Herausforderungen der Wirtschaftspolitik. Dirk Linowski

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Herausforderungen der Wirtschaftspolitik - Dirk Linowski


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rel="nofollow" href="#fb3_img_img_cc4169e5-99bb-5845-a866-50baceade099.jpg" alt=""/>Bemerkung:

      In den modernen täglichen Sprachgebrauch wurde der Begriff Narrativ durch Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller eingeführt.

      Tatsächlich stellte aber bereits der große englische Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes fest, dass „einfache“ Menschen komplexe Themen gern durch Narrative, leicht verdauliche Miniaturtheorien, erklären. Diese nicht von diesen einfachen Menschen erdachten Theorien sind in der Tat oft interessengeleitet à la „die Wirtschaft“ ist an billigen Arbeitskräften interessiert bzw. (vermeintlich) moralisch überfrachtet. Oft ist das Narrativ allerdings einfach „nur“ dumm.

      Dass die Deutschen im Durchschnitt älter und auch größer, reicher und dicker geworden sind und über die vergangenen Generationen immer weniger Kinder bekommen haben, ist seit mindestens 40 Jahren bekannt. Ebenso ist die „Landflucht“ kein neues Phänomen. Gesellschaftliche Vorstellungen zu den daraus resultierenden Konsequenzen bezüglich eines „zeitgemäßen Lebensstils“ gibt es in Deutschland bisher allerdings nur in Ansätzen, diese vor allem in einigen ländlichen Räumen, die stark unter der Abwanderung junger Menschen in die Ballungszentren leiden. Diese demografischen Veränderungen verbunden mit der rasanten technischen Entwicklung, wichtigste Stichworte sind wiederum DigitalisierungDigitalisierung bzw. Digitale Transformation, sind direkt verbunden mit dem Entstehen neuer Risiken, auf die wir bisher immer noch kaum vorbereitet sind. (Konsultieren Sie hierzu z.B. die Studie der Münchener Rück „Megacities – Megarisks“ aus dem Jahre 2005).

      Eine Zwangsläufigkeit der Vergreisung und des Abstiegs Deutschlands in den kommenden zwei bis vier Jahrzehnten ist im Gegensatz zur dominierenden medialen Darstellung keinesfalls determiniert: Fast alle Prognoserechnungen basieren auf ceteris paribus-Bedingungen, die sich isoliert betrachtet kaum als realistisch erweisen dürften. Ferner wird, auch in den allgemein als seriös wahrgenommenen Medien, Bekanntes und Vermutetes oft durcheinandergebracht. So gehörte es bis Mitte des Jahres 2015 zum „Allgemeinwissen“, dass wir Deutschen mit 1,41 Kindern pro gebärfähiger Frau (vs. 2,1 Kinder pro Frau in Frankreich; dies entspricht ziemlich genau der Reproduktionsquote zur Bestandserhaltung einer menschlichen Population, s. weiter unten) am Ende der entwickelten Länder stehen und dass unsere akademisch gebildeten Frauen Geburten „verweigern“. Der medial bejubelte „Geburtensprung“ der letzten Jahre ändert die qualitative demografische Situation indes kaum.

      Tatsächlich wissen wir nicht, wie hoch die Geburtenrate der heute lebenden jungen Frauen sein wird: Diese kann erst nach Ende ihrer gebärfähigen Jahre ermittelt werden. Ebenso sind wir, wie oft behauptet oder suggeriert, bezüglich der Geburtenrate nicht „Weltschlusslicht“ unter den entwickelten Staaten, wie ein kurzer Blick nach Singapur, Japan, Südkorea oder Taiwan zeigt. Diese hoch entwickelten asiatischen Volkswirtschaften, die bis auf Singapur keine Migrationstradition haben, sind bereits im Begriff, „zu schrumpfen“: Wir können also, wenn wir das wollen, von ihnen lernen, wie eine Gesellschaft friedlich „zurückgebaut“ werden kann.

      Die Demografie bzw. das Verstehen demografischer Zusammenhänge ist ein hervorragender Ausgangspunkt, über Deutschlands Zukunft nachzudenken. Etwas im Medienstil ins Extreme versimplifiziert: Wollen wir in 30 Jahren ein Volk von 60 Millionen Menschen sein oder wollen wir durch Einwanderung das heutige Niveau von mehr als 80 Millionen Menschen halten?

      Nicht nur diese beiden Extremalternativen würden unsere Gesellschaft innerhalb von ein bis zwei Generationen substanziell verändern. Gesellschaften haben sich allerdings immer verändert: Wenn es Ihnen gelingt, sich mithilfe von Filmen oder Geschichten klarzumachen, wie die west- und die ostdeutsche Gesellschaft Mitte der 1970er bzw. Mitte der 1990er Jahre beschaffen waren, und Sie diese zwei oder vier Schnappschüsse neben das heutige Deutschland legen, wird Ihnen eine ungeheure Dynamik auffallen.

      Die German Angst – vergleichbare „Demografie-Diskussionen“ gibt es in unseren Nachbarländern (noch) nicht – kann durchaus zu produktivem Streit und Ergebnissen führen.

      Definition 2.1:

      Die Demografie oder Bevölkerungswissenschaft beschäftigt sich theoretisch und statistisch mit der Entwicklung von Bevölkerungen.

      Die Demografie wird in drei Hauptforschungsgebiete unterteilt:

      Definition 2.2:

      Die Fertilität ist die Geburtenhäufigkeit bzw. die Anzahl der Lebendgeborenen innerhalb einer (Teil-)Bevölkerung in einer bestimmten Periode innerhalb eines bestimmten geografischen Raums. Die Fertilität bezieht sich im demografischen Sinne nicht auf die grundsätzliche Fortpflanzungsfähigkeit, sondern auf die tatsächlich erfolgten Geburten.

      Definition 2.3:

      Die Mortalität bezeichnet das Verhältnis der Anzahl der Todesfälle innerhalb einer Periode zur (Gesamt- oder Teil-)Bevölkerung.

      Fertilität und Mortalität werden über Geburtenzahlen bzw. Sterbefälle, die in sogenannten Sterbetafeln ihren Niederschlag finden, statistisch dokumentiert.

      Wichtig ist hier zu verstehen, dass wir aus vergangenen „Zu- und Abgangsdaten“ die Kinderzahl der heute lebenden Frauen im gebärfähigen Alter und unsere Lebenserwartung nicht wissen, sondern nur schätzen können. Ersteres, weil viele dieser Frauen noch Kinder bekommen können. Letzteres, weil wir noch am Leben sind.

      Definition 2.4:

      Unter MigrationMigration versteht man eine spezifische Form räumlicher Mobilität von Menschen. Herkunft und Ziel der Migranten liegen in verschiedenen Regionen eines Lands (BinnenmigrationBinnenmigration) bzw. verschiedenen Ländern (internationale Migration). Die Definition und Messung letzterer ist somit an Nationalstaaten und nicht an Kulturkreise bzw. Staatenverbünde wie die EU gebunden.

      Als internationale Migranten gelten nur die Personen, die ihren Wohnsitz für eine bestimmte Mindestdauer oder für unbestimmte Zeit – eventuell für immer – ins Ausland verlegen. Damit ergeben sich unmittelbar Probleme bezüglich der internationalen Vergleichbarkeit: Die deutschen offiziellen Migrationsstatistiken erfassen z.B. bereits Ausländer mit lediglich dreimonatigem Aufenthalt, während in der Schweiz nur Personen mit mindestens zwölfmonatigem Aufenthalt als Migranten definiert werden. Einen noch anderen Weg gehen die USA: Dort können sich im Unterschied zu Deutschland Studierende und temporäre Arbeitskräfte über mehrere Jahre aufhalten, ohne offiziell als Migranten gezählt zu werden, dafür erfassen die US-amerikanischen Behörden auch illegal anwesende Personen ohne Aufenthaltsrecht.

      Abzugrenzen von der internationalen Migration ist die Binnenmigration, die ebenfalls kein neues Phänomen darstellt, aber seit einiger Zeit in den deutschen Medien vermehrt thematisiert wird: Hier handelt es sich in der Gegenwart überwiegend um Wanderungsbewegungen aus dem ländlichen bzw. kleinstädtischen Raum in die Großstädte bzw. Ballungsräume und damit praktisch um die langsame „Entvölkerung“ der ländlichen Räume, in denen die Zuzüge insbesondere junger Menschen die Abgänge (vulgo: den Tod) unterschreiten.

      Diese teilweise Entvölkerung ländlicher Gebiete, die mit einem vermehrten Zuzug vor allem junger Menschen in Ballungsräume wie München, Hamburg und Berlin korrespondiert (die fast die gesamte ostdeutsche Provinz, aber beispielhaft auch Teile von Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Nordbayern und Nordhessen trifft) ist bei Weitem kein deutsches Phänomen, wie Sie sich exemplarisch z.B. am Zentralmassiv in FrankreichFrankreich oder an weiten Teilen der baltischen Staaten klarmachen können. Ob und inwiefern die Corona-Krise diesen langjährigen Trend verlangsamt oder gar umkehrt – Argumente dafür gibt es in der Tat: Weniger Menschen im Raum, geringere Mietkosten, die Möglichkeit, weitgehend online zu studieren und in einigen Berufen auch im Homeoffice zu arbeiten – wird die


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