Wohltöter. Hansjörg Anderegg

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Wohltöter - Hansjörg Anderegg


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in unserem Rechtssystem. 1997 wurde die ›UK Xenotransplantation Interim Regulatory Authority‹, kurz UKXIRA, gegründet. Dieses übergeordnete und unabhängige Gremium sollte alle Aspekte und Aktivitäten im Zusammenhang mit der Verpflanzung von tierischem Gewebe und tierischen Organen auf den Menschen untersuchen und koordinieren. Die UKXIRA hatte das letzte Wort bei Forschungsprojekten und Transplantationen. Das Gremium wurde allerdings im Dezember 2006 stillschweigend aufgelöst. Seither ist es praktisch den einzelnen Forschungseinrichtungen überlassen, an welche ethischen und medizinischen Richtlinien sie sich bezüglich Xenotransplantation halten wollen.«

      »Mit andern Worten, jeder macht, was er will«, schnaubte Rutherford.

      Chris wollte nicht glauben, was sie hörte. »Sie sprachen von Forschungseinrichtungen«, sagte sie unsicher. »Was bedeutet das aber für Spitäler und Kliniken? Führen die solche Transplantationen tatsächlich durch?«

      »Mir ist bisher nur ein Fall bekannt«, lächelte die Ärztin mit einem Blick auf den Toten. »Und der war nicht sehr erfolgreich. Nein, die klinische Anwendung ist nicht erlaubt. Wer diese Schweineniere einem ursprünglich gesunden jungen Mann eingepflanzt hat, gehört hinter Gitter, wenn Sie mich fragen.«

      Die Pathologin bedeckte den Toten wieder, warf die Gummihandschuhe in den Abfalleimer und packte Chris plötzlich am Arm. »Gilt unsere Verabredung noch?«, fragte sie lauernd.

      Der unerwartete Angriff warf Chris völlig aus dem Gleichgewicht, schnürte ihr die Kehle zu. »Welche Verabredung?«, wollte sie fragen, doch sie sah die Ärztin nur entgeistert an.

      »Sie wollten mir alles über sich erzählen«, flüsterte die Frau nahe an ihrem Ohr, bevor sie den Arm losließ.

      Der DCI wandte sich zum Gehen. »Wenn das alles ist, wir haben zu tun. Kommen Sie Sergeant.«

      Chris zwang sich, nicht aus dem Saal zu rennen. Draußen bedankte sie sich hastig bei ihrem Vorgesetzten. »Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist«, murmelte sie errötend. »Wir haben keine …«

      Rutherford lachte. »Vergessen Sie’s. Die spinnt, wenn Sie meine bescheidene Meinung hören wollen. ›Mad‹ Barclay verdient ihren Spitznamen zu Recht. Hat Detective Cornwallis Sie nicht gewarnt?«

      »Er hat etwas angedeutet. Mad also. Ich weiß nicht. Für mich sieht es eher aus wie der verzweifelte Versuch, der Einsamkeit der Leichenhalle zu entfliehen.«

      Der DCI schüttelte den Kopf. »Pathologen haben grundsätzlich nicht alle Tassen im Schrank«, grinste er. »Ich wundere mich, dass es stets genügend von der Sorte gibt.«

      Das verstand sie auch nicht. Pathologen wie Mad Barclay mussten ausgesprochene Materialisten sein. Für sie war ein toter Körper nichts weiter als eine schier unerschöpfliche Experimentiermasse. Aber vielleicht galt das auch für andere Mediziner und lebende Körper. Die Besprechung in Dr. Barclays Totenreich hatte jedenfalls eines deutlich gemacht: Sie konnten den Fall des Toten vom Hampton Pier nicht einfach als unaufgeklärten Unfall zu den Akten legen. Zurück im Büro besprach sie die Obduktionsergebnisse mit Ron. Sie hatte eine neue Aufgabe für ihren Partner.

      »Wir müssen die Transplantationszentren befragen. Können Sie das machen?«

      »Klar. Die Suche in der Vermissten-Datenbank hat bisher nichts ergeben, und bis die Resultate aus Canterbury vorliegen, wird es noch eine Weile dauern. Womit vertreiben Sie sich die Zeit, Sergeant, wenn ich fragen darf?«

      »Ich helfe der Kriminaltechnik«, schmunzelte sie. Auf den Sergeant würde er nicht so schnell verzichten.

      Der DCI saß in seinem Terrarium am Schreibtisch. Sie benutzte die Gelegenheit, klopfte an die Glastür und trat ein. Er schob den Bericht beiseite, an dem er gearbeitet hatte, und blickte sie fragend an.

      »Sir, Detective Cornwallis wird die 25 Kliniken befragen, die Nierentransplantationen durchführen.«

      »Wird zwar nichts bringen, aber es muss sein«, meinte er stirnrunzelnd.

      »Das fürchte ich auch. Ich war übrigens heute Morgen bei der Kriminaltechnik. War – ziemlich enttäuschend.«

      »Kein Vergleich mit dem BKA?«

      »Das habe ich nicht gemeint, Sir.«

      »Wollte ich Ihnen auch nicht raten«, grinste er. »Jonathan ist ein alter Freund von mir. Ich halte große Stücke auf ihn. Übrigens versteht er etwas von Kakteen.«

      »Was natürlich nicht zu unterschätzen ist«, spottete sie. »Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich zweifle nicht im Geringsten an der Kompetenz von Dr. Powers oder an der Qualität der Arbeit in seinem Labor. Das Problem ist, dass er zurzeit ein scheinbar unlösbares Problem hat.«

      Um Rutherfords Augen bildeten sich Lachfältchen. »Haben wir das nicht alle?«

      »Im Ernst, Sir. Seit dem Umzug funktionieren wichtige Apparate nicht mehr oder noch nicht. Das Labor verfügt nicht einmal mehr über ein Massenspektro …«

      »O. K., O. K.«, winkte er ab. »Was wollen Sie mir eigentlich sagen?«

      »Wir müssen die Materialproben extern untersuchen lassen, wenn wir in unserm Fall weiterkommen wollen. In diesem Zustand kann uns Dr. Powers Labor nicht weiterhelfen.«

      Rutherfords Reaktion überraschte sie völlig. »Warum sagt mir das der alte Bock nicht selbst?«, brauste er auf. »Scotland Yard ohne Kriminaltechnik. Das darf nicht wahr sein.« Er starrte eine Weile missmutig durch sie hindurch, dann begann er plötzlich zu schmunzeln. »Das scheint mir eine ideale Aufgabe für unsern Chief zu sein, meinen Sie nicht auch?«

      Sie hütete sich, zu antworten, obwohl sie ihm zustimmen musste. Für eine funktionierende Infrastruktur und reibungslose Abläufe zu sorgen, war eine ebenso edle Aufgabe des Managements, wie Beförderungsanträge abzulehnen.

      »Mager, in der Tat«, kommentierte er ihre Schilderung der Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung.

      »Eben. Ich meine, wir sollten wenigstens versuchen, die Herkunft der Kleidung und der Rost- und Lackspuren genauer einzugrenzen. Mit den geeigneten Geräten hätten wir in kurzer Zeit Gewissheit, nichts zu übersehen.«

      »Spart im Endeffekt Kosten«, nickte der DCI. »Auch das müsste der Chief einsehen.«

      Er hatte seinen Entschluss gefasst, gab ihr das O. K. für die externe Untersuchung und griff zum Telefon.

      Imperial College, London

      Das physikalisch-chemische Labor am Imperial College, das Dr. Powers empfohlen hatte, wirkte auf den ersten Blick nicht sehr vertrauenerweckend. Der Raum war zu klein und vollgestopft mit Instrumenten, deren Zweck Chris nur erraten konnte. Aber Gaschromatograph und Massenspektrometer funktionierten, wie ihr Powers Tochter Janice erfolgreich demonstrierte.

      »Wundert mich, dass Dad nicht dabei ist«, bemerkte Janice, während sie auf die Ergebnisse der ersten Probe warteten. »Sonst lässt er keine Gelegenheit aus, mich zu kontrollieren, wissen Sie.«

      Genau um dieses Vorurteil zu entkräften, hatte Powers sie allein geschickt. Vielleicht sollten die beiden öfter miteinander reden. Während sie Janice insgeheim beobachtete, bereitete sie die zweite Probe vor, ein handtellergroßes Stück der Jacke des Toten. Janice hatte sofort begriffen, was sie mit der Analyse erreichen wollte. Sie arbeitete schnell und konzentriert, beherrschte ihren Stoff und die Hightech-Werkzeuge. Dr. Powers brauchte sich wirklich keine Sorgen um seine Tochter zu machen. Der Apparat begann, das Ergebnis der Analyse auszudrucken. Chris atmete auf, als sie die ersten ›Peaks‹ sah, deutliche Ausschläge des Detektors. Entgegen ihren Befürchtungen war die Kurve, die das Spektrogramm darstellte, alles andere als flach. Janice hatte nicht zuviel versprochen. Ihr Gerät der neusten Generation vermochte auch metallische und metallorganische Atome und Verbindungen zu entdecken. Das war wichtig für die Untersuchung der Rost- und Farbspuren.

      »Ich kopiere das Ergebnis jetzt auf Ihren USB-Stick, ist das in Ordnung?«

      Chris nickte. »Ja, bitte. Den Abgleich mit den Referenzdaten muss ich im Büro machen.«

      Die


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