Die Kunst des Krieges - Psychologie der Massen - Wege zu sich selbst - Der Fürst. Sunzi

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Die Kunst des Krieges - Psychologie der Massen - Wege zu sich selbst - Der Fürst - Sunzi


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nur oberflächliche Beziehungen zueinander haben, und vorschnelle Verallgemeinerung von Einzelfällen, das sind die Merkmale der Massenlogik. Schlussfolgerungen solcher Art werden den Massen durch geschickte Redner immer wieder vorgesetzt. Von ihnen allein lassen sie sich beeinflussen. Eine logische Kette unumstößlicher Urteile würde für die Massen völlig unfassbar sein, und deshalb darf man sagen, dass sie gar nicht oder falsch urteilen und durch Logik nicht zu beeinflussen sind. Oft staunen wir beim Lesen über die Schwäche gewisser Reden, die ungeheuren Eindruck auf ihre Zuhörer gemacht haben; aber man vergisst, dass sie dazu bestimmt waren, Massen hinzureißen und nicht dazu, von Philosophen gelesen zu werden. Der Redner, der mit der Masse in inniger Verbindung steht, weiß die Bilder hervorzurufen, durch die sie verführt wird. Gelingt ihm das, so ist sein Ziel erreicht, und ein Band voll Reden wiegt die wenigen Phrasen nicht auf, durch die es gelang, die Seelen so zu verführen, dass sie sich überzeugen ließen.

      Es ist überflüssig zu bemerken, dass die Unfähigkeit der Massen, richtig zu urteilen, ihnen jede Möglichkeit kritischen Geistes raubt, das heißt, die Fähigkeit, Wahrheit und Irrtum voneinander zu unterscheiden und ein scharfes Urteil abzugeben. Die Urteile, die die Massen annehmen, sind nur aufgedrängte, niemals geprüfte Urteile. Viele Einzelne erheben sich in dieser Beziehung nicht über die Masse. Die Leichtigkeit, mit der gewisse Meinungen allgemein werden, hängt vor allem mit der Unfähigkeit der meisten Menschen zusammen, sich auf Grund ihrer besonderen Schlüsse eine eigene Meinung zu bilden.

       III. Die Einbildungskraft der Massen

      Die auffallende Einbildungskraft der Massen ist, wie bei allen Wesen, für die logisches Denken nicht in Frage kommt, leicht aufs Tiefste zu erregen. Die Bilder, die in ihrem Geist durch eine Person, ein Ereignis, einen Unglücksfall hervorgerufen werden, sind fast so lebendig wie die wirklichen Dinge. Die Massen befinden sich ungefähr in der Lage eines Schläfers, dessen Denkvermögen im Augenblick aufgehoben ist, sodass in seinem Geist Bilder von äußerster Heftigkeit aufsteigen, die sich aber schnell verflüchtigen würden, wenn die Überlegung mitzureden hätte. Für die Massen, die weder zur Überlegung noch zum logischen Denken fähig sind, gibt es nichts Unwahrscheinliches. Vielmehr, die unwahrscheinlichsten Dinge sind in der Regel die auffallendsten.

      Daher werden die Massen stets durch die wunderbaren und legendären Seiten der Ereignisse am stärksten ergriffen. Das Wunderbare und das Legendäre sind tatsächlich die wahren Stützen einer Kultur. Der Schein hat in der Geschichte stets eine größere Rolle gespielt als das Sein. Das Unwirkliche hat stets den Vorrang vor demWirklichen.

      Die Massen können nur in Bildern denken und lassen sich nur durch Bilder beeinflussen. Nur diese schrecken oder verführen sie und werden zu Ursachen ihrer Taten. Darum haben auch Theatervorstellungen, die das Bild in seiner klarsten Form geben, stets einen ungeheuren Einfluss auf die Massen. Für den römischen Pöbel bildeten einst Brot und Spiele das Glücksideal. Dies Ideal hat sich im Laufe der Zeiten wenig geändert. Nichts erregt die Fantasie des Volkes so stark wie ein Theaterstück. Alle Versammelten empfinden gleichzeitig dieselben Gefühle, und wenn sie sich nicht sofort in Taten umsetzen, so geschieht das nur, weil auch der unbewusste Zuschauer nicht im Zweifel sein kann, dass er das Opfer einer Täuschung ist und über eingebildete Abenteuer geweint oder gelacht hat. Manchmal jedoch sind die Gefühle, die durch diese Bilder suggeriert werden, stark genug, um wie die gewöhnlichen Suggestionen danach zu streben, sich in Taten umzusetzen. Man hat schon oft die Geschichte von jenem Volkstheater erzählt, das den Schauspieler, der den Verräter spielte, nach Schluss der Vorstellung schützen musste, um ihn den Angriffen der über seine vermeintlichen Verbrechen empörten Zuschauer zu entziehen. Das ist meiner Meinung nach eins der treffendsten Beispiele für den geistigen Zustand der Massen, und besonders für die Leichtigkeit, mit der man sie beeinflusst.

      Das Unwirkliche ist in ihren Augen fast ebenso wichtig wie das Wirkliche. Sie haben eine auffallende Neigung, keinen Unterschied zu machen.

      In der Fantasie des Volkes sind die Macht der Eroberer und die Kraft der Staaten begründet. Wenn man auf sie Eindruck macht, reißt man die Massen mit. Alle bedeutenden geschichtlichen Ereignisse, die Entstehung des Buddhismus, des Christentums, des Islams, der Reformation, der Revolution und in unserer Zeit das drohende Hereinbrechen des Sozialismus sind die unmittelbaren oder mittelbaren Folgen starker Eindrücke auf die Phantasie der Massen.

      Auch die großen Staatsmänner aller Zeiten und Länder, die unumschränkten Gewaltherrscher einbegriffen, haben die Volksfantasie als Stütze ihrer Macht betrachtet. Niemals haben sie versucht, gegen sie zu regieren. »Ich habe den Krieg in der Vendée beendigt, indem ich katholisch wurde«, sagte Napoleon im Staatsrat, »in Ägypten habe ich dadurch Fuß gefasst, dass ich mich zum Mohammedaner machte, und die italienischen Priester gewann ich, indem ich ultramontan wurde. Wenn ich über ein jüdisches Volk herrschte, würde ich den Salomonischen Tempel wieder aufbauen lassen.« Seit Alexander und Cäsar hat es vielleicht niemals ein großer Mann besser verstanden Eindruck auf die Massenseele zu machen; es war Napoleons ständige Sorge, sie zu beeinflussen. Von ihr träumte er bei seinen Siegen, in seinen Reden, seinen Abhandlungen, bei all seinen Taten – und noch auf seinem Totenbett träumte er davon.

      Wie macht man Eindruck auf die Fantasie der Massen? Wir werden es gleich sehen. Einstweilen sei nur gesagt, dass dieser Zweck nie durch den Versuch erreicht wird, auf Geist und Vernunft zu wirken. Antonius brauchte keine gelehrte Rhetorik, um das Volk gegen Cäsars Mörder aufzuwiegeln. Er las ihnen Cäsars Testament vor und zeigte ihnen seinen Leichnam.

      Alles, was die Fantasie der Massen erregt, erscheint in der Form eines packenden, klaren Bildes, das frei ist von jedem Deutungszubehör und nur durch einige wunderbare Tatsachen gestützt: einen großen Sieg, ein großes Wunder, ein großes Verbrechen, eine große Hoffnung. Sie pflegt die Dinge in Bausch und Bogen aufzunehmen und ohne jemals ihre Entwicklung zu beachten. 100 kleine Verbrechen oder 100 kleine Unfälle werden auf die Fantasie der Massen oft nicht die geringste Wirkung ausüben; wohl aber wird sie durch ein einziges unerhörtes Verbrechen, ein einziges großes Unglück­ tief erschüttert, wenn es auch viel weniger blutig ist als die 100 kleinen Unfälle zusammengenommen. Die große Influenza-Epidemie, an der vor einigen Jahren in Paris 5.000 Menschen innerhalb weniger Wochen starben, machte auf die Volksfantasie wenig Eindruck. Freilich wandelte sich diese Hekatombe im wahrsten Sinne nicht in einige sichtbare Bilder, sondern nur in die täglichen statistischen Berichte um. Ein Unglücksfall, der statt 5.000 nur 500 Menschenleben kostet, aber an einem einzigen Tage, auf einem öffentlichen Platz, in einem sichtbaren Geschehnis einträte, z. B. der Einsturz des Eiffelturms würde einen ungeheuren Eindruck auf die Einbildungskraft gemacht haben. Der mutmaßliche Verlust eines Ozeandampfers, von dem man irrtümlich glaubte, er sei auf hoher See untergegangen, erregte die Massenfantasie acht Tage lang außerordentlich. Die Statistik zeigt nun aber, dass in demselben Jahre 1.000 große Schiffe Schiffbruch erlitten. Aber um diese all­mählichen Verluste, die auf andre Art recht erhebliche Opfer an Menschenleben und Handelswerten forderten, kümmerten sich die Massen keinen Augenblick.

      Also nicht die Tatsachen als solche erregen die Volksfantasie, sondern die Art und Weise, wie sie sich vollziehen. Sie müssen durch Verdichtung – wenn ich so sagen darf – ein packendes Bild hervorbringen, das den Geist erfüllt und ergreift. Die Kunst, die Einbildungskraft der Massen zu erregen, ist die Kunst, sie zu regieren.

      4. Kapitel: Die religiösen Formen, die alle Überzeugungen der Masse annehmen

      4. Kapitel

       Die religiösen Formen, die alle Überzeugungen der Masse annehmen

      Wir haben gesehen, dass die Massen nicht überlegen, dass sie Ideen in Bausch und Bogen annehmen oder verwerfen, weder Auseinandersetzung noch Widerspruch dulden, und dass die Einflüsse, die auf sie wirken, den Bereich ihrer Vernunft gänzlich erfüllen und danach streben, sich sogleich in die Tat umzusetzen. Wir haben gezeigt, dass die entsprechend beeinflussten Massen bereit sind, sich für das Ideal zu opfern, dass man ihnen suggeriert hat. Wir haben schließlich festgestellt, dass sie nur heftige und extreme Gefühle kennen. Die Zuneigung wird bei ihnen schnell zur Anbetung, und kaum geborene Abneigung wandelt sich in Hass. Diese allgemeinen Merkmale lassen uns die Art ihrer Überzeugungen ahnen.

      Die nähere


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