DS-GVO/BDSG. David Klein
Читать онлайн книгу.4 Abs. 1 S. 2 BDSG vorgegebene Abwägungsentscheidung wird durch § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG ergänzt, wonach der Zweckbindungsgrundsatz aufgehoben werden soll, „soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist“. Damit wird dem Ziel, die Sicherheitsbehörden von den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Videoüberwachung durch öffentliche Stellen zu befreien, Rechnung getragen.[645]
6. Pflicht zur Löschung (Abs. 5)
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Die Pflicht zur Löschung gem. Abs. 5 stimmt mit der bisherigen Rechtspflicht nach § 6b Abs. 5 BDSG a.F. gänzlich überein. Eine konkret auf Videoüberwachung bezogene Regelung zur Löschung enthält die DS-GVO nicht. Die allgemeinen Löschpflichten nach Art. 17 dominieren diese Pflicht nicht. Für die Videoüberwachung wird in der Praxis überwiegend die Löschung nach § 4 Abs. 5 BDSG durchzuführen sein. Ob Material gesichert werden muss, soll und kann grundsätzlich innerhalb weniger Werktage (2 Tage) geklärt werden. Zugleich sind Konstellationen denkbar, in denen der Speicherzweck länger andauert.
1. Geldbuße
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Im Falle einer unzulässigen Videoüberwachung kommt gem. Art. 83 Abs. 1, Abs. 5 lit. a das nach der DS-GVO höchst mögliche Bußgeld in Höhe von bis zu 20 Mio. EUR „oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs“ in Betracht. Die maximal mögliche Bußgeldhöhe erscheint geboten, weil es einer unzulässigen Videoüberwachung an der Rechtmäßigkeit der grundsätzlich verbotenen Verarbeitung personenbezogener Daten mangelt. Ohne die Rechtmäßigkeit liegt ein unerlaubter schwerwiegender Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Da die Informationspflichten bei der Videoüberwachung nach BDSG der Auffassung der DSK nach nicht in Einklang mit denen nach Art. 12 ff. sind, ist nicht auszuschließen, dass dem Rechtsanwender in Deutschland bei ausschließlicher Einhaltung des BDSG eine Geldbuße droht.[646] Wegen des jedenfalls aus Sicht der deutschen Aufsicht bestehenden Normenkonflikts zwischen DS-GVO und BDSG wird die Praxis in eine unangenehme Situation mit möglicherweise teuren Rechtsfolgen gedrängt. Dass die auch von der Kommission bei der Notifizierung des BDSG unbeanstandete Nutzung der Öffnungsklauseln aus Art. 5 und 23 in § 4 BDSG tatsächlich europarechtswidrig ist, erscheint schon mit Blick auf deren weite Formulierung äußerst fraglich. Für die Praxis bleibt zu hoffen, dass diese Meinungsverschiedenheit zwischen behördlicher Aufsicht und Gesetzgeber nicht anhand eines Bußgeldes auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen wird. Falls doch, wäre in diesem Fall eine Amtspflichtverletzung der Datenschutzaufsicht wegen unzulässiger Nichtanwendung des BDSG zu erwägen.
2. Beweisverwertung
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Grundsätzlich dient die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume auch der Beweissicherung für die etwaige Aufklärung von Straftaten oder der zivilrechtlichen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.[647] Eine unzulässige Videoüberwachung kann inhaltlich ebenfalls ein Beweismittel darstellen. Fraglich ist nur die Zulässigkeit solch unbefugt erhobener Daten. So hat etwa das OLG Stuttgart die Nutzung von Aufnahmen aus unzulässiger Videoüberwachung durch Autokameras für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche in einem Fall bejaht.[648] Demnach wurden die Aufzeichnungen aufgrund einer Interessenabwägung „im konkreten Einzelfall tendenziell für verwertbar“ befunden. Das LG Rottweil hatte eine solche Verwertung nicht gestattet, weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Verhältnis zum Recht an der Beweisführung überwiegt.[649] Fraglich ist noch, wie die Abwägung bei der Aufklärung von Straftaten ausfällt. Gleichwohl führt der Versuch der Beweisverwertung zunächst zu einer Geldbuße aufgrund des Datenschutzverstoßes.[650]
§ 25 BDSG Datenübermittlungen durch öffentliche Stellen
(1) 1Die Übermittlung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen an öffentliche Stellen ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle oder des Dritten, an den die Daten übermittelt werden, liegenden Aufgaben erforderlich ist und die Voraussetzungen vorliegen, die eine Verarbeitung nach § 23 zulassen würden. 2Der Dritte, an den die Daten übermittelt werden, darf diese nur für den Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden. 3Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist unter den Voraussetzungen des § 23 zulässig.
(2) 1Die Übermittlung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen an nichtöffentliche Stellen ist zulässig, wenn
1. | sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist und die Voraussetzungen vorliegen, die eine Verarbeitung nach § 23 zulassen würden, |
2. | der Dritte, an den die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat oder |
3. | es zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist |
und der Dritte sich gegenüber der übermittelnden öffentlichen Stelle verpflichtet hat, die Daten nur für den Zweck zu verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden. 2Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist zulässig, wenn eine Übermittlung nach Satz 1 zulässig wäre und die übermittelnde Stelle zugestimmt hat.
(3) Die Übermittlung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 22 vorliegen.
Kommentierung
A.Einordnung und Hintergrund1 – 3
B.Kommentierung4 – 39