DS-GVO/BDSG. David Klein
Читать онлайн книгу.target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_99b712db-b1b2-5764-b463-696fb79d5d5e">Art. 6 im Ergebnis spezifische Bestimmungen i.S.d. Art. 6 Abs. 3 S. 3 und steht in Einklang mit dem Unionsrecht. Nachdem der Bundesgesetzgeber sein Datenschutzrecht überarbeitet hat, dürften die Fragen im Zusammenhang mit Abs. 3 S. 3 und Abs. 2 praktisch deutlich in den Hintergrund treten.[598]
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Nach der Rechtsprechung des BVerwG dürften nationale Gesetze aufgrund des Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO Videoüberwachungen privater Verantwortlicher nicht regeln.[599] Das BVerwG sieht deswegen keinen Raum für eine künftige Anwendung des § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG für Videoüberwachungen privater Verantwortlicher. Die Zulässigkeit von Videoüberwachungen zu privaten Zwecken misst sich demnach an Art. 6 Abs. 1 lit. f. Danach muss die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sein, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Das zweistufige Prüfprogramm dieser Bestimmung entspricht jedoch demjenigen des § 6b Abs. 1 BDSG a.F.[600], welcher der Regelung des § 4 Abs. 1 BDSG als Rechtsnachfolgerin – bis auf minimale redaktionelle Anpassungen – entspricht. Die Verarbeitung ist erforderlich, wenn der Verantwortliche zur Wahrung berechtigter, d.h. schutzwürdiger und objektiv begründbarer Interessen darauf angewiesen ist. Eine nach diesem Maßstab erforderliche Verarbeitung ist zulässig, wenn die Abwägung in dem jeweiligen Einzelfall ergibt, dass berechtigte Interessen des Verantwortlichen höher zu veranschlagen sind als die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person. Somit besteht eine teleologische Kongruenz der Regelungen, die für die Rechtspraxis in aller Regel keinen Unterschied begründen können.
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Im Rahmen des Anwendungsbereichs des BDSG sind öffentliche Stellen (des Bundes) aber demnach unstrittig weiterhin befugt sich auf § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG als Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung zu berufen.
3. Zulässigkeit der Videoüberwachung (Abs. 1)
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Die Regelung der Zulässigkeit von Videoüberwachung in Abs. 1 stimmt mit der bisherigen Regelung nach § 6b Abs. 1 BDSG a.F. überein. Als Teil der allgemeinen Bestimmungen des BDSG regelt die Vorschrift die Rechtmäßigkeit dieser spezifischen Verarbeitung personenbezogener Daten.
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Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in Abs. 1 S. 1 abschließend aufgeführt, wie sich an dem ausdrücklichen Zusatz „nur“ erkennen lässt. Gleichwohl ist die Regelung im Sinne des Unionsrechts zu verstehen und damit in Einklang zu bringen. Das unmittelbar wirkende Sekundärrecht wird hier durch das die Zulässigkeitsgründe einschränkende „nur“ nicht vom BDSG EU-rechtswidrig verdrängt. Die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung basiert vielmehr auch auf der Rechtmäßigkeit gem. Art. 6.
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Zur Aufgabenerfüllung öffentlich zugänglicher Räume und zur Wahrnehmung des Hausrechts ist die Videoüberwachung zulässig.
a) Aufgabenwahrnehmung öffentlicher Stellen (Nr. 1)
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Die Aufgabenwahrnehmung öffentlicher Stellen ist unzweifelhaft als öffentliches Interesse einzuordnen und insofern von der Öffnungsklausel Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e i.V.m. Art. 6 Abs. 3 S. 1 erfasst und zwingend innerstaatlich zu regeln.[601] Die Videoüberwachung muss nur dazu beitragen, die den öffentlichen Stellen auferlegten Aufgaben abzusichern und zu unterstützen.[602]
b) Hausrecht (Nr. 2)
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Der Inhaber des Hausrechts[603] ist befugt, eine Videoüberwachung zur Verhinderung von Straftaten und sonstigen Vergehen durchzuführen. Damit soll das Hausrecht präventiv abgesichert werden.[604] Konkret handelt es sich hierbei um die Videoüberwachung des Inneren, das der Öffentlichkeit zugänglich ist. Dabei kann es sich z.B. um eine Hotellobby oder den Schalterbereich in einer Bank handeln. Die Zulässigkeit endet faktisch unmittelbar hinter den Mauern des privaten Grundstücks.[605] Rein private Videoüberwachung in den eigenen Räumlichkeiten, die nicht öffentlich zugänglich sind, regelt § 4 BDSG nicht.
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Der Zulässigkeitstatbestand Abs. 1 S. 1 Nr. 2 gilt auch für öffentliche Stellen.[606] In dieser Hinsicht ist die unionsrechtliche Ermächtigung für den Erlass mitgliedstaatlicher Regelungen offenkundig.[607]
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Bei der Überwachung von Rückzugsorten (Restaurants, Cafés etc.) durch nichtöffentliche Stellen ist die grundsätzlich gebotene Interessenabwägung von besonderer Bedeutung für die Zulässigkeit. Die normative Gewichtungsvorgabe in Abs. 1 S. 2 konkretisiert diese.[608] Damit kann die private Videoüberwachung zur Wahrung des Hausrechts möglicherweise auch Aufgabe des öffentlichen Interesses sein. Selbst für Rückzugsorte wie Restaurants oder Bars erscheint dies denkbar, sofern sich diese Vergnügungsstätten qualifizieren lassen. Es wird Aufgabe der Rechtsanwendung sein die Grenze zu ziehen, inwieweit eine Videoüberwachung durch private Stellen öffentliche Interessen erfüllt. Im Zweifel sollte eine Videoüberwachung allein auf Zulässigkeitsregelungen der DS-GVO gestützt sein.
c) Berechtigte Interessen (Nr. 3)
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Die Möglichkeit der Videoüberwachung „zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke“ ist allgemeiner gehalten, erfährt jedoch durch das konkrete Zweckerfordernis ihre Einschränkung. Konkretisierende Vorgaben für die Interessen enthält Abs. 1 S. 2, wonach der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit als besonders wichtiges Interesse gilt.
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Sämtliche Erlaubnistatbestände unterliegen der Voraussetzung, dass noch nicht einmal „Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen“. Die Vorgaben in Abs. 1 S. 2 hinsichtlich der legitimen Interessen sind dabei entsprechend zu berücksichtigen. Diese mit Abs. 1 S. 2 geschaffene normative Gewichtungsvorgabe für die weiterhin zu treffende Abwägungsentscheidung bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Videoüberwachung hat erst im Jahr 2017 Einzug ins BDSG a.F. gefunden.[609] Bei der gesetzlich vorgeschriebenen Interessenabwägung