Person werden. Dorothea Gnau

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Person werden - Dorothea Gnau


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Prozess« betrachtet. Ein solches Denken gehe davon aus, der durch die Gnade erleuchtete Verstand des Menschen sei in der Lage, die von Gott offenbarte Wahrheit in den tradierten Formeln und Dogmen einzusehen und anzunehmen. Die Akzeptanz bestimmter Prämissen führe zur Akzeptanz der einzelnen Glaubenssätze. In einem Prozess der »Subskription« werde diese von der Zeit der Apostel an über die Konzilien festgelegte und tradierte Lehre von Generation zu Generation übernommen. Der Theologie falle dann die Aufgabe zu, die Voraussetzungen zu systematisieren. Dabei komme der exakten Formulierung sehr große Bedeutung zu, die geistliche Erfahrung spiele hingegen kaum eine Rolle. In einer solchen als »rationalistisch« verurteilten Glaubensauffassung, die mit einem Defizit an Erfahrung einhergehe59, bündeln sich nach Yannaras, Nellas und Zizioulas alle negativen Entwicklungen der neuzeitlichen orthodoxen Theologie. In ähnlicher Weise lassen sie sich an jeder theologischen Einzelfrage aufzeigen60 und jeweils auf dieselben theologischen Defizite zurückführen. Yannaras beklagt zudem den Mangel an Dialog- und Kritikfähigkeit in der wissenschaftlichen Theologie Griechenlands und das Fehlen einer entsprechenden Diskussionskultur, etwa in der Form wissenschaftlicher theologischer Zeitschriften.61

      Zusammenfassend lässt sich festhalten: Nach dem Urteil der Theologengeneration der 60er Jahre ist die Situation der orthodoxen Theologie Griechenlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gekennzeichnet durch die Isolation einer spezialisierten und konfessionalistischen akademischen Theologie,

      •die sich in Einzelfragen verliert,

      •die kaum Bezug zu den existentiellen Lebensfragen heutiger Menschen hat,

      •die jeden lebendigen Bezug zu ihrer eigenen patristischen Tradition verloren hat,

      •weil sie sich in der Übernahme fremder Fragestellungen und Methoden

      •vom Leben und der mystischen Erfahrung der Kirche getrennt hat

      •und so die ursprüngliche organische Einheit von Liturgie und Theologie aufgegeben hat,

      wodurch die Einheit von lex orandi und lex credendi nicht mehr gewahrt ist.62

       III.Die Zoi-Bewegung

      1.Geschichte

      Von weitreichender Bedeutung für die Veränderungen in der griechischen Theologie und Kirche des 20. Jahrhunderts war die Zoi-Bewegung. Panagiotis Bratsiotis bezeichnet sie im Jahr 1960 als »die wichtigste religiöse Bewegung in der Autokephalen Kirche Griechenlands – und vielleicht der Orthodoxen Kirche überhaupt«63. Obwohl ihre Mitglieder kaum direkt in der universitären Theologie in Erscheinung treten und »trotz ihrer Gleichgültigkeit gegenüber dem akademischen Leben hat … [sie] in einem allgemeineren Sinn auf die gesamte theologische Mentalität und das Leben in Griechenland einen tiefen Einfluss ausgeübt.«64 Das Spektrum der Einschätzungen dieser umstrittenen Bewegung zeigen die Bezeichnungen, mit denen sie versehen wird. Sie reichen von solch positiven Einschätzungen wie »neugriechische Erneuerungsbewegung« (Maczewski) über ein relativ neutrales »eine neugriechische pietistische Bewegung« bis hin zu »eine Häresie im Bereich der Ekklesiologie« (Yannaras) oder »religiöses Pfadfindertum« (Tsakonas).

      Den Kern der »Zoi-Bewegung« bildet die monastische Theologenbruderschaft »Zoi« (»image« = Leben), die sich 190765 um Eusebios Matthopoulos zusammenschließt. Diese Bruderschaft ist eine apostolische Gemeinschaft von Laientheologen und Klerikern, die sich den Evangelischen Räten verpflichten und ein Gemeinschaftsleben nach strengen Regeln führen. Zur Bruderschaft treten später Schwesternschaften und eine Fülle von Laiengemeinschaften und –vereinigungen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Stände in unterschiedlichem Organisationsgrad hinzu. Sie alle werden unter dem Namen »Zoi-Bewegung« zusammengefasst. Die Bewegung erlebt ihre Blütezeit in den 40er und 50er Jahren. Anfänglich treffen die Aktivitäten der Bewegung auf ein geteiltes Echo, das von Skepsis vor allem in offiziellen Kirchenkreisen bis zur Begeisterung in Theologenkreisen und Teilen der Bevölkerung reicht. Später gewinnt die Zoi zunehmend an Bedeutung und Einfluss in Kirche und Gesellschaft bis in die Leitungsgremien hinein.66

      1959 kommt es nach starken Kontroversen innerhalb der Bewegung zu einer Spaltung. Die älteren, eher konservativen Kräfte bilden eine eigene Gemeinschaft unter dem Namen »Sotir« (image = Erlöser), die jüngeren, eher reformfreudigen verbleiben in der »Zoi«. Gründung und Organisation der »Sotir« erfolgen nach den gleichen Prinzipien wie bei der »Zoi«.67 Etwa zu dieser Zeit wenden sich zunehmend junge Theologen von der Bewegung ab, so auch Panagiotis Nellas und Christos Yannaras. Beide waren Mitglieder der Bruderschaft und dort in unterschiedlichem Ausmaß engagiert.

      Ab dem Zeitpunkt ihrer Spaltung verliert die »Zoi« sowohl aufgrund ihrer internen Schwierigkeiten als auch aufgrund der immer lauter werdenden Kritik an ihrem Wirken zunehmend an Bedeutung, so dass die heute noch existierenden Reste in ihrer Bedeutung als marginal einzustufen sind und wohl auch weniger in der Form organisierter Mitglieder als in einem Nachleben vereinzelter Spuren der von der Bewegung propagierten Frömmigkeit und ihres Schrifttums zu finden ist.

      2.Anliegen und Ziel

      In ihrer Satzung aus dem Jahr 1950 gibt die Theologenbruderschaft als ihr Ziel an:

      »Das Ziel der Bruderschaft ist einerseits die gegenseitige Hilfe der Mitglieder zu ihrer sittlichen Vervollkommnung in der christusgemäßen Tugend und zu einer besseren Verwirklichung ihres Tuns und andererseits der Dienst am Werke der Ausbreitung der christlichen Grundsätze und Wahrheiten unter dem Volk mit Selbstverleugnung und Selbstaufopferung in der Orthodoxen Kirche im Allgemeinen und im Besonderen in der griechischen Gesellschaft.«68

      Bereits in dieser Zielsetzung sind die wichtigsten Charakteristika der Bewegung zusammengefasst: Zentralen Stellenwert haben die Frömmigkeit und sittliche Lebensführung des Einzelnen. Die Mitglieder kennzeichnet ein »eigentümliche[r] Puritanismus und eine Mentalität des Auserwähltseins«.69

      »Obwohl das Ziel dieser Gemeinschaften der Schutz und die Förderung der Volksfrömmigkeit war, entwickelten sich bald schon geschlossene, abgesonderte Gruppen, wobei als Mitglieder nur die Guten im Sinne ihrer neu entwickelten Auffassung der Ethik aufgenommen wurden. Vorherrschend war ein heuchlerischer Egoismus und die Tendenz, die anderen als Sünder zu verurteilen.«70

      Ihre Sendung sieht die Bruderschaft in der Verkündigung und Inneren Mission. Sie übernimmt dabei Motive, Inhalte und Formen westlicher pietistischer Gruppen. In Griechenland stellt ihr Wirken daher in vielerlei Hinsicht ein absolutes Novum dar. Zugleich verbleibt die »Zoi« jedoch im Rahmen traditioneller orthodoxer Theologie und Frömmigkeit auch in einer eigenartigen Spannung zu diesen Neuerungen.

      Straff organisiert betreibt die Zoi-Bewegung eine systematische Evangelisation. Intensive Predigttätigkeit, die Einrichtung zielgruppenspezifischer Angebote und Vereinigungen sowie die Organisation von Bibelkreisen sind dabei wichtige Mittel. Ein Schwerpunkt liegt auf der Jugendarbeit, die vor allem durch die Einführung von Sonntagsschulen und Ferienlagern vorangetrieben wird. Eine besondere Bedeutung erlangt die Zoi-Bewegung schließlich durch die massive Verbreitung geistlichen Schrifttums und Bildmaterials oft westlicher Provenienz in der Form von Büchern und Zeitschriften. Hierzu zählt vor allem ihre deutlich missionarisch und pädagogisch ausgerichtete Zeitschrift »Zoi«, später auch eine Reihe anderer Publikationsorgane und Schriften, die sich an bestimmte Zielgruppen (Eltern, Studierende, Kinder, …) wandten.71 Maczewski fasst zusammen:

      »Dogmatisch untadelig und kirchlich erneuernd schien die Zoi … die Wende aus dem hoffnungslosen kirchlichen Verfall Neugriechenlands zu bringen: bestehende Traditionen wurden aus einem missionarischen Geist umgestaltet und neu interpretiert, verlorengegangene Traditionen aus der Alten Kirche und der Urchristenheit wieder aufgenommen und für die Ostkirche neue Traditionen wie gemeinsames Bibelstudium


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