Die Ehebrecherin. Geri Schnell

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Die Ehebrecherin - Geri Schnell


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nicht daran zu denken, was in einem Monat geschieht. Werden die Schmerzen nochmal so stark sein?

      Die Flucht

      Die nächsten Tage sind für Masa die Hölle. Sie kann nur auf dem Bauch liegend schlafen. Auch die Verachtung der Familie schmerzt sie sehr. Ihr neues Gefängnis wird gut bewacht. Sie darf das Zimmer nur zum gemeinsamen Essen mit der Familie verslassen. Zur Verrichtung ihrer Notdurft muss sie sich durch Klopfen an der Tür bemerkbar machen. Ist niemand zuhause, hat sie für den Notfall einen Eimer im Zimmer, in den sie die Notdurft verrichten kann. Nach dem ersten Mal richtet sie es immer so ein, dass das Geschäft nach dem Essen erledigt werden kann, was auch bei der Familie besser ankommt, denn der volle Eimer riecht nicht angenehm.

      Am Tisch wird kaum gesprochen. Die Verachtung der Eltern ist allgegenwärtig. Sie hatten so grosse Hoffnungen in Masa gesteckt und gehofft, dass sie in eine angesehene Familie einheiraten könnte, doch das ist jetzt nicht mehr möglich. Es sieht ganz so aus, dass sie noch lange in ihrem Zimmer bleiben muss. Welcher Mann will schon eine Ehebrecherin heiraten?

      Nach einer Woche lassen die Schmerzen am Rücken nach. Gleichzeitig steigt ihr Hass auf ihre Familie. Sie ist von ihr sehr enttäuscht. Kein Mitgefühl, einzig die Verachtung ist allgegenwärtig.

      «Ich habe versucht», beginnt ihr Vater am Mittagessen an Masa gewandt, «dass die Strafe auf Bewährung ausgesetzt wird, bin aber nicht durchgekommen. Das Urteil bleibt bestehen. Der Prozess gegen Arif hat letzte Woche stattgefunden, das Urteil, eine Geldbusse und dazu noch die Kosten für den Anwalt. Ich habe Arif die Hälfte der Buse bezahlt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er verführt wurde und in milde bestraft. Zumindest zu meinem Bruder wird sich das Verhältnis normalisieren.»

      Masa könnte schreien vor Wut. Am Beginn der Rede ihres Vaters war sie gerührt, dass er sich für sie einsetzte, soviel hatte sie nicht erwartet, doch dann, wie er über das Urteil gegen Arif informiert. Das war ein weiterer Peitschenhieb für Masa. Ihrem Vater ist ein gutes Verhältnis zu seinem Bruder wichtiger, als das Wohlergehen seiner Tochter. Die zählt schon lange nichts mehr.

      Die nächsten Tage wurde bei Tisch nicht mehr gesprochen. Masa könnte ebenso gut tot sein, sie vermutet, dass die Familie sogar erleichtert wäre. Sie bleibt in ihrem Zimmer und der Hass, welcher sich ihn ihr aufstaut, wird immer grösser. Sie überlegt auch, ob sie sich das Leben nehmen soll. Weiss aber nicht wie.

      Nach zwei Wochen klopft sie an die Türe, sie muss dringend. Diesmal ist nur ihr Bruder zuhause. Die Eltern sind beide bei der Arbeit.

      «Wie geht es dir?», fragt Elin.

      «Dumme Frage», entgegnet Masa, «wie soll es mir schon gehen, das siehst du ja selber.»

      «Ja das sehe ich», meint Elin, «deshalb habe ich mir überlegt, ob ich dir zur Flucht verhelfen soll. Ich kann dich nicht so leiden sehen.»

      «Natürlich würde ich flüchten», entgegnet Masa, «nur wie soll ich das anstellen, nachher wird alles noch viel schlimmer.»

      «Ich könnte dich nachts mit dem Motorrad zum Strand fahren und dir ein Boot mit Essen bereitstellen, den Rest müsstest du selber durchstehen.»

      «Das würdest du für mich machen?», Masa ist über seinen Vorschlag überrascht, damit hat sie nicht gerechnet.

      «Ich denke, ich könnte es so planen», meint Elin, «dass es niemand bemerkt, dass ich dir geholfen habe und wenn, wäre es nicht schlimm, ich kann dich nicht länger leiden sehen.»

      «Ich liebe dich!», Masa ist froh, dass sie ihren Bruder nicht verflucht hatte, «alles ist besser als so weiterzuleben!»

      «Es ist gefährlich, wenn dich kein Schiff entdeckt und aufnimmt, wäre das dein Tod.»

      «Damit ist mein nächstes Problem gelöst, ich überlege die ganze Zeit, wie ich mich umbringen könnte. So weiterleben bringt nichts, da bin ich lieber Tod.»

      «Dann sind wir uns einig», meint Elin, «ich brauche einige Tage, um alles vorzubereiten. Benimm dich ganz normal, nicht dass die Eltern misstrauisch werden. Schlafe jetzt immer am Tag, damit du nachts hellwach bist.»

      «Danke», Masa umarmt ihn, «ich hoffe, dass es gelingt und wenn nicht, ist eh alles aus.»

      Vier Tage später öffnet Elin mit dem Nachschlüssel, welchen er sich beschafft hat, die Türe zum Zimmer von Masa. Die wartet bereits hinter der Türe und schlüpft durch. Elin schliesst die Türe sofort wieder und die beiden verlassen geräuschlos die elterliche Wohnung. Es ist eine dunkle Nacht. Der Mond ist noch nicht aufgegangen. Das einzige Problem könnte der Hund der Nachbarn sein. Elin erwartet, dass er kurz angibt, aber das kommt regelmässig vor. Wichtig ist, dass er sich schnell wieder beruhigt.

      Das Motorrad hat Elin rund zwei Kilometer vom Haus entfernt abgestellt. Erreichen sie das Motorrad, ohne dass jemand Alarm auslöst, ist das Schlimmste überstanden.

      Der Hund knurrt nur kurz. Elin kann ihn beruhigen, er kennt seine Stimme und beruhigt sich sofort wieder. Nun eilen die Zwei durch die Nacht. Noch immer vorsichtig jede Deckung ausnützend. Endlich zieht Elin das Motorrad aus seinem Versteck und startet es. Masa springt auf und klammert sich an Elin und schon geht es los.

      Auf der Fahrt zu Hafen erwarten sie keine Probleme. Es gibt wenig Verkehr, dass ein Motorrad zum Hafen fährt, ist um diese Zeit nicht aussergewöhnlich, das fällt niemandem auf.

      Elin lenkt das Motorrad am Hafen vorbei und fährt den schmalen Weg, welchen die Badegäste benutzen, der Küste entlang. Kurz bevor der Weg endet, hält er an. In der kleinen Bucht, ganz in der Nähe des verhängnisvollen Strands, erreichen sie das Meer.

      Versteckt hinter einem Felsen zieht Elin das kleine Boot aus dem Versteck. Es gehört einem Mann aus Riad, welcher ab und zu hierher zum Fischen kommt. Elin weiss, dass er diesen Monat nicht kommt und so ist niemandem aufgefallen, als er das Boot gestern Nacht aus dem Hafen gefahren und hinter dem Felsen versteckt hatte. Die Vorräte wurden schon während drei Tagen heimlich auf das Boot gebracht, es ist alles gut vorbereitet. Ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr.

      Elin hilft Masa auf das Boot und erklärt kurz, wie sie damit umgehen muss. Das Boot hat einen schwachen Motor. Elin hat keine Ahnung, wie lange das Benzin reicht.

      «Wenn du auf dem Meer draussen bist, schalte den Motor aus und zieh an diesem Seil das Segel hoch. Es sind keine starken Winde angesagt, du wirst es schnell lernen, wie du mit dem Segel umgehen musst.»

      «Danke für alles», Masa umarmt ihren Bruder und beeilt sich, den Motor zu starten. Sie dürfen keine Zeit verlieren. Elin muss rechtzeitig wieder zuhause sein.

      Der Motor startet und Elin hilft noch das Boot ins Meer zu schieben. Der Motor ist leise und es ist um diese Zeit niemand so nahe, dass er den Motor hören könnte. Noch einmal kurz winken, dann ist Masa auf sich allein gestellt.

      Als sie keine Lichter mehr sehen kann, stellt sie den Motor ab und lässt sich treiben. Nun ist sie allein, ein Zurück gibt es nicht mehr, denn dann würde sie beschuldigt, wegen der Strafe geflohen zu sein. Nicht auszudenken, wie der Kadi dieses Vergehen ahnden würde.

      Masa legt sich hin. Elin hat eine Art Bett vorbereitet. Doch zum Schlafen ist sie zu aufgeregt. Die letzten Tage vor ihrer Flucht hat sie sehr viel geschlafen, sie braucht jetzt keinen Schlaf.

      Wie geht ihr Leben jetzt weiter? Sie wagt nicht daran zu denken. Das Einzige was feststeht ist, dass es ihr bisheriges Leben nicht mehr gibt. Sie weint ihm keine Träne nach.

      Sie muss dann doch eingeschlafen sein. Beim Aufwachen liegt sie im schaukelnden Boot und schaut auf die Plane, welche über der Liege gegen die Sonne aufgespannt ist. Die Sonne steht schon hoch am Himmel. Vermutlich hat sie sehr lange geschlafen. Langsam wird ihr bewusst, auf welches Abenteuer sie sich da eingelassen hat. Soweit ihr Blick reicht, alles nur Wasser. Zum Glück ist das Meer ruhig. Sie trinkt etwas Wasser aus dem Kanister, dann geht sie nochmals die Ratschläge von Elin durch, die er ihr mit auf die Reise mitgegeben hatte. Das Segel ist unter der Bank deponiert, nun versucht sie es hochzuziehen. Nicht so einfach, doch


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