Herausforderungen der Wirtschaftspolitik. Dirk Linowski

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Herausforderungen der Wirtschaftspolitik - Dirk Linowski


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10,36 Schweiz * 10,50 10,45 9,53 9,59 9,66 9,77 Süd-Korea *** 8,30 8,33 8,55 8,93 9,83 10,08 Taiwan *** 8,30 8,61 8,90 8,99 8,97 12,64 Türkei ** 15,70 17,22 17,93 18,66 16,40 16,83 Ukraine ** 10,30 9,52 9,62 9,60 9,45 10,49 Großbritannien * 12,10 12,26 12,29 10,65 10,67 10,78 Vereinigte Staaten * 12,50 13,66 13,83 13,82 14,16 14,14

      Tab. 2.2:

      Geburten pro 1.000 Einwohner in ausgewählten Ländern (CIA Factbook und laenderdaten.de)

      Legende:

      * EU, Norwegen, Schweiz, Russland, USA

      ** EU-Anrainer im erweiterten geografischen Sinne

      *** Ostasien

      In der Gesamtschau ist zu konstatieren:

      1 Die Geburtenanzahlen in den alten bzw. entwickelteren Ländern der Europäischen Union befinden sich überall auf niedrigem Niveau. Tatsächlich kann es aber für die Entwicklung der Altersverteilung und damit für die Zukunft eines Landes von entscheidender Bedeutung sein, ob sich die langfristige Geburtenrate z.B. bei 1,8 oder 1,5 stabilisiert.

      2 Die Geburtenzahlen der ost- und südosteuropäischen Mitglieder und Anrainer der EU (z.B. Ukraine, Weißrussland, Moldawien) befinden sich auf niedrigem Niveau. Vielfach sind die ohnehin seit Jahren niedrigen Werte weiterhin gesunken, was im Grunde eine hohe Migrationsbereitschaft jüngerer Menschen signalisiert. Die Anrainer im Mittleren und Nahen Osten sowie in (Nord-)Afrika haben sehr hohe Geburtenraten. Insbesondere aus Afrika besteht, wie nicht erst seit den Flüchtlingsbootsunglücken im Mittelmeer seit dem Frühjahr 2015 bekannt, Migrationsdruck nach Europa. Dies dürfte sich mittelfristig kaum ändern. UN-Prognosen gehen aktuell von einer Vervierfachung der afrikanischen Bevölkerung bis zum Jahr 2100 aus, begleitet von einem Verlust von ca. einem Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche, wobei eher unwahrscheinlich ist, dass beide Prognosen zugleich eintreffen werden können. Interessant ist der Rückgang der Geburtenrate in Äthiopien, der zumindest teilweise mit dem in westlichen Medien vielfach geschmähten „chinesischen Neokolonialismus“ in Verbindung steht. Tatsache ist auch hier, dass Frauen, die ihr eigenes Geld verdienen (in Äthiopien zumeist in der Textilindustrie chinesischer Firmen) und damit materiell unabhängig werden, weniger Kinder bekommen. Ob und inwieweit die seit Ende des Jahres 2020 anhaltenden bürgerkriegsähnlichen Zustände in Teilen Äthiopiens diesen Trend beeinflussen, bleibt abzuwarten.

      3 Die Geburtenzahlen in den entwickelten asiatischen Gesellschaften (Japan, Singapur, Taiwan, Südkorea) befinden sich qualitativ in etwa auf deutschem Niveau und damit unter EU-Durchschnitt. Dies wird insoweit zukünftig von Bedeutung sein, als die asiatischen Länder Südkorea, Japan und China (dessen Bevölkerungsstruktur sich durch die inzwischen aufgehobene Ein-Kind-PolitikEin-Kind-Politik, die Ende der 1970er Jahre eingeführt wurde, dramatisch verändert hat; s. Kapitel 13) sowie Deutschland zu den wichtigsten Industriestaaten der Welt zählen. Auf der anderen Seite stehen die demografisch relativ jungen USA mit niedrigen Rohstoff- und Energiepreisen und eigenen Energievorkommen (Stichwort Fracking) vor einer möglichen Reindustrialisierung.

      4 Nicht wirklich verstanden ist die Entwicklung der Spermien und der Zeugungsfähigkeit von Männern. In der Samenflüssigkeit der Männer der westlichen Welt befinden sich immer weniger Spermien, seit Ende der 1970er Jahre hat sich die Spermienanzahl pro Milliliter Samenflüssigkeit um etwa die Hälfte verringert.[21] Allerdings sind Faktoren wie die Beweglichkeit der Spermien und Fehlbildungen von Bedeutung; so sind Männer bei ihren Vaterschaften insgesamt deutlich älter geworden. Zu Südamerika, Asien und Afrika gibt es bisher keine statistisch eindeutigen Aussagen (vermutlich, weil die Untersuchungen zu teuer und/oder deren erwartete Ergebnisse politisch unerwünscht sind).

      Beachten Sie wiederum unbedingt, dass die o.g. Daten mit Stichtagsterminen korrespondieren, für die die Geburten pro 1.000 Einwohner angegeben wurden. Auch diese Jahresangaben sind zur Analyse der allgemeinen Geburtenentwicklung nur bedingt aussagekräftig. In Osteuropa brachen z.B. die Geburtenzahlen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion dramatisch zusammen, um sich später – inklusive „Nachholeffekte“ – wieder teilweise auf niedrigem Niveau zu erholen. Sie sind allerdings für die erwähnten ceteris paribus-Betrachtungen im Sinne von „Was wird passieren, wenn es so weiter geht?“ von herausragender Bedeutung.

      Selbsttestaufgabe:

      Vergleichen Sie die Fertilitätsraten für 2017 aus Tabelle 2.1 mit den Daten, die Statista für die EU-Staaten im Jahr 2019 zur Verfügung stellt und machen Sie Aussagen zu Kohärenz auf Plausibilität beider Datensätze.

      Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/200065/umfrage/geburtenziffern-in-ausgewaehlten-laendern-europas/

      Selbsttestaufgabe:

      Wichtige Informationen bezüglich des Geburtenverhaltens können aus der Altersverteilung bzw. vereinfacht dem Durchschnittsalter gewonnen werden, in dem Frauen ihr erstes Kind zur Welt bringen. Vgl. z.B. https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/F20-Alter-Muetter-bei-Erstgeburt-Deutschland-West-Ost-ab-1960.html

      Werten Sie die verfügbaren Informationen aus und versuchen Sie, diese einzuordnen.

      2.2 Altersverteilungen

      Die folgende „echte“ Bevölkerungpyramide – die man heute in dieser Form nur noch in sehr niedrig entwickelten Ländern wie z.B. Äthiopien findet – illustriert die Bevölkerungsverteilung im Deutschen Reich im Jahre 1910. Man kann beim Lesen vieler Medienbeiträge zum Thema Bevölkerungsverteilung oft den Eindruck nicht vermeiden, dass eine solche Verteilung, die u.a. viele junge potenzielle Arbeitskräfte und Konsumenten darstellt, wünschenswert sei.

      Tatsächlich implizierte eine Pyramidenstruktur aber bei den aktuell niedrigen Geburtenzahlen direkt, dass in jeder Alterskohorte viele Vertreter durch Krankheit o.Ä. ausscheiden – etwas, das wir nicht einmal zu wünschen wagen sollten. Eine „wünschenswerte“ Verteilung bei hoher Lebenserwartung sähe somit eher einem sich leicht verjüngenden Hochhaus mit einer Spitze in den sehr hohen Jahrgängen ähnlich. Die Pyramidenstruktur der deutschen Bevölkerung im Jahre 1910 ist hauptsächlich durch die hohen Geburtenraten während der davorliegenden


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