wir uns ja morgen wieder, Peter.«

      Dann wurde der Blick des Mannes ernst. »Denk an die heiligen Pflichten, die Gott uns abverlangt. Ein neues Reich in Christi Namen werden wir gründen. Und denk an die Schätze der Sarazenen, die uns bald gehören werden. Denk an die Kirchen und Burgen, die wir damit bauen können. Und ein hübscher starker Mann, wie du es bist, der darf auch Träume haben, die sich ein Priester verwehren muss. Drum denk du ruhig an die sagenumwobene Schönheit der Frauen des Orients mit ihrer sanften braunen Haut.«

      Noch lange schaute Peter dem Mann nach. Die leuchtend rote Kutte erschien immer verschwommener in der Dämmerung, versteckte sich zuweilen hinter Bäumen, tauchte wieder auf, nur um kurz danach wieder verdeckt zu werden. Bevor der Priester ganz hinter dem Hügel verschwand, drehte er sich ein letztes Mal um und winkte ihm zu.

      Peter hörte die Mutter mit dem Vater in der Stube schimpfen. »Du hättest ihn nicht so züchtigen sollen. Vor dem


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