Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange

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Die Faehlings - eine Lübecker Familie - Eckhard Lange


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doch schon häufiger Fische zubereitet.

      Es mochte wohl eine Stunde gedauert haben, bis die beiden Slawen den letzten Fisch verkauft hatten und Rastislav auch mit einem Tuchhändler um den Preis einig geworden war. Er trug den Stoff vorsichtig zu seinem Kahn, während Duscha noch einen Augenblick bei einem Bernsteindreher stehen blieb und die Rosenkränze bestaunte, die er auf einem Tuch vor sich ausgebreitet hatte. Sie wusste nicht, wofür sie in Wirklichkeit dienten, doch eine schöne Halskette wären sie allemal. Alf sah ihren sehnsüchtigen Blick, und wieder wünschte er, jetzt etwa Geld in der Hand zu haben, um diesem fremden Mädchen einen Rosenkranz zu schenken – auch wenn das nun wirklich ungehörig gewesen wäre. Doch da rief der Vater, Duscha wandte sich rasch ab und hüpfte sehr kindlich zum Ufer hinunter. Alf blickte hinter ihr her, und irgendwo in seinem Brustkorb fühlte er ein heftiges Klopfen. Was es war und warum es gerade jetzt spürbar wurde – er wusste es nicht. Aber er beschloß, von nun an noch häufiger den Hafen aufzusuchen, wenn sein Vater ihn nicht in der Schmiede brauchte.

      Bald hatte er herausgefunden, dass der Fischer meist zweimal in der Woche in den Hafen kam, in jedem Fall aber am Freitag dort erschien, denn für diesen Tag, der an die Kreuzigung des Herrn erinnerte, galt das Fastengebot. Fleischgenuß war dem Gläubigen untersagt, Fisch dagegen erlaubt. Das hatte auch Rastislav bemerkt und bot daher seinen Fang gern an diesem Wochentag an. Nicht immer begleitete ihn seine Tochter, und manches Mal wartete Alf vergeblich. Aber auch wenn er sich möglichst abseits hielt, Duscha war aufgeweckt genug, den jungen Mann mit dem rötlich-blonden Haar zu entdecken, und sie bemerkte wohl, dass er ihretwegen zum Hafen kam, hatte er doch offensichtlich keine Arbeiten dort zu verrichten, sondern stand nur da und schaute zu ihr herüber. Manchmal trafen sich dann ihre Blicke, und Duscha konnte sich dann ein spitzbübisches Lächeln nicht verkneifen.

      Dennoch dauerte es einige Wochen, der Herbst zeigte sich bereits von seiner feuchtkalten Seite, bis Alf zögernd auf das Mädchen zuging und die Hand in den Beutel steckte. Stumm zeigte er auf den Fisch, der gerade zuoberst im Korb lag, und stumm wollte er, ohne zu feilschen, den genannten Preis zahlen. Aber Duscha sah ihn herausfordernd an, da wagte er eine Frage: „Wo kommst du her?“ Sie zeigte den Fluß hinauf: „Wo die Wochenitze in die Trave mündet, liegt unser Dorf. Und du?“ Das war ein deutliches Zeichen, dass sie das Gespräch fortsetzen wollte. „Wir wohnen dort oben, dicht an dem großen Markt.“ Und er fügte rasch hinzu, damit sie noch ein wenig neben ihm bleiben würde: „Mein Vater ist der Schmied.“ „Daß mein Vater Fischer ist, hast du ja wohl bemerkt, so neugierig, wie du uns immer zuschaust.“

      Das war eine kecke Bemerkung diesem Fremden gegenüber, der zudem noch ein Deutscher war, aber als sie sah, dass er rot wurde, fasste sie Mut, ihn noch weiter zu necken: „Du scheinst nicht viel zu tun zu haben, wenn du so oft hier herumstehst.“ „Oh, ich helfe dem Vater oft in der Schmiede, aber manchmal gehe ich auch zum Hafen hinunter, um den Schiffsleuten zuzuschauen.“ Jetzt wagte Duscha ein leises Kichern: „Und den Fischern, nicht wahr?“ Alf trat verlegen hin und her und wäre am liebsten fortgelaufen, aber er blieb, auch wenn ihm keine Antwort einfiel. Dabei hätte er so gerne etwas witziges gesagt.

      Duscha erlöste ihn: „Du musst den Fisch ordentlich waschen,“ sagte sie ernsthaft, als würde sie einer Hausfrau einen guten Rat mit auf den Weg geben, „sonst schmeckt er nach dem Modder, in dem wir ihn gefangen haben.“ „Du gehst auch auf Fang?“ fragte Alf erstaunt. „Mit der Angel und auch mit dem Netz, vom Ufer aus und auch mit dem Kahn,“ sagte sie stolz, um dann wieder scherzhaft anzufügen: „Du kannst doch sicher auch schon Nägel schmieden!“ „Aber ich bin älter als du,“ sagte er ein wenig beleidigt, „ich bin schließlich sechzehn.“ „Und ich bin zwölf – noch sieben Wochen lang. Dann darf ich auch das Stirnband und die Schläfenringe tragen wie alle erwachsenen Frauen. - Und dann kann ich auch heiraten,“ fügte sie unbedacht hinzu und bereute diesen Satz sofort. Aber der junge Mann sagte nichts, sondern blickte nur stumm auf den Fisch in der Hand. „Ich muß jetzt gehen,“ brachte er endlich hervor, „die Eltern warten auf den Fisch.“ Duscha nickte: „Vergiß nicht, ihn zu waschen!“ Dann griff sie nach ihrem Korb und wandte sich zum Gehen, der Vater schaute schon argwöhnisch herüber.

      „Sehen wir uns wieder?“ fragte Alf leise. Das Mädchen blickte noch einmal über die Schulter hinweg zurück: „Du weißt doch, wann wir immer in den Hafen kommen, oder?“ Und dann hörte er zum ersten Mal ihr Lachen, und es klang für ihn wie – ja wie das Zwitschern eines Vogels im Garten. Und da war auch wieder dieses Herzklopfen, das er sich nicht erklären konnte. Doch als er den Weg hinaufging, begann er auf einmal zu pfeifen. Und es kümmerte ihn wenig, dass die Frau seines Vaters erstaunt aufblickte, als er ihr den Fisch hinhielt.

      *

      Der Winter kam mit einem ersten Schneesturm, auf den Pfützen bildete sich eine Eisschicht, und langsam froren auch die Ränder der Trave zu. Der Fischer erschien jetzt nur noch selten am Hafen, und er kam allein, denn es gab nur wenig zu verkaufen. Alf ging nun nicht mehr zum Hafen hinunter, außerdem musste er dem Vater helfen, im Wald Holz zu schlagen, denn Herd und Esse brauchten die Glut. Langsam lichtete sich der Buchenwald auf dem Werder, sie mussten bereits weiter nach Süden ausweichen, dorthin, wo der Priester Rudolf seine hölzerne Kapelle hatte. Noch war sie nicht geweiht, denn das Wagrierland hatte schon lange keinen Bischof mehr, der das tun müßte. Aber zur Messe konnten sich die Siedler dort trotzdem versammeln, denn die versprochene Kirche oben auf dem Markt ließ noch auf sich warten.

      Dietmar und sein Sohn hatten vor dem Altar ein Vaterunser gebetet, und der Vater war dann mit einem Schlitten aufgebrochen, um das eingeschlagene Holz vor Einbruch der Dunkelheit auf den Hof zu bringen. „Ich schau mich nur ein wenig um, ob es hier noch Eichen gibt,“ hatte Alf noch gesagt, und der Vater hatte nur genickt. Die tief stehende Sonne war wieder einmal zwischen den dunklen Schneewolken hervorgekommen, und in ihrem Licht marschierte Alf weiter südwärts, bis der Wald zurücktrat und der Junge über verschneite Felder hinweg auf einige Hütten blickte, die oberhalb der zugefrorenen Wochenitze standen. Dort musste das Mädchen und sein Vater wohnen, da war er sich sicher. Er lehnte sich an einen Stamm und schaute hinunter. Durch die Schilfdächer drang Rauch, zwei kleine Jungen spielten auf dem Dorfplatz und bewarfen sich mit Schneebällen, sonst war niemand zu sehen.

      Ich weiß noch nicht einmal, wie sie heißt, dachte er, und doch war sie ihm so vertraut wie sonst nur der Vater. Einige Male hatten sie sich in diesem Herbst noch gesehen, und er hatte es gewagt, sie anzusprechen, auch wenn er keine Fische kaufen konnte. Doch nun war Winter, der Hafen lag wie schlafend, die Seeleute hatten die Schiffe aufs Ufer gezogen, die Masten niedergelegt und die Riemen gesichert. So war auch der Fischer endgültig fortgeblieben.

      Irgendwo da unten wird er seine Hütte haben, dachte Alf, und unter einem dieser Dächer würde jetzt auch das Mädchen am Herdfeuer sitzen. Ob sie nun schon das lange Gewand trägt, ihr schönes Haar unter der Haube verbirgt und mit Stirnband und Schläfenringen schmückt? Und ob die Eltern schon einen jungen Mann ausersehen haben, den sie nun bald heiraten wird? Alf schluckte bei diesem Gedanken, irgendwie machte er ihn traurig.

      Eine Weile noch schaute er auf die fernen Hütten, doch niemand wollte sich auf dem Dorfplatz zeigen. Die Sonne war wieder hinter den Wolken verschwunden, ein leichter Schneefall setzte ein, es dämmerte. Da wandte sich Alf um, stapfte durch den Schnee an der Kapelle vorbei auf die Höhe des Hügelrückens hinauf und folgte dann der breiten Schneise, auf der im Sommer die Trecks der Fernhändler heranzogen, zu dem weiten Platz, der einmal Markt werden sollte, und zu dem Haus, das sein Vater dort errichtet hatte. Er war froh, dass Dietmar ihn nicht mehr nach den Eichen fragte, denn er hatte völlig vergessen, nach ihnen Ausschau zu halten.

      Fünftes Kapitel: Juni 1147

      Der Sommer dieses Jahres war heiß, seit drei Wochen schon war kein einziger Tropfen Regen gefallen. Der Vogt hatte alle Bürger der Civitas durch einen Herold auffordern lassen, besonders achtsam mit Feuer umzugehen, nachdem bereits zweimal ein Haus in Flammen gestanden hatte. Glücklicherweise war es einmal nur eine Blockhütte auf dem Hafenmarkt, so dass man rasch genügend Wasser herbeischaffen konnte, außerdem stand sie weit entfernt von den Grundstücken der Kaufleute und es war windstill gewesen. Der zweite Brand ereignete sich in der Wendensiedlung unterhalb der Burg, ihm fielen mehrere Hütten


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