Stolz und Vorurteil & Emma. Jane Austen

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Stolz und Vorurteil & Emma - Jane Austen


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zu treffen, als eine junge Dame wie Sie.«

      Und damit verbeugte er sich vor ihr und schritt würdevoll auf Darcy zu. Elisabeth beobachtete gespannt, was erfolgen würde. Darcys Erstaunen, als er sich plötzlich von einem wildfremden jungen Mann angeredet fand, war genau das, was sie erwartet hatte. Ihr Vetter sandte seiner Ansprache eine feierliche Verbeugung als Vorwort voraus, und obwohl sie keine Silbe vernehmen konnte, wusste sie genau, was gesprochen wurde; bisweilen glaubte sie, von den Lippen des Sprechers das eine oder andere Wort lesen zu können, wie ›Entschuldigung‹, ›Behausung‹ und ›Lady Catherine‹. Aber es ärgerte sie doch, dass ihr Vetter sich vor einem solchen Menschen derart bloßstellte. Darcy hörte ihn mit wachsendem und unverhohlenem Staunen an, und als Mr. Collins ihm schließlich Gelegenheit gab, etwas zu erwidern, tat er es mit einer Miene kühlster Höflichkeit. Mr. Collins ließ sich dadurch nicht entmutigen, und im Laufe seiner zweiten Rede verwandelte sich Darcys anfängliches Staunen in abweisende Verachtung; er nahm sich nicht einmal mehr die Mühe zu antworten, sondern wandte sich mit einem unhöflichen Kopfnicken ab und Mr. Collins kam zu Elisabeth zurück.

      »Mein Empfang hat mich auf das höchste befriedigt«, sagte er. »Mr. Darcy schien die kleine Aufmerksamkeit sehr zu schätzen. Er antwortete mit größter Zuvorkommenheit und machte mir sogar das Kompliment, dass er Lady Catherines Art zu gut kenne, um nicht zu wissen, dass sie ihre Freundschaft immer dem Richtigen zuwende. Ich muss sagen, ich finde das sehr freundlich gedacht. Ich bin sehr von ihm angetan.«

      Nun, da Elisabeths Aufmerksamkeit nicht mehr anderweitig abgelenkt wurde, konnte sie um so mehr auf ihre Schwester und Mr. Bingley achten; und was sie sah, stimmte sie fast ebenso fröhlich wie Jane. Sie schaute sie im Geiste schon als Frau in diesem Hause und so glücklich, wie eben nur eine wirkliche Liebesheirat einen Menschen zu machen vermag; unter solchen Umständen fühlte sie sich sogar bereit, Bingleys beide Schwestern gern zu haben. Sie sah auch die Gedanken ihrer Mutter dieselben Wege gehen, und sie nahm sich vor, ihr nicht zu nahe zu kommen, um nicht so viel davon hören zu müssen. Sie empfand daher den Zufall besonders tückisch, als Mrs. Bennet bei Tisch in ihrer unmittelbaren Nähe Platz nahm. Natürlich sprach ihre Mutter laut und angeregt zu ihrer Freundin Lady Lucas von nichts anderem als von ihrer Hoffnung, Jane in Bälde mit Bingley verheiratet zu sehen.

      Das Thema sowohl wie Mrs. Bennets Redefluss schienen unerschöpflich zu sein, während sie die Vorzüge einer solchen Partie einen nach dem anderen aufzählte und besprach. Zunächst dürfe man sich dazu gratulieren, dass er ein so reizender junger Mann sei und dazu noch so reich und dass er nur knapp drei Meilen von Longbourn entfernt wohne; und dann — sei es nicht sehr beruhigend zu wissen, dass seine beiden Schwestern Jane so tief in ihr Herz geschlossen hätten und die Verbindung mit nicht geringerer Freude erwarteten als sie, Mrs. Bennet, selbst? Weiterhin verspreche doch eine so vorteilhafte Heirat viel für die Zukunft auch ihrer jüngeren Kinder, indem sie dadurch natürlich leichter Gelegenheit finden würden, gute Partien zu machen. Und schließlich und endlich, wie sehr freue sie sich nicht darauf, ihre ledigen Töchter nun der Ältesten anvertrauen zu können, so dass es ihr selbst erspart bliebe, in ihrem Alter noch so häufig Gesellschaften geben und besuchen zu müssen! Diesen Punkt mit einem Seufzer der Erleichterung als besonders erfreulich hervorzuheben, gehörte bei einem solchen Anlass zum guten Ton; im übrigen gab es wohl keine Frau, ganz gleich welchen Alters, der die Aussicht, ruhig zu Hause bleiben zu dürfen, weniger Freude bereitet hätte als Mrs. Bennet. Sie schloss ihre Hymne mit den besten Wünschen, Lady Lucas möge bald von einem ähnlichen Glück sprechen können, wobei allerdings ihr Gesicht deutlich die siegesfreudige Überzeugung verriet, dass nichts sie mehr in Erstaunen versetzen würde.

      Vergeblich versuchte Elisabeth, den Wortstrom ihrer Mutter einzudämmen oder sie doch wenigstens zu veranlassen, ihr Glück in einem weniger hörbaren Flüsterton zu verkünden; denn zu ihrer größten Beschämung bemerkte sie, dass Darcy, der ihnen gegenüber saß, aufmerksam zuhörte.

      Ihre Mutter aber schalt sie nur, sie solle doch keinen Unsinn reden.

      »Wer ist denn Mr. Darcy, ich bitte dich, dass ich mich vor ihm in acht nehmen sollte? Ich bin der Meinung, dass wir ihm gegenüber in keiner Weise verpflichtet sind, darauf Rücksicht zu nehmen, was er hören will oder nicht.«

      »Um Himmels willen, Mutter, sprich doch bitte leiser! Was hast du davon, Mr. Darcy zu beleidigen? Seinem Freund wirst du dadurch nicht besser gefallen!«

      Aber sie konnte sagen, was sie wollte, nichts wirkte. Ihre Mutter gab ihren Ansichten und Hoffnungen weiter in der hörbarsten Weise Ausdruck. Elisabeth kam vor Scham und Ärger aus dem Erröten nicht heraus. Sie konnte es nicht lassen, hin und wieder zu Darcy hinüberzuschielen, obgleich ihr jeder ihrer Blicke bestätigte, was sie fürchtete; er sah zwar nicht immer zu ihrer Mutter hin, aber er schien mit größter Aufmerksamkeit auf ihre Worte zu lauschen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich allmählich von ärgerlicher Verachtung zu gefasster Ruhe.

      Zu guter Letzt jedoch fand selbst Mrs. Bennet nichts mehr zu sagen; und Lady Lucas, die schon lange innerlich gegähnt hatte, durfte sich endlich in Ruhe dem kalten Huhn und dem Schinken widmen.

      Elisabeth begann wieder aufzuatmen.

      Als nach dem Essen die Rede vom Musizieren war, ließ sich Mr. Collins also vernehmen: »Wenn ich die Gottesgabe besäße, singen zu können, würde es mir ein großes Vergnügen sein, den Anwesenden mit einem Liedchen zu dienen. Denn ich betrachte die Musik als eine sehr unschuldige Unterhaltung und in keiner Weise mit dem Beruf eines Geistlichen unvereinbar. Damit will ich jedoch nicht gesagt haben, dass wir zu viel unserer Zeit mit Musik hinbringen sollten; denn es gibt noch mancherlei anderes, das getan sein will. Ein Seelsorger ist Vater seiner Gemeinde und hat als solcher vielerlei Verpflichtungen. Zunächst muss er einmal dafür Sorge tragen, dass die Kirchenabgaben ihm selbst zum Wohl und seinem Patron nicht zum Ärger gereichen. Sodann hat er seine Predigten selbst auszuarbeiten. Und die Zeit, die ihm darüber hinaus noch bleibt, ist nicht allzu reichlich bemessen, wenn er seinen sonstigen Pflichten in der Gemeinde nachgehen und seinem Heim die notwendigen Verbesserungen angedeihen lassen will; denn es gibt keine Entschuldigung für ihn, wenn er sich nicht so wohnlich und gemütlich wie möglich einzurichten versteht. Auch erachte ich es für keine geringe Aufgabe, gegen jedermann ein liebenswürdiges und aufmerksames Betragen an den Tag zu legen, zumal denen gegenüber, denen er seine Stellung verdankt. Ich würde nicht viel von einem Menschen halten, der eine Gelegenheit versäumt, seine Hochachtung irgendeinem Mitglied der Familie seines Gönners zu erweisen.«

      Und mit einer Verbeugung gegen Darcy hin verstummte er endlich. Er war überall im Zimmer gut verständlich gewesen. Viele starrten ihn erstaunt an, viele lächelten; aber niemand schien sich besser unterhalten zu haben als Mr. Bennet, während seine Frau Mr. Collins ob seiner verständigen Worte lobte und Lady Lucas laut flüsternd mitteilte, das sei ein ungewöhnlich kluger, netter junger Mensch.

      Elisabeth kam zu der Auffassung, dass ihre ganze Familie sich verschworen haben musste, sich im Laufe des Abends so nachdrücklich wie möglich bloßzustellen. Ein Glück nur, Bingley schien wenig davon bemerkt zu haben. Dass aber seine beiden Schwestern und Mr. Darcy Gelegenheit hatten, über die Bennets zu lachen, war mehr als schlimm; Elisabeth wusste nur nicht, was sie mehr ärgerte, die schweigende Verachtung Darcys oder das unverschämte Lächeln der beiden Damen.

      Der Rest des Abends brachte kaum noch Erfreuliches. Mr. Collins, der ihr nicht von der Seite wich, fiel ihr auf die Nerven; und wenn es ihm auch nicht gelang, einen weiteren Tanz von ihr zu erhalten, so hinderte er sie doch, von jemand anderem gebeten zu werden. Es nützte nichts, dass sie ihn immer wieder ersuchte, eine der anderen Damen aufzufordern, mit denen sie ihn bekanntmachen wollte. Er versicherte ihr, dass ihm am Tanzen überhaupt nicht viel gelegen sei, sondern nur daran, ihr Gefallen zu gewinnen, und dass er daher vorhabe, sie nicht einen Augenblick allein zu lassen. Dagegen ließ sich leider schwerlich etwas sagen oder tun. Ihre einzige Erholung verschaffte ihr Charlotte Lucas, die sie wiederholt aufsuchte und gutmütig einen Teil von Mr. Collins’ Unterhaltung auf sich nahm.

      Wenigstens hatte Elisabeth nichts weiter von Mr. Darcy zu befürchten; obwohl er sich häufig in ihrer Nähe aufhielt, versuchte er doch nie, sie anzureden. Sie schrieb dies ihrem Gespräch über Wickham zu und freute sich darüber.

      Die Longbourn-Familie


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