Die Kunst des Krieges - Psychologie der Massen - Wege zu sich selbst - Der Fürst. Sunzi

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Die Kunst des Krieges - Psychologie der Massen - Wege zu sich selbst - Der Fürst - Sunzi


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die Zusammenhanglosigkeit dieser Bilder, aber die Masse beachtet sie nicht und vermengt die Zusätze ihrer entstellenden Fantasie mit dem Ereignis. Die Masse ist unfähig, das Persönliche von dem Sachlichen zu unterscheiden. Sie nimmt die Bilder, die in ihrem Bewusstsein auftauchen und sehr oft nur eine entfernte Ähnlichkeit mit der beobachteten Tatsache haben, für Wirklichkeit.

      Die Entstellungen, mit denen eine Masse ein Ereignis umformt, dessen Zeuge sie gewesen ist, scheinen unzählig und von verschiedener Art zu sein, da die Menschen, aus denen die Masse besteht, von sehr verschiedenem Temperament sind. Aber so ist es nicht. Infolge der Übertragung sind die Entstellungen durch die Einzelnen einer Gemeinschaft alle von gleicher Art und gleichem Wesen. Die erste Entstellung, die ein Glied der Gesamtheit vorbringt, formt den Kern des ansteckenden Einflusses. Bevor der heilige Georg allen Kreuzfahrern auf den Mauern von Jerusalem erschien, war er sicher zuerst nur von einem von ihnen wahrgenommen worden. Durch Beeinflussung und Übertragung wurde das gemeldete Wunder sofort von allen angenommen.

      So vollzieht sich der Vorgang von Kollektivhalluzinationen, die in der Geschichte so häufig sind und alle klassischen Merkmale der Echtheit zu haben scheinen, da es sich hier um Erscheinungen handelt, die von Tausenden von Menschen festgestellt wurden.

      Die geistige Beschaffenheit der Einzelnen, aus denen die Masse besteht, widerspricht nicht diesem Grundsatz. Denn diese Eigenschaften sind bedeutungslos. In dem Augenblick, da sie zu einer Masse gehören, werden der Ungebildete und der Gelehrte gleich unfähig zur Beobachtung.

      Diese Behauptung mag widersinnig klingen. Um sie zu beweisen, müsste man auf eine große Anzahl historischer Tatsachen zurückgreifen, und dazu würden mehrere Bände nicht genügen.

      Da ich aber den Leser doch nicht unter dem Eindruck unbewiesener Behauptungen lassen möchte, so will ich einige Beispiele anführen, die ich auf gut Glück aus der großen Anzahl, die man zitieren könnte, herausgreife.

      Der folgende Fall wurde gewählt, weil er besonders allgemeingültig für Kollektivhalluzinationen ist. Er wirkte sich auf eine Menge aus, die aus den verschiedensten Einzelnen – unwissenden und gebildeten – bestand. Er wird von dem Schiffsleutnant Julien Felix in seinem Buch über die Meeresströmungen nebenher berichtet und ist auch in die »Revue Scientifique« aufgenommen worden.

      Die Fregatte »La Belle-Poule« kreuzte auf See, um die Korvette »Le Berceau« wiederzufinden, von der sie durch einen heftigen Orkan getrennt worden war. Es war am hellen, lichten Tage. Plötzlich signalisiert die Wache ein Schiff in Seenot. Die Mannschaft richtet ihre Blicke auf die bezeichnete Stelle, und alle, Offiziere und Matrosen, sehen deutlich ein mit Menschen beladenes Wrack, welches von kleinen Fahrzeugen, auf denen Notsignale flatterten, geschleppt wurde. Admiral Desfossés ließ ein Boot bemannen, um den Schiffbrüchigen zu Hilfe zu eilen. Während sie sich näherten, sahen die im Boot befindlichen Matrosen und Offiziere »Massen von Menschen sich hin und her bewegen, die Hände ausstrecken, und vernahmen den dumpfen und verworrenen Lärm einer großen Anzahl Stimmen.« Als das Boot angekommen war, fand man nichts weiter vor als einige mit Blättern bedeckte Baumäste, die sich von der benachbarten Küste losgerissen hatten. Vor einem so handgreiflichen Beweis schwindet die Täuschung.

      Dies Beispiel enthüllt ganz klar den Verlauf der Kollektivtäuschungen, wie wir ihn beschrieben haben. Auf der einen Seite eine Masse im Zustand gespannter Aufmerksamkeit; auf der anderen eine Suggestion, die von der Wache ausgeht, die ein schiffbrüchiges Fahrzeug auf dem Meer signalisiert, eine Suggestion, die durch Übertragung von allen Anwesenden, Offizieren wie Matrosen, aufgenommen wird.

      Eine Masse braucht nicht zahlreich zu sein, um die Fähigkeit richtigen Sehens zu verlieren und die wirklichen Tatsachen durch davon abweichende Täuschungen zu ersetzen. Die Versammlung einiger Einzelner bildet eine Masse; und selbst wenn es hervorragende Gelehrte wären, so würden sie doch alle für die Dinge, die außerhalb ihres Faches liegen, die Massenkennzeichen annehmen. Das Beobachtungsvermögen und der kritische Geist eines jeden von ihnen schwinden sofort.

      Ein scharfsinniger Psychologe, Davey, liefert uns dafür ein recht merkwürdiges Beispiel, welches vor kurzem in den »Annales des Sciences psychiques« mitgeteilt wurde und es verdient, hier berichtet zu werden. Davey berief eine Versammlung ausgezeichneter Beobachter ein, unter ihnen den hervorragenden englischen Forscher Wallace, und führte ihnen, nachdem er sie die Gegenstände untersuchen und beliebig hatte versiegeln lassen, alle klassischen Phänomene des Spiritismus vor: Materialisation von Geistern, Schiefertafelschrift usw. Nachdem er hierauf von diesen berühmten Beobachtern schriftliche Berichte erhalten hatte, in welchen erklärt wurde, die beobachteten Erscheinungen seien nur auf übernatürlichem Wege möglich gewesen, enthüllte er ihnen, dass sie das Ergebnis sehr einfacher Kniffe waren. »Das Erstaunliche an diesem Versuch Daveys«, schreibt der Verfasser des Berichts, »ist nicht die Bewunderung der Kunststücke als solcher, sondern die außerordentliche Geistlosigkeit der Berichte, welche die uneingeweihten Zeugen darüber abgaben. »Denn«, sagt er »die Zeugen können zahlreiche und genaue Berichte geben, die völlig irrig sind, die aber, wenn man ihre Schilderungen für richtig hält, zu dem Ergebnis führen, dass die geschilderten Vorgänge durch den Betrug nicht zu erklären sind. Die von Davey ersonnenen Methoden waren so einfach, dass man sich über die Kühnheit wundert, mit der er sie anwandte, er besaß aber eine solche Macht über den Geist der Masse, dass er ihr das, was sie nicht sah, als gesehen aufzwingen konnte.« Diese Macht hat der Hypnotiseur immer über den Hypnotisierten. Sieht man aber, wie sie sich auf überlegene, von vornherein misstrauische Geister auswirkt, dann begreift man, mit welcher Leichtigkeit die gewöhnlichen Massen zu täuschen sind.

      Es gibt unzählige ähnliche Beispiele. Vor einigen Jahren gaben die Zeitungen die Geschichte von zwei kleinen ertrunkenen Mädchen wieder, die aus der Seine gezogen wurden. Diese Kinder wurden zuerst in bestimmter Weise von einem Dutzend Zeugen erkannt. Vor so übereinstimmenden Aussagen schwand auch der leiseste Zweifel des Untersuchungsrichters, er ließ den Totenschein ausfertigen. In dem Augenblick aber, da man sich zur Beerdigung anschickte, entdeckte man durch Zufall, dass die mit den Opfern Identifizierten noch völlig lebendig waren und kaum eine entfernte Ähnlichkeit mit den ertrunkenen Kleinen besaßen. Wie in mehreren der früher angeführten Beispiele hatte die Behauptung des ersten Zeugen, der das Opfer einer Täuschung war, zur Beeinflussung aller anderen genügt.

      In solchen Fällen ist der Ausgangspunkt für die Beeinflussung stets die Täuschung, die durch mehr oder weniger unbestimmte Erinnerungen in einem Einzelnen erzeugt wird, außerdem die Übertragung durch Mitteilung dieses ersten Irrtums. Ist der erste Beobachter leicht erregbar, so genügt es oft, dass der Leichnam, den er zu erkennen glaubt, abgesehen von aller wirklichen Ähnlichkeit, eine Besonderheit, etwa eine Narbe oder ein Bekleidungsmerkmal aufzuweisen hat, wodurch bei ihm die Vorstellung einer anderen Person ausgelöst werden kann. Die eingebildete Vorstellung kann dann zum Kern einer Art Kristallisation werden, welche den Bereich des Verstandes ergreift und allen kritischen Geist lähmt. Der Beobachter sieht dann nicht mehr die Sache selbst, sondern das Bild, das in seiner Seele aufgetaucht ist. Auf diese Weise erklärt sich das vermeintliche wieder Erkennen von Kinderleichen durch die Mütter, wie in dem folgenden, schon alten Fall, an dem sich die beiden Arten von Beeinflussung, deren Ablauf ich erklärt habe, deutlich offenbaren.

      Das Kind wurde von einem anderen Kinde erkannt – das sich irrte. Die Reihe des unrichtigen wieder Erkennens lief nun ab.

      Und nun geschah etwas sehr Merkwürdiges. An dem Tage, nachdem die Leiche durch einen Schüler wieder erkannt worden war, schrie eine Frau auf: »Ach, mein Gott, das ist mein Kind!« Man führte sie zur Leiche, sie untersucht die Kleider und stellt eine Narbe an der Stirn fest. »Gewiss«, sagte sie, »es ist mein armer Junge, der seit Ende Juli vermisst wird. Man wird ihn mir entführt und getötet haben.« Die Frau war Hausmeisterin in der Rue de Four und hieß Chavandret. Man ließ ihren Schwager kommen und dieser sagte ohne Zögern: »Das ist der kleine Philibert.« Mehrere Bewohner der Straße, ganz abgesehen von seinem Lehrer, für den die Schulmedaille ausschlaggebend war, erkannten in dem Kinde von la Villette Philibert Chavandret.

      Nun: Nachbarn, Schwager, Lehrer und Mutter hatten sich geirrt. Sechs Wochen später war die Identität des Kindes festgestellt. Es war ein Knabe aus Bordeaux, der dort getötet und mit der Post nach Paris gebracht worden war5.

      Wir


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