Innen wachsen – außen wirken. Julia Buchebner

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Innen wachsen – außen wirken - Julia Buchebner


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       Abschließend noch einige Fragen bzw. Gedankenanstöße:

      1 Gibt es dir wichtige Werte, die du eher im Berufsleben lebst, und andere, die dir privat oder in der Beziehung wichtiger sind? Wenn ja, was könnte dies für Auswirkungen haben?

      2 Bist du auf Werte aufmerksam geworden, die miteinander in Konflikt stehen?

      3 Hast du in der oberen Liste einen Wert entdeckt, den du gern noch mehr kultivieren würdest?

      4 Könnten manche deiner Werte eine nachhaltige Entwicklung behindern? Wie oder in welchen Situationen?

      c Das Wort ist ein Zungenbrecher :-), es beschreibt eine Art Gewinn- und Verlustrechnung in Bezug auf die eigenen Bedürfnisse.

      d Menschen mit biosphärischen Werten sind der Ansicht, dass die Natur geschützt gehört.

       3.2 Der Mensch, ein Herdentier

      Werte haben nicht nur Einfluss auf das Verhalten des Einzelnen, sondern bilden auch eine sinnstiftende Legitimationsgrundlage für die sozialen Normen und damit für ein geregeltes gesellschaftliches Zusammenleben an sich. Soziale Normen sind wie Standards, Leitlinien oder Grundsätze, nach denen eine Gesellschaft oder eine Gruppe von Menschen ihr Zusammenleben ausrichtet. Sie definieren, was die Gesellschaft von uns erwartet. Sie sind die ungeschriebenen Regeln, an die wir uns halten, weil wir dazugehören wollen. Soziale Normen sagen aus, wie erwünscht ein bestimmtes Verhalten ist und welche Meinung eine relevante soziale Gruppe über dieses Verhalten hat.

      Dieser Normierungsprozess beginnt schon im Kindesalter, wo uns relevante Werte und Normen über »Sozialisierungsinstanzen« wie etwa die Eltern, die Schule oder die Medien vermittelt werden. So erlernen wir bereits in jungen Jahren, dass man Bitte sagen soll, wenn man etwas möchte. Erhält man, was man will, so soll man dies mit einem Danke abgelten – so gehört sich das nun mal. Bitte und Danke zählen zu den ersten sozialen Normen, die wir hierzulande aufschnappen.

      Im Lauf unserer Entwicklung übernehmen und verinnerlichen wir die gesellschaftlichen Standards immer weiter und machen sie zu einem Bestandteil der eigenen Persönlichkeit. Je älter wir werden, desto höher wird die Anzahl an Normen, und als heranwachsende Menschen passen sich die meisten von uns immer mehr der Gesellschaft und ihren Regeln an. Im Erwachsenenalter wird dann schließlich von uns erwartet, dass wir die geltenden Normen kennen und auch beachten, sodass wir in der Öffentlichkeit nicht »unangenehm« auffallen. Mit Ausnahme kleiner Abweichungen sollen wir also den geltenden Standards entsprechen und mit dem Zeitgeist und seinen Normen mitschwimmen. Wie sagte es Albert Einstein einst so schön: »Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde zu sein, muss man vor allem ein Schaf sein.«

      Soziale Normen sind allgegenwärtig und wirken tief in uns. Wenn sie darüber hinaus durch soziale Kontrolle und Sanktionen wie Bestrafung oder Belohnung abgesichert sind, werden diese Normen und die dahinterliegenden, gesellschaftlichen Werthaltungen schnell zu einem Orientierungsrahmen für das eigene Verhalten. Denn wir wollen nicht aus der Reihe tanzen und schon gar nicht verurteilt oder ausgegrenzt werden! Stattdessen wollen wir anerkannt und geliebt werden und einfach nur dazugehören – weshalb wir uns mit der Zeit immer stärker an all die Normen der uns umgebenden Gesellschaft anpassen. Selbst wenn uns das nicht gefallen mag, macht uns genau das zu jenen Herdentieren, die wir eigentlich niemals sein wollten.

      Wenn wir noch einen Schritt weitergehen, findet die sogenannte Internalisierung von Normen statt. Davon spricht man, wenn sich jemand entsprechend einer Norm verhält, ohne dabei überhaupt noch an die Sanktionen oder Folgen der jeweiligen Norm zu denken. Wir spielen einfach das Verhalten ab, das wir seit jeher gelernt und von unseren Mitmenschen kopiert haben, ohne dies jemals infrage zu stellen. Wie ein automatisches Programm oder ein Autopilot, der uns durch das Leben lenkt. Damit erleichtern wir uns zwar den Alltag und ecken vermutlich bei anderen weniger an, gleichzeitig verlieren wir aber auch die Fähigkeit, einmal kritisch auf bestimmte Entwicklungen zu blicken. Dieses bequeme Verhalten beschneidet unsere Möglichkeit, den eigenen Lebensstil zu hinterfragen oder mutig einen neuen Weg einzuschlagen. Einen Weg, der vielleicht viel authentischer wäre und sich auch in unserem tiefen Inneren stimmig anfühlen würde.

       Soziale Normen und wie sie auf uns wirken

      Du kannst dir sicher bereits vorstellen, dass die sozialen Normen auch für die Nachhaltigkeit von beachtlicher Bedeutung sind. Beginnen wir unseren Diskurs dazu am besten in einer Umgebung, die wie kaum eine andere bekannt ist für ihre sozialen Regeln und Normen: in der Nachbarschaft.

      In einer Studie zum Thema Umwelt und Energie zeigte sich, dass der Vergleich mit der umliegenden Nachbarschaft einer der größten Motivationsfaktoren war, den Energieverbrauch im eigenen Haushalt zu reduzieren.52 Wenn die Menschen Informationen darüber bekamen, wie gut oder wie schlecht sie im Vergleich zu den anderen Haushalten in Sachen Energieverbrauch abschnitten, spornte sie das stark an, noch mehr Energie zu sparen. Erhielten die Leute hingegen nur Informationen darüber, wie viel Energie in kWh oder wie viel Geld sie selbst eingespart hatten, so fiel die Einsparung deutlich geringer aus.

      Ähnliche Ergebnisse lieferte ein anderes Experiment zum Thema Herdenverhalten und Nachhaltigkeit. Dabei wurde untersucht, mit welchen Botschaften Hotelgäste wohl eher umweltfreundlich agieren würden.53 Es zeigte sich, dass zum Beispiel ein Schild mit der Aufschrift »Die Mehrheit der Gäste verwendet ihre Handtücher wieder« effektiver war als der klassische Appell, man möge seine Handtücher bitte öfters verwenden. Am besten jedoch schnitten jene Botschaften ab, die das Gruppenverhalten der unmittelbaren und situativen Umstände miteinbezogen, wie etwa: »Die Mehrheit der Gäste in diesem Raum hat ihre Handtücher wiederverwendet.«

      Nicht nur im privaten Bereich eines Hotelzimmers, auch im öffentlichen Raum lässt sich dieses Verhalten nachweisen. So zeigte sich, dass auf öffentlichen Plätzen,54 wo schon viel Müll herumlag, die Menschen eher noch mehr Müll dazu schmissen als auf sauberen Plätzen. Die Stimme im Kopf sagt uns in solchen Fällen offenbar, dass es entsprechend der sozialen Norm wohl in Ordnung sei, seinen Dreck hier wegzuwerfen, da es die anderen ja ebenfalls tun. Umgekehrt bedeutet ein sauber gehaltener Platz, dass nichts weggeworfen werden darf, da die Leute hier ordentlich sind. Viktor Frankl scheint also recht zu behalten mit seiner These, dass Werte und Normen am besten vorgelebt werden sollten.

      Der Mensch und sein Verhalten als Herdentier sind mittlerweile sehr gut erforscht. Und wenn man sich aus dieser Forschung eine Sache merken möchte, dann die, dass wir die Konformität offenbar lieben, ob wir wollen oder nicht. Es sind neben unseren Eltern und prägenden Lebensereignissen vor allem die sozialen Normen, die einen zentralen Einflussfaktor auf unser Verhalten darstellen. Dies kann sowohl positiv als auch negativ genutzt werden.

      Den positiven Aspekt finden wir dann, wenn die jeweilige Norm sozial oder umweltfreundlich orientiert ist und man sich deshalb daran anpassen möchte. Ein Versuch: Häng doch an deinem Arbeitsplatz einfach mal einen Zettel auf den Kopierer mit der Aufschrift: »Zwei von drei Kollegen arbeiten papierlos.« Es sei dir versichert, dass du mit der Macht sozialer Normen eine Änderung im Papierverbrauch beobachten wirst.

      Einen weiteren positiven Aspekt der Konformität kann man erleben, wenn man sich gewissen Gruppen zugehörig fühlt und dadurch eine kollektive Überzeugung der eigenen Wirksamkeit generiert. Man identifiziert sich sozusagen mit den normativen Vorstellungen einer Gruppe, und diese Normen werden dann in bestimmte Verhaltensweisen übersetzt. Denken wir nur an die Umweltschutzbewegung »Extinction Rebellion«, »Fridays For Future« oder an »Black Lives Matter«. Ihnen allen liegt eine gewisse soziale Norm zugrunde, die die Gruppenmitglieder kennen und an die sie sich im Sinne einer positiven Zukunft auch zu halten versuchen.

      Auf der anderen Seite können tief sitzende und vom Mainstream bisweilen hochgehaltene Normen und Standards aber auch einen negativen Einfluss auf unser Verhalten ausüben. So hat man etwa festgestellt, dass junge Mädchen auf den Fidschi-Inseln drei Jahre nach Einführung des Fernsehens begonnen haben, sich stärker


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