DIE LETZTE KUGEL. Paul-Heinz Schwan

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DIE LETZTE KUGEL - Paul-Heinz Schwan


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paar stamm dorf stadt

      die nie vollständig bedachten

      nie vollständig ausgelegten

      innenweltschöpfungen

      geheimnisse der raumproduktion

      in dem von außen so viel

      als nötig nach innen

      äußeres soviel wie möglich

      vom herd des guten lebens

      fernzuhalten ist

      dazu kommen bilder von abwesende

      die integeres wohnen ermöglichen

      sammlungen von dingen verraten

      den menschen als das tier

      dem etwas fehlen kann

      kultur ist überreaktion auf absenz

      leerstellen werden wiederbesetzt

      ergänzungszwänge runden innenwelten ab

      der endoklimatische nestbau

      geht allen konstruktionen voran

      das ursprüngliche menschheitsrisiko

      eine klimakatastrophe

      alles hängt an der gunst

      binnenklimatischer umstände

      einem kontinuum von selbstverwöhnung

      auch unter härte schwere und misslingen

      menschen wohnen in ihrer verwöhnung

      die bilanz als homo sapiens

      erfolgsgeschichte eine anwachsende nervlichkeit

      und symbolvermittelte luxurierende selbsterregung

      alles vor dem hintergrund

      erbarmungsloser selektionsfatalitäten

      ausmerzung und scheitern

      als regel

      das blasenbild

      evoziert die zerbrechlichkeit

      menschlicher räume

      und doch:

      selbstbergung im

      selbsterzeugten raum

      eine unaufhörliche

      sphärenschaffende regung

      eine regenerationsfähige hülle

      wiederbeseelender solidarität

      wird den auflösenden angreifern

      entgegengesetzt

      ein ewiger kampf

      um das integere

      integrierende treibhaus

      wie ist es möglich

      das nicht alles vom wind verweht

      wurde

      und es noch immer

      große sphären gibt

      als keine?

      Zugang: Anthropisches Klima

      Über diesen Band steht:

      „Wir laden Sie ein, zur Expertenkonferenz über die inneren Angelegenheiten der Epizentriker. Es möge eintreten, wer sich traut, sich den unvermeidbaren, wandlosen Treibhäusern der menschlichen Nähe-Beziehungen -portable oder fest- vorbehaltlos zu nähern. Ein gesondertes Grund- oder Aufbauwissen ist nicht erforderlich, da bereits jeder den Kompass dazu in sich tätowiert mitführt.

      Wer sich umfassender vergewissern möchte, lese unbedingt Band I.“

      Auch die Individuen wie die selbstergänzenden Alleinlebenden die ihre Außenkontakte (Adressen, Netzwerke) pflegen, sind ohne Differenz und Aber, auf das fördernde Mikroklima ihrer frühen Binnenwelten angewiesen.

      Nur in ihm, als seine typischen Gewächse, geraten sie zu dem, was sie zu ihrem Besten und Schlimmsten sein können. Hier sammeln sie einen Vorrat schöpferischer, ambivalenter, destruktiver Grundstimmungen oder gefühlshafter Vorurteile über das Seiende im Ganzen an, die sich beim Übergang in größere Szenen beharrlich geltend machen.

      Sie kommen in die Arena mit dem frühesten an Urteilskraft, dem Atmosphärengefühl,

      ausgestattet. Es ist ursprünglicher als der oral-intime Sinn, der Geschmack, und öffentlicher als dieser zugleich. Der Raum als Atmosphäre ist noch nicht mehr als Schwingung, aber schon die „Amme des Werdens“.

      Das Klima, die Stimmung, die Atmosphäre, das ist die Dreifaltigkeit des Umgreifenden, in dessen anhaltender Offenbarung die Menschen immer und überall leben, ohne das man sagen dürfte, dass es zu diesen Epiphanien eine Botschaft und ein Überbringer gehörten.

      Von der alt- und neu-europäischen Vernunftkultur wurde diese dritte Größe – neben Wörter und Dinge, sträflich beiseite gelassen. Das es etwas gibt, was weiträumiger, früher, durchdringender als beide, haben sie nicht wahrhaben wollen. Außer Heidegger und Herman Schmitz in der Neo-Phänomenologie, sind die Versuche bis heute eher Randgebiete.

      Wenn die Saite der Existenz in einem Individuum sich spannt, so schwingt sie in der Klangfarbe einer Stimmung oder eines prägenden Klimas.

      Stimmungen bilden sich als geteilte Atmosphären zwischen mehreren, die den Nähe-Raum füreinander tönen und einräumen. Er entsteht durch die Summe unserer Aktionen aufeinander und unserer Leiden aneinander. Daher bleibt für die meisten Menschen ihr Beziehungswetter wichtiger als Politik und „Hoch“-kultur.

      Die Menschen wohnen in ihren Verwöhnungen, was meint, in der Verfeinerungs-dynamik lokaler Kulturen und Individuationen. Sie schwingen in ihrem Eigen-Gerede als der basal klimabildenden Funktion von Gesellschaften. Die Theorie erkennt dies spät, nachdem die Gruppen bereits auseinandergefallen und soweit ausdifferenziert sind, dass von Einheit keine Rede mehr sein kann.

      In trivialen Orts- und Innenraumwörtern wie Nest, Zimmer, Höhle, Hütte, Haus, Herd, Halle, Dorf, Familie, Paar, Stamm, Stadt, verbirgt sich für immer ein Rest an Ungedachtem, das weitergeträumt zu werden verlangt.

      Als evolutionärer Bilanz ist die Existenz von homo sapiens nur als Erfolgsgeschichte anwachsender Nervlichkeit und symbolvermittelter luxurierender Selbsterregung zu begreifen. Deren Erfolgslinien heben sich ab vor einem Hintergrund erbarmungsloser Selektionsfatalitäten, in denen Ausmerzen und Scheitern die Regel sind.

      Seit jeher sind die Menschen engagiert in dem Vorhaben, so viel wie nötig von dem was außen begegnet, nach innen zu ziehen und soviel Äußeres wie möglich vom Herd des guten Lebens fernzuhalten.

      Ist Kultur nicht insgesamt die Überreaktion auf Absenz? Leerstellen werden wiederbesetzt, als dulde der Fülle-Raum keine dauernden Vakanzen.

      Durch den Ergänzungszwang werden Innenwelten der Selbstrundung wieder- genährt. Weniger als eine gerundete, innenraumgebende Kugel kann dabei nicht genügen.

      Allen Niederlagen und Zerstörungen zum Trotz, gibt es offensichtlich eine regenerationsfähige Hülle von wiederbeseelender Solidarität, die auflösenden Angriffen, so lange es irgend geht, ihre schöpferischen Wiederstände entgegensetzt.

      Es ist immer ein Kampf um das integre und integrierende Treibhaus.

      Der Band II versucht eine Antwort auf die sich dabei aufdrängende Frage: Warum gibt es noch immer eher große Sphären als keine?

      poetisch kapitel 1 aufgang der fern-nähe

      der thanatologische raum die paranoia der reichsfrieden


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