Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange

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Die Faehlings - eine Lübecker Familie - Eckhard Lange


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der heiligen Brüder Johannes und Paulus gedachte, die einst vom heidnischen Kaiser Julian in Rom getötet worden waren, denn ihnen sagte man nach, dass sie großen Einfluß auf das Wetter haben sollten. Darum sollte dieser Tag auch besonders feierlich begangen werden, um Regen zu erflehen. Rudolf der Priester hatte zu einer Messe auf dem Markt geladen, damit die zahlreich gewordene Christenschar vollzählig teilnehmen konnte. Auch der Vogt als Vertreter des Grafen Adolf als des Stadtherrn würde anwesend sein, so war verkündet worden.

      Vogt Reginald allerdings war in den Tagen zuvor mit anderen, ebenso wichtigen Dingen beschäftigt, und er hatte die Vertreter der Schwurgemeinschaft der Kaufleute, die die Bürgerschaft vertraten und ihm als Ratgeber und Mittler dienten, zu einer Besprechung in die Burg gebeten. „Ihr wisst,“ so begann er, „dass der heilige Vater in Rom die Christenheit zum Kreuzzug gegen die Heiden aufgerufen hat. Nun haben die Fürsten des Reiches auf dem Hoftag zu Nürnberg beschlossen, dass ein Heer unter Führung des Markgrafen Albrecht aufgestellt werden soll, um auch die Ungläubigen jenseits unserer eigenen Grenze zu bekriegen und dem rechten Glauben zuzuführen. Der Markgraf wird sie gegen die Liutizen führen, so lautet der Beschluß.“

      Hinrich von Soest, der zu den Ältermännern der Kaufleute zählte, hob besorgt beide Hände: „Das ist einerseits eine gute Nachricht, denn es betrifft unsere eigenen Nachbarn nicht. Mit den Obotriten wird also weiterhin Frieden herrschen, so hoffe ich, und doch ist es eine böse Nachricht, denn so wird der alte Streit zwischen Slawen und Christen erneut aufflammen. Noch sind die meisten Wagrier Heiden, und für sie bedeutet es, dass wir ihre Götter missachten und ihre Heiligtümer zerstören könnten, wie es die unsrigen schon allzu oft getan haben, ohne dass die Menschen damit zum wahren Glauben zu bekehren waren.“

      „Ihr habt recht, Hinrich,“ antwortete Reginald. „Es wäre besser, wir hätten geduldig gewartet, bis überall im Land Kirchen gebaut und Priester eingesetzt sind, um die Wenden ohne Zwang zu taufen. Noch hoffe ich, dass das Bündnis, das Graf Adolf mit Fürst Niklot von Mecklenburg geschlossen hat, uns vor neuem Krieg bewahrt, doch in den letzten Tagen wurde gemeldet, Herzog Heinrich ziehe ebenfalls Truppen zusammen, und das kann nichts Gutes bedeuten. Auch sagt man, dass Niklot Boten zu Adolf gesandt hat, um Beistand einzufordern, falls er angegriffen würde. Unser Graf stünde vor einer schwierigen Entscheidung, wenn es gilt, Treueid gegen Treueid abzuwägen. Laßt uns zur heiligen Jungfrau beten, dass dies nicht geschehen möge.“

      Von alledem erfuhren die Bürger von Liubice vorerst nichts. Sie bereiteten sich umso eifriger auf den bevorstehenden Festtag vor, denn es gab sonst ja nur wenig Anlaß, den Alltag einmal zu vergessen und ausgelassen zu feiern. Überall wurde nun Bier in Mengen gebraut und weißes Brot gebacken. Auch manch Stück Fleisch wurde aus dem Rauch geholt, und die grauirdenen Töpfe waren mit allerlei Leckerem gefüllt. Das war im Hause Dietmars des Schmieds nicht anders, Magdalene, sein Weib, war emsig beschäftigt. Doch Dietmar mahnte zur Zurückhaltung. Hinrich von Soest hatte ihn auf dem Rückweg von der Burg aufgesucht und ihm seine Sorgen mitgeteilt. Der Schmied hatte zwar nur wenig Kenntnis von diesen Dingen, mit den Wenden ringsum war er kaum je zusammengetroffen, aber was der Freund ihm erzählte, ließ ihn doch nachdenklich werden. So machte er sich daran, sich ein Kurzschwert zu schmieden, wie er es schon mehrfach für die Kriegsleute in der Burg gefertigt hatte.

      Sorgenvoll fiel sein Blick in diesen Tagen auf seine junge Frau, denn Magdalene war schwanger, der lange Winter hatte die Eheleute eng zusammengeführt. So nahm er den Sohn zur Seite und erteilte ihm genaue Anweisungen für den Fall, dass es zum Krieg kommen würde: „Sollten diese Fremden über uns herfallen, dann ist dies deine Aufgabe: Nimm Magdalene und flieh mit ihr in die Burg. Und wenn das nicht möglich ist, versteckt euch oben im Wald, am besten im Süden, dort ist er noch dichter, und es gibt viel Unterholz, wo ihr euch verbergen könnt. Flucht ist nicht feige, wenn dir sonst nur der Tod droht. Du musst Magdalene retten, und mit ihr das Kind, das noch nicht geboren ist. Ich bitte dich, Alf, spiel nicht den Helden, sondern handle klug und umsichtig.“ Und Alf versprach, genauso zu handeln.

      Er hatte die Worte des Vaters fast schon wieder vergessen, als sich die Tage dahinzogen, ohne dass Liubice eine Gefahr drohte. Dafür lief er nun so oft wie möglich zum Hafen hinunter. Dem Vater sagte er, er wolle dort auf Neuigkeiten achten, ob man mit einem Angriff rechnen müsste, in Wahrheit aber traf er sich mit Duscha. Endlich hatte er ihren Namen erfahren, und wenn der Vater nicht hinsah, berührte er das Mädchen hier und da am Arm, und jedes Mal wurde ihm heiß. Sie ließ es geschehen, ja es schien ihr zu gefallen.

      Sie trug nun ein langes Kleid, das ein Gürtel unter der Brust zusammenraffte, dazu hatte sie ihr Haar hochgesteckt, damit der gestickte Stirnriemen gut zur Geltung kam, und an der rechten Seite hingen zwei große silberne Schläfenringe, die klingend aneinanderschlugen, wenn sie den Kopf zur Seite neigte. Es waren immer nur wenige Augenblicke, die sie miteinander reden konnten, aber es waren die schönsten des ganzen Tages, und einmal, als der Vater zum Boot hinunterging, hauchte Duscha ihm plötzlich einen Kuß auf die Wange, nur ganz flüchtig, nur ganz kurz, und dann lief sie rasch dem Fischer hinterher, ohne sich noch einmal umzusehen.

      *

      Graf Adolf hatte sich an die Palisadenwand der Siegesburg gelehnt und blickte den drei Reitern nach, die in schnellem Trab den Weg nach Osten einschlugen. Es war ihm schwergefallen, sie mit dieser Antwort ziehen zu lassen, aber ihm blieb keine Wahl. Vor zwei Tagen waren die Sendboten von Fürst Niklot auf der Siegesburg erschienen, und er hatte sie mit allen Ehren empfangen, wie es sich für Verbündete gehört. Doch ihre Botschaft brachte ihn in Gewissensnöte. Sicher, es gab einen Pakt mit dem Obotriten, und der versprach, dem jeweils Angegriffenen mit Waffen zu Hilfe zu eilen. Als der Schauenburger ihn unterzeichnete, da hatte er an die Ranen oder die Luitizen gedacht, die Niklot von Osten her bedrohen konnten. Doch nun stand der Feind des Slawenfürsten im Westen, war sein eigener Lehnsherr, der junge Herzog Heinrich von Sachsen, der ihm die Grafschaft anvertraut und dem er Vasallentreue geschworen hatte. Ein ritterlicher Eid, abgelegt auf die Reliquien des heiligen Blasius im Dom zu Brunswik. Wie könnte er diesen Eid brechen!

      So musste er die Gesandten Niklots abschlägig bescheiden, die feierlich versprochene Hilfe verweigern, und es war ihm bewusst, dass er sich damit den Slawen zum Feind machte. Späher hatten berichtet, dass der Fürst bereits in aller Eile seine Burgen ausbaute und seine Krieger sammelte, denn die Nachricht vom Kreuzzug gegen die Wendenstämme jenseits der Elbe war auch dort längst angekommen. Adolf schätzte den Slawenfürsten, der stets ein gutes Verhältnis mit den Deutschen anstrebte, aber ihn band der Eid. Ihm blieb nur die Hoffnung, Niklot würde sich auf die Verteidigung seiner Burgen beschränken, doch ebenso könnte er versuchen, dem Herzog zuvorzukommen und den Krieg auf dessen Boden zu tragen.

      Der Schauenburger wandte sich mit einem Seufzer um und ging in die Halle zurück, in der er eben die Obotriten verabschiedet hatte. Es war bitter, nichts tun zu können, abwarten zu müssen und dabei das Unheil zu erahnen. Dies war einer jener Augenblicke, wo er mit großem Ernst in die kleine Burgkapelle ging, um göttlichen Beistand zu erflehen.

      *

      Der fünfundzwanzigste Tag des Juni war herbeigekommen, die Bewohner von Liubice hatten sich auf dem Markt versammelt und lauschten den Meßgesängen des Priesters, beugten andächtig das Knie während der Wandlung zum wahren Leib und Blut des Herrn und lauschten dem Martyrologium der beiden zu verehrenden Heiligen. Danach blieb man noch zusammen, lud sich gegenseitig ein, das Fest auch festlich zu begehen, und in den Häusern begann ein fröhliches Schmausen, während die hölzernen Becher immer wieder neu aus den Tonkrügen mit Bier gefüllt wurden. Gelächter wurde laut, man redete durcheinander, hier und da wurde gestritten, an anderen Orten erscholl Gesang aus den geöffneten Fensterläden, und immer wieder stürzten Männer auf die Straße, um sich zu erleichtern und Platz für neues Bier zu schaffen. Die Hitze des Junitages tat das ihrige hinzu, und als sich Nacht über Liubice senkte, schliefen die meisten nicht auf dem eigenen Strohlager, sondern dort, wo der letzte Trunk sie hingestreckt hatte.

      Vogt Reginald war schon bald nach dem Ende der Messe in die Burg zurückgekehrt und hatte dafür gesorgt, dass an die Besatzung auch an diesem Festtag nur das übliche Maß an Bier ausgeteilt wurde. Seine Sorge um die Sicherheit von Burg und Civitas war keineswegs geringer geworden, auch wenn er aus dem Obotritenland keine gefahrverheißenden Nachrichten erhielt. So teilte er wie jeden Abend einige Männer


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