Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange

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Die Faehlings - eine Lübecker Familie - Eckhard Lange


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verteilt wurden.

      Während an der offenen Feuerstelle die Hausfrau geräuchertes Fleisch und getrockneten Kabeljau für ein Nachtmahl zubereitete, hatte Hinrich Schemel herbeigetragen und mit Kissen bedeckt, um dem hohen Gast einen Sitz anzubieten. Auch ließ er aus einem Fässchen weißen Rheinwein in zwei Zinnbecher fließen und hieß damit den Grafen noch einmal willkommen. Der winkte dem Kaufmann, doch ihm gegenüber Platz zu nehmen, eine Ehre, die Hinrich zu schätzen wusste. Aber Adolf war darauf bedacht, von seinem Gegenüber möglichst viel über die Lage hier im Wendenland zu erfahren, und Hinrich von Soest erschien ihm ein nicht nur gut unterrichteter, sondern auch gebildeter Gesprächspartner zu sein.

      Der Schauenburger begann, zunächst nach der Lage in Liubice zu fragen, nachdem Burg und Stadt zerstört worden sind. Hinrich von Soest hob bedauernd die Hände: „Wir deutschen Kaufleute waren stets abhängig von der Gunst des wendischen Fürsten, der gerade regierte. Einige waren uns wohlgesonnen, andere sahen in uns Christen eher eine Gefahr, und manches Mal wurden die Händler und vor allem die Mönche und Priester bedroht und sogar getötet. Dennoch war Liubice der einzige Ort, von dem wir unsere Fahrten über das Meer antreten konnten, und auch Ihr, edler Herr, wisst, wie wichtig dieser Handel für das ganze Reich war, nachdem das mächtige Haithabu vor nun bald einem Jahrhundert genauso von wendischen Kriegern zerstört wurde wie jetzt auch Liubice.“

      Graf Adolf ließ sich einen weiteren Becher einschenken, dann erwiderte er: „Ich stimme Euch zu, mein guter Hinrich, das Reich der Deutschen braucht einen Zugang zum baltischen Meer, und es braucht einen Hafen, der unter dem sicheren Schutz eines deutschen Fürsten steht. Aber es reicht nicht, einen bloßen Stützpunkt für unsere Fernhändler zu besitzen. Wenn Liubice wieder entstehen soll, muß es eine wirkliche Civitas sein, eine Stadt nicht nur mit den fahrenden Kaufleuten, nicht nur mit dem Warenumschlag im Hafen, sondern ebenso mit Handwerk und auch mit einem Markt für das, was die Bauern der umliegenden Dörfer anbieten. Und ich denke, jener Platz an der Swartove ist dafür wenig geeignet. Was denkt Ihr darüber?“

      „Ich stimme Euch zu, Herr, und ich wüsste wohl einen besseren Ort für das, was Ihr plant.“ Adolf lächelte: „Ihr seid geschickt, Hinrich, indem Ihr mich neugierig macht. Aber ich denke, ich weiß, welchen Ort Ihr meint. Und morgen früh werde ich ihn in Augenschein nehmen. Daß man hier auf dem Werder, den man Bucu nennt, eine Civitas gründen kann, gut geschützt durch die beiden Flüsse und die Burg, davon habe ich mich überzeugt. Aber ob Ihr auch einen guten Hafen habt, davon müsst Ihr mich noch überzeugen.“ „Das wird mir nicht schwerfallen, edler Herr. Doch darf ich so kühn sein, Euch einen Rat zu geben?“ „Wenn es ein guter Rat sein wird, ist es keine Kühnheit, sondern Eure Pflicht, ihn auszusprechen!“ Der Schauenburger sah den Kaufmann herausfordernd an.

      Hinrich von Soest wog vorsichtig seine Worte ab, ehe er antwortete: „Ihr wollt mehr als einen Niederlassung von Fernhandelskaufleuten, ihr wollt hier in Wagrien eine wirkliche Stadt, eine deutsche Stadt wie die Städte im Reich. Das ist weitsichtig gedacht, edler Herr. Wie Ihr wisst, bin ich aus Soest hierhergekommen. Meine Heimatstadt ist sicher ein bedeutender Handelsplatz, aber hier ist auch eine besondere Gemeinschaft entstanden. Unser Stadtherr, der hochwürdige Erzbischof von Köln, hat das erkannt und dieser Gemeinschaft eigene Rechte verliehen. Die Bürger unserer Stadt können vieles selber regeln, sie haben sich eine besondere Ordnung geschaffen, und der Erzbischof hat sie ihnen gewährt und besiegelt.“ Hinrich machte eine Pause, er blickte in das Gesicht des Grafen, der aufmerksam zugehört hatte.

      „Fahrt nur fort, Hinrich von Soest, sprecht ihn frei aus, Euren Rat.“ „Ich meine, Ihr tätet gut daran, auch den Bürgern Eurer neuen Stadt ähnliche Rechte zu gewähren, wenn Ihr treue und fleißige Männer dafür gewinnen wollt, sich hier niederzulassen.“ „Ich werde darüber nachdenken. Und ich werde meinen Schreiber beauftragen, mir eine Abschrift Eurer Ordnung zu beschaffen. Wenn sie so nützlich ist, wie Ihr es schildert, und wenn sie Wohlstand und Zusammenhalt fördert, dann will ich Eurem Rat gerne folgen. Doch nun genug der Gespräche! Laßt uns noch einen Becher gemeinsam leeren – auf das Wohl aller Pläne, die wir für dieses Land hegen – und uns dann zur Ruhe begeben.“

      Als Adolf von Schauenburg am nächsten Morgen aus der Kammer trat, die ihm sein Gastgeber als Schlafgemach überlassen hatte, waren Hinrich und sein Weib bereits geschäftig bemüht, dem hohen Besuch frisches Brot und einen leichten Wein bereitzustellen. Der Graf nahm dankend an, aß mit Genuß, um sich dann zu erheben: „Holt mir Reginald, meinen Vogt, und danach begleitet uns zu Eurem Hafen. Haben sich viele Kaufleute hier niedergelassen?“ „Bis vor wenigen Jahren war das Traveufer hier kaum mehr als ein Ruheplatz auf dem Weg nach Liubice für die Kaufleute und ein kleines Dorf wendischer Fischer, aber seit viele unsere Siedlung dort verlassen haben, ersetzt das Ufer uns mehr und mehr den alten Hafenplatz. Ihr seht, auch ich habe hier ein neues Haus errichtet, obwohl das alte in Liubice noch steht.“

      Hinrich entfernte sich, kam nach kurzer Zeit mit Reginald zurück, und gemeinsam gingen sie den Hang hinunter, an den wenigen Häusern der Deutschen vorbei zum Ufer der Trave. Mit raschem Blick erfasste Graf Adolf die Lage: Auf einer längeren Strecke reichte der feste Boden des Hügels bis unmittelbar an den Fluß, während zu beiden Seiten das sichere Ufer zurücktrat und einer schilfbestandenen Sumpflandschaft Platz machte. Es war unbestreitbar ein günstiger Ort, um Schiffe dicht am Ufer zu ankern. Hier mussten sie nicht mühsam an Land gezogen werden, sondern eine Planke reichte, um auf die Schiffe zu gelangen. Würde man die Uferkante nur ein wenig befestigen, so wäre es wohl möglich, auch auf diese Planke zu verzichten und mühelos jedes Boot zu betreten. Und das feste Ufer bot genügend Raum, um mindestens ein Dutzend Schiffe dort anlegen zu lassen. Hinrich von Soest hatte recht: Hier ist der Hafen, nachdem Adolf suchte. Und sein Entschluß stand fest: Hier, an diesem Ort, gleich oberhalb des Handelsplatzes entlang dem Ufer, würde seine neue Civitas entstehen, und sie würde den Namen Liubice tragen, diesen Namen, der den Kaufleuten im ganzen Herzogtum Sachsen und darüber hinaus vertraut war und der für den Handel weit über das Meer zu den Dänen und Gotländern stand!

      Graf Adolf wandte sich seinen Begleitern zu, die höflich einen Schritt hinter ihm stehengeblieben waren. „Nun, Reginald, was denkst du?“ „Ich denke, dass Ihr gefunden habt, was Ihr sucht, Herr.“ Adolf von Schauenburg nickte, dann fragte er unvermittelt: „Könnt Ihr reiten, Kaufmann?“ Der Angeredete zeigte ein breites Lächeln: „Wer gelernt hat, bei schwerer See fest auf den Planken zu stehen, der wird auch vom Rücken eines Pferdes nicht herunterfallen.“ Der Graf lachte. „Gut! Dann besorge ihm ein Pferd, Reginald, wir reiten noch einmal über das Werder, und Ihr werdet uns begleiten, Hinrich.“

      Als sie den Hang hinauf die offene Fläche auf dem Höhenzug erreicht hatten, zügelte Adolf seinen Rappen und blickt zurück: „Von hier werden mehrere Wege zum Hafen hinunterführen, und daran wirst du die Grundstücke abstecken, Reginald. Die Kaufleute, die dort schon siedeln, mögen ihre Plätze behalten, nur die Wege müssen geräumt werden. Der Fernhandel wird weiterhin am Ufer abgewickelt, und hier, auf diesem Heideland, wird der Markt entstehen für die Bauern der Umgebung. Seitlich errichten wir eine Kirche für unser neues Liubice, und der Abt Vicelin aus Faldera wird uns einen fähigen Priester schicken. Und jetzt zum Burgwall!“

      Sie folgten den Fahrspuren, die breit auseinandergezogen über den Höhenrücken nach Norden führten, zu beiden Seiten stand ein lichter Wald, gelegentlich sah man zur Rechten das Wasser der Wochenitze heraufblinken. Dann ritten sie zwischen einigen Hütten hindurch, die wendischen Bewohner grüßten den Grafen scheu und aus weitem Abstand heraus. In den letzten Jahren waren hier nur wenige Fremde den alten Handelsweg gezogen, seit dem Untergang von Liubice blieben die Karawanen der Fernhändler aus, wer dennoch bis Bucu kam, war vorher zum Hafen abgebogen.

      Der Graf lenkte sein Pferd durch eine Öffnung im Ringwall, um die Burg in Augenschein zu nehmen. Der Boden im Inneren war fest, die Hänge noch gut erhalten, erschienen ihm aber für eine Verteidigung als zu niedrig. Wenn hier einst Häuser gestanden hatten, so waren sie restlos verschwunden, aber der Buchenwald zu beiden Seiten bot genügend Holz, um neue Gebäude und eine Palisadenwand zu errichten.

      Adolf wandte sich an Reginald, den Burgvogt von Faldera: „Du wirst eine neue Aufgabe bekommen, mein guter Reginald,“ sagte er betont freundlich. „Faldera hat seine Rolle als Grenzfeste ausgespielt, dort mag ein anderer die Verwaltung übernehmen.


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