DS-GVO/BDSG. David Klein
Читать онлайн книгу.auf Grundlage der Öffnungsklausel in Art. 23[626] ein. Sie hält, namentlich mit Blick auf die Informationspflichten, Art. 12 ff. für anwendbar und definiert Mindestanforderungen für die Informationspflicht bei der Videoüberwachung, die weit über die nach § 4 BDSG hinausgehen.[627] Die praktische Umsetzung der Pflicht „zum Zeitpunkt der Erhebung“ – anders als nach BDSG zum „frühestmöglichen Zeitpunkt“ – dürften die Praxis, denkt man an Videoüberwachung von (Autobahn)tankstellen oder eine Kennzeichenerfassung bei der Einfahrt in Parkhäusern, vor Herausforderungen bis an die Grenze der praktischen Unmöglichkeit führen. Hervorzuheben ist allerdings, dass die DSK bei den Transparenzanforderungen im Rahmen einer Videoüberwachung, anders als in ihrem Kurzpapier Nr. 10 zur Dritt- und Direkterhebung[628]eine Art Medienbruch durch Aushang zulassen möchte. Das für Art. 13 originär maßgebliche Kurzpapier 10 lehnt eine weiterführende Information im Internet oder „auf dem Papierweg“ ausdrücklich ab.[629]
27
Rechtlich betrachtet handelt es sich bei der DSK um einen „losen Zusammenschluss“ der deutschen Aufsichtsbehörden ohne formale Konstitution oder gar Rechtspersönlichkeit. Es ist auch unklar, an wen eine kritische Eingabe zu DSK-Positionen zu adressieren wäre. Ob nationale Zusammenschlüsse von Aufsichtseinrichtungen nach Anwendbarkeit von Art. 68 im Rahmen des EDSA eine Rolle spielen werden, erscheint zweifelhaft und i.S. e. einheitlichen europäischen Rechtsanwendung auch fragwürdig. Auch wenn die vertretenen Auffassungen, anders als Positionen des Datenschutzausschusses, keine verbindlichen Interpretationen des Rechts enthalten, sind sie Vorschläge zur Rechtsanwendung aus Sicht der deutschen Aufsicht. Jedoch wird das Recht von ihr im Rahmen ihrer Zuständigkeit vollzogen und dient ihr möglicherweise auch als Leitschnur, bis zu einer möglichen Korrektur durch verbindliche Auffassungen des Datenschutzausschusses oder durch die Rechtsprechung.
4. Informationspflicht (Abs. 2 und 4)
28
Dem Grundsatz der Transparenz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten nach ist die Videoüberwachung unzweifelhaft für die betroffene Person transparent zu gestalten. Die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, werden dabei ganz besonders vom Transparenzerfordernis abhängen. Die dafür nach der DS-GVO maßgebenden Informationspflichten nach Art. 13 Abs. 1 und 2 sind jedoch nicht einschlägig.[630]
a) Vereinbarkeit der Informationspflicht mit der DS-GVO
29
Im Fall einer nach § 4 BDSG zulässigen Videoüberwachung wird das Recht der Betroffenen auf Informationserteilung aus Art. 13 beschränkt oder wenigstens modifiziert. Diese Beschränkung der Betroffenenrechte ist unter die entsprechende Gestattung zur Beschränkung nach Art. 23 zu fassen. In Art. 23 Abs. 1 lit. i ist das Ziel des Schutzes der betroffenen Person genannt, was wohl dem Ziel des § 4 Abs. 1 BDSG dient.[631] Es ist dem Bundesgesetzgeber nach Art. 23 möglich auch nur einzelne Informationspflichten zu beschränken, so wie es in § 4 BDSG geschehen ist.[632] Einer freiwilligen Informationserteilung, um etwa auch die Informationen gem. Art. 13 und/oder 14 bereit zu stellen, steht indes nichts entgegen. Solche zusätzlichen Informationen schaffen Rechtssicherheit. Im Umkehrschluss wird die ausbleibende Anwendung der Art. 13 und 14 bis zu einer abschließenden Klärung vorerst in jedem Fall keinen Bußgeldtatbestand auslösen, sondern zuvor müsste die zuständige Aufsichtsbehörde erst einmal die Informationspflicht gem. DS-GVO anordnen. Im Rahmen einer solchen Anordnung obläge es der Aufsicht dem Verantwortlichen Hinweise zu geben, wie der Informationspflicht nach Art. 13 und 14 abweichend von §§ 4 Abs. 2, 4 BDSG im konkreten Fall nachgekommen werden kann. Die umfassende Information des Betroffenen dürfte gerade im Falle der Videoüberwachung an die Grenze der Unmöglichkeit stoßen, weil sie dem Betroffenen zum Zeitpunkt der Erfassung durch die Kamera in einer den Anforderungen des Art. 12 genügenden Weise gegeben sein muss. Dies dürfte etwa bei videoüberwachten Tankstellen, auf deren Grundstück man zügig auffährt, zu erheblichen praktischen Problemen führen. Die Regelung des § 4 Abs. 4 BDSG beschränkt aufgrund der darin geregelten Zeitfolge ebenfalls die Informationspflichten gem. DS-GVO. Die nationale Regelung bleibt hinter den Anforderungen des Sekundärrechtsakts zurück.
b) Zeitpunkt der Information
30
Die gebotene Information auf eine Videoüberwachung soll nach § 4 Abs. 2 BDSG „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ gegeben werden. Die zu erteilenden Informationen müssen in der Regel bereitgestellt werden, bevor der Betroffene einen optisch-elektronisch überwachten Bereich betreten kann. Damit stimmt der Zeitpunkt zur Erteilung der gesetzlich geforderten Information nicht mit dem zur Wahrung der Informationspflicht nach Art. 13 überein. Fährt die betroffene Person mit ihrem Auto in ein Parkhaus am Flughafen, so muss sie vor der ersten Erfassung zumindest eine zumutbare Möglichkeit haben, von den Pflichtinformationen Kenntnis zu erlangen. Aus Sicht der verantwortlichen Stelle ist es als ausreichend zu betrachten, wenn es nur eine entsprechende Möglichkeit vor der Videoerfassung gibt. Zugleich lässt die offenere Formulierung in § 4 BDSG, anders als Art. 13 aber auch die Möglichkeit offen, die Information unter Umständen erst nach der Erfassung durch die Kamera zu geben. Dies wäre etwa denkbar, wenn im entsprechenden Einzelfall eine Information zum Zeitpunkt der Erhebung unmöglich erscheint, etwa weil bei Einfahrt in den Überwachungsbereich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten eine Information bei Datenerhebung unmöglich ist.[633]
31
§ 4 Abs. 4 BDSG schreibt die Informationspflichten nach Art. 13 und 14 erst dann vor, wenn durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet werden können. Damit besteht das Problem, dass die Zuordnung bereits eine weitere Verarbeitung nach der Aufnahme, die Erhebung im datenschutzrechtlichen Sinne, darstellt. Der Zeitpunkt der Information nach § 4 Abs. 4 BDSG lässt sich nicht mit dem Erfordernis in Art. 13 Abs. 1 und 2 („zum Zeitpunkt der Erhebung“) in Einklang bringen. Das deutsche Recht bleibt hier hinter den Anforderungen der DS-GVO zurück. Für den