Der Peloponnesische Krieg. Thukydides

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Der Peloponnesische Krieg - Thukydides


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sodann aber auch der Ehre, und später unseres Vortheils wegen. Wirklich schien es unsere Sicherheit nicht mehr zu gestatten, daß wir das Band der Herrschaft loser werden zu lassen wagten, da wir mit den Meisten verfeindet, und einige Abtrünnige bereits bezwungen waren, und ihr nicht mehr, wie zuvor, mit uns befreundet, sondern argwöhnisch und im Zweifel waret. Denn die Abgefallenen hätten sich an euch angeschlossen. Niemand aber wird es verdenken, wenn man seinen Vortheil gegen die bedenklichsten Gefahren sichert."

      76. Ihr Lacedāmonier habt wenigstens eure Vorsteherdschaft so geführt, daß ihr den Staaten in Peloponnes eine eurem Vortheile gemäße Verfassung gabet. Und hättet ihr damals die ganze Oberleitung behauptet, und euch dabei, wie wir, verhaßt genacht, so wäret ihr sicher den Bundesgenossen nicht weniger lästig geworden, und genothigt gewesen, entweder mit Nachdruck zu herrschen, oder selbst Alles auf's Spiel zu setzen. So haben denn auch wir nicht auffallend, noch der menschlichen Weise entgegen gehandelt, indem wir die angetragene Oberherrschaft annahmen, und durch die dringendsten Beweggründe, Ehre, Furcht und Vortheil bestimmt, nicht schlaffer werden ließen. Waren wir doch nicht die Ersten, die dieses unternahmen; sondern es ist längst hergebracht, daß der Schwächere von dem Mächtigern beschränkt wird. Auch waren wir nach unserem und eurem Urtheile dessen würdig. Nur jetzt wollt ihr, euren Vortheil in Berechnung zierend, den rechtlichen Gesichtspunkt geltend machen: und doch hat wohl noch nie Jemand, wenn er durch Gewalt etwas erringen konnte, jenem der Vorzug gegeben, und sich abhalten lassen, seinen Vortheil zu verfolgen. Lob verdienen dabei die, welche bei der Befriedigung der den Menschen natürlichen Neigung, über Andere zu herrschen, doch gerechter handeln, als ihre erworbene Macht es gestatten würde. Wir glauben wenigstens, wenn Andere an unsere Stelle treten würden, so würde sich am besten zeigen, ob wir mit Mäßigung handeln. Uns aber hat, was höchst unbillig ist, unser mildes Benehmen mehr Tadel als Lob zugezogen."

      77. "Wenn schon bei den durch Vertragsgerichte zu schlichtenden Rechtshandeln mit unsern Bundesgenossen gegen uns entschieden wird, und wir auch vor unseren eigenen Gerichten nach gemeinsamen Gesetzen dein Rechte gegen jene seinen Lauf lassen; so gelten wir doch für streitsüchtig: und Niemand denkt daran, daß denen, die anderswo eine Herrschaft besitzen, und gegen ihre Untergebenen weniger gemäßigt als wir handeln, dieß nicht vorgeworfen wird. Die nämlich, welche Gewalt brauchen könnten, hätten nicht nöthig, einem Rechtsspruche sich zu unterwerfen. Jene aber sind gewohnt, nach dem Verhältnisse der Gleichheit mit uns zu verkehren. Wenn sie daher in irgend etwas, wie sie weinen, gegen die Gebühr, durch einen Spruch oder durch die Macht, welche die Herrschergewalt mit sich bringt, in Nachtheil gesetzt werden, so wissen sie es uns keinen Dank", daß man ihnen nicht noch mehr entzogen hat; sondern sie sind über den geringfügigen Verlust weit mehr ungehalten, als wenn wir von Anfang an gesetzlos gehandelt, und zu unserem Vortheil , offenbare Gewalt gebraucht hatten. In jenem Falle würden euch sie die Einwendung nicht gemacht haben, es zieme sich nicht, daß Mindermächtige dem Stärkern nachgebe. Es scheint nämlich, daß die Menschen weit mehr darüber aufgebracht werden, wenn sie ihre Rechte gekränkt glauben, als wenn ihnen Gewalt geschieht: denn jenes, weil es von ihres Gleichen kommt, gilt ihnen als Uebervortheilung; dieses aber, als vom Stärkeren kommend, als Nothwendigkeit. Als ihnen nämlich durch die Perser weit Aergeres widerfuhr, so ließen sie sich's gefallen; unsere Oberherrschaft aber scheint ihnen unerträglich: und dieß ist leicht begreiflich. Denn die gegenwärtige Lage erscheint den Unterworfenen stets drückend. Solltet aber ihr durch den Sturz unserer Macht die Herrschaft erhalten, so würde die Zuneigung, die ihr wegen der Furcht vor uns euch erworben, bald herabgestimmt werden: wenn ihr anders auch jetzt noch eben die Grundsätze habt, die ihr während eures kurzen Oberbefehls gegen die Perser an den Tag legtet. Denn ihr habt für euch Gesetze und Sitten, die mit andern nichts gemein haben: und dazu verfährt jeder von eud), der in das Ausland kommt, weder nach jenen, noch nach Dem, was in dem übrigen Hellas herkömmlich ist.“

      78. „Ueberleget also die Sache langsam, da sie nicht unbedeutend ist. Ladet nicht durch Nachgiebigkeit gegen fremde Meinungen und Beschwerden euch selbst Ungemach auf. Erwäget zuvor, wie manches Unerwartete in einem Kriege sich ereignet, bevor ihr euch in denselben einlasset. Denn wenn ein Krieg sich in die Länge zieht, so pflegt in ihm Manches sich durch Glückswechsel anders zu wenden, welche dem Einen so nahe als dem Andern liegen: und, wohin das Glück sich auch neigen mag, so wagt man ein ungewisses Spiel. Bei der Unternehmung eines Kriegs beginnt man gewöhnlich mit Thätlichkeiten, zu denen man erst später schreiten sollte : und erst bei erlittenen Unfällen fängt man an zu überlegen. Wir aber, die wir einen solchen Fehler noch nicht begangen, noch bei euch, denselben bemerkt haben, fordern euch auf, so lang vernünftige Berathung für beide Theile noch offen steht, den Vertrag nicht zu brechen, noch die Eide zu übertreten, die streitigen Punkte aber auf rechtlichem Wege vertragsmäßig zu erledigen. Wo nicht, so werden wir die Götter, die den Meineid. rächen, zu Zeugen anrufen, und uns gegen euch, wenn ihr den Krieg beginnet, auf die Art, wie ihr das Beispiel gebet, zu vertheidigen suchen.“

      79. Dieß war der Vortrag, der Athener. Nachdem nun die Lacedämonier die Beschwerden der Bundesgenossen gegen Athen und die Rede der Athener angehört hatten, ließen sie die übrigen bei Seite treten, und berathschlagten für sich über den vorliegenden Gegenstand. Die Meinung der Meisten vereinigte sich nun dahin, daß die Athener Unrecht haben, und man in Bälde zum Kriege schreiten müsse. Archidamus aber, ihr König, der für einen verständigen und gemäßigten Mann galt, hielt folgende Rede:

      80. "Wie ich selbst schon, ihr Lacedämonier, die Erfahrung mancher Kriege gemacht habe, so erblicke ich auch unter euch, so viel eurer meine Altersgenossen sind, solche Männer. Keiner von diesen wird daher aus Unerfahrenheit, was der Fall bei dem großen Haufen sein möchte, oder weil er etwa den Krieg an sich für gut und gefahrlos hielte, ein solches Ereigniß herbeiwünschen. Betrachtet man aber den Krieg, über den ihr jetzt berathschlagt, mit vernünftiger Mäßigung, so werdet ihr wohl finden, daß er von großerWichtigkeit ist. Unsere Macht ist zwar den Peloponnesiern und den Grenznachbarn ziemlich gewachsen, und hier ist es möglich, alle Punkte schnell zu erreichen. Aber gegen Männer, die ein entlegenes Land bewohnen, die überdieß des Seewesens sehr kundig sind, die mit allein Uebrigen auf das Beste ausgerüstet sind, mit Wohlhabenheit der Einzelten und einem reichen Schabe, mit Schiffen, Pferden, Waffen und einer Bevölkerung, wie sie in keinem andern Hellenischen Sande sich findet, die endlich viele zinsbare Bundesgenossen haben, - wie sollte man gegen solche leichthin einen Krieg unternehmen? Worauf vertrauend könnten wir unvorbereitet die Sache übereilen? Etwa auf Schiffe? aber darin sind wir die Schwächeren: und wollten wir uns erst üben, und Gegenrüstungen machen, so wird dazu lange Zeit erfordert. Oder auf Geldmittel? Aber darin stehen wir noch weit mehr hinter ihnen zurück: wir haben solche weder im öffentlichen Schatze, noch bringen wir sie leicht aus dem Vermögen der Einzelnen zusammen."

      81. "Vielleicht aber möchte man sich darauf verlassen, daß wir an Waffen und Volksmenge ihnen überlegen sind, so daß wir durch Einfälle ihr Gebiet verheeren können. Allein sie haben viele andere Länder unter ihrer Hoheit, und werden zur See ihre Bedürfnisse einführen. Versuchen wir ferner ihre Bundesgenossen zum Abfalle zu reizen, so werden wir nach diesen mit einer Flotte zu Hülfe kommen müssen, da sie meist Inselbewohner sind. Was wird das also für ein Krieg für uns werden ? Wenn wir nicht zur See siegen, oder die Einkünfte, womit sie ihre Seemacht erhalten, ihnen entziehen, so werden wir meist im Nachtheile sein. Und in diesem Falle könnten wir ehrenhalber nicht einmal mehr die Sache beizulegen suchen, zumal, wenn wir eigentlich für die Urheber des Zwiespalts gelten werden. Denn lasset uns ja nicht der stolzen Hoffnung uns hingeben, der Krieg werde bald zu Ende sein, wenn wir ihr Land verwüsten. Ich fürchte vielmehr, wir möchten ihn auch noch unsern Kindern hinterlassen: so wahrscheinlich ist es, daß die Athener bei ihrem Selbstgefühle weder ihnen Lande zu Liebe sich erniedrigen, noch als Unerfahrne durch einen Krieg sich werden schrecken lassen."

      82. "Jedoch ist meine Meinung nicht, daß ihr unsere Bundesgenossen gleichgültig kränken lassen, oder die Uebelgesinnten ihrer Plane nicht überführen sollet. Nur rathe ich noch nicht, die Waffen zu ergreifen, sondern Gesandte zu schicken, und Beschwerde zu führen: ohne den Krieg zu laut anzukündigen, doch so, daß wir zu erkennen geben, wir wer: den uns nicht alles gefallen lassen. Indessen sollten wir unsere eigene Macht rüsten, theils dadurch, daß wir Bundesgenossen von Hellenen und Barbaren an und ziehen, wenn wir irgendwoher eine Verstärkung an Seemacht und Geld uns verschaffen können: man kann es uns nämlich


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