Das Nibelungenlied. Unknown

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Das Nibelungenlied - Unknown


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stolzer als er mir sich je bewährt.

        In einen Garten flog er überm Graben

        Und eine andre Herrin hält ihn werth.

      Wie reicht ich dir, mein Sperber, Leckerbißen!

        Goldene Schellen gab ich dir zu tragen,

        Dich freudiger zur Vogeljagd zu wißen.

      Nun flogst du hin und läßest mich verzagen:

        Du hast die Bande frevelhaft zerrißen

        Just da du meisterlich verstandst zu jagen.

* * * * *

      Die nahe Verwandtschaft der beiden angeblich Kürnbergschen Lieder mit dem von Kriemhildens Traum hat auf den Gedanken geführt, sie möchten alle drei demselben Dichter gehören. Ein sehr armer Dichter, der dreimal dasselbe Motiv gebrauchte! Sie können nicht einmal aus derselben Zeit herrühren: das von Kriemhilds Traum mag nach seinem an den Mythus anklingenden Inhalt wie nach der fast ganz alliterierenden Form leicht ein Jahrhundert älter sein.

      Weder der Dichter der beiden Lieder vom Falken noch der von Kriemhilds Traum kann die Nibelungenstrophe erfunden haben: nur die beiden ersten Gesetze von Kriemhilds Traum bewahren noch den alten Gliederbau dieser Strophe, und von den sechs ausgehobenen angeblich Kürnbergschen Gesetzen nur noch das erste und das letzte. Nach dieser ursprünglichen Gliederung finden wir in den Nibelungen noch eine Anzahl alterthümlicher Strophen gebildet, bei dem s.g. Kürnberg noch fünf; einige so gebaute haben sich auch in dem neuern Volkslied erhalten, z.B. das bekannte

      Die Brünnlein, die da fließen, die soll man trinken,

      Und wer einen lieben Buhlen hat, der soll ihm winken u.s.w.

      Nach ihr war nur die dritte Langzeile um eine Hebung gekürzt; die drei andern zeigten noch die vollen acht Hebungen der alten epischen, einst alliterierten Langzeile; nur fiel in den beiden ersten Zeilen, welche als Aufgesang anzusehen waren, die letzte Senkung aus und die beiden letzten Hebungen trugen den Reim, der also nur scheinbar klingend war, denn auf den spätern klingenden Reim fällt nur Eine Hebung, die zweite Sylbe ist unbetont. Solche zwei Hebungen tragende Reime waren: zinne: singen, vliegen: riemen, Kriemhilde: wilde, Uoten: guoten. In den Anfängen der alten Lieder, die stäts am festesten im Gedächtniss hafteten, hat sich die alte Gliederung am längsten erhalten, so in den beiden ersten Strophen des Liedes von Kriemhilds Traum, dann Strophe 1362, wo ein Lied und zugleich ein Abenteuer anfängt.

      Dô Etzel sîne botschaft zúo dem Rine sándè, dô vlugen disiu mære von lándè ze lándè.

      ferner Nr. 1653, der Anfang des 16. Lachmannschen Liedes:

      die boten vür strichen mit den m'ærèn, daz die Niblungen zuo den Hiunen wæren, endlich Nr. 1571, wo nach dem langen störenden Einschub von Gelfrat und Else das vierte Lachmannsche Lied wieder einsetzt:

      Dô die wegemüeden rúowè genâmèn unde si dem lande nu näher quâmen u. s. w.

      An andern Stellen mag die alte Structur durch die Schönheit der Strophe geschützt worden sein, wie in den beiden aufeinander folgenden Str. 2132 und 2133.

      Der Schreiber der Handschrift A, der keinen Sinn mehr für die alte Metrik hatte, wie er denn auch zweisilbige stumpfe Wörter in die Cäsur setzte, die zwei Hebungen tragen soll, und der achten Halbzeile oft nur drei Hebungen giebt, nahm auch schon an vier Hebungen in der zweiten und vierten Halbzeile Anstoß und gleich in der ersten Strophe, wo er sie nicht verkennen konnte, glaubte er den Anfang umbilden zu müßen, was er sonst nicht gebraucht hätte; in der folgenden Strophe ließ er die scheinbar klingenden Reime bestehen, weil sich hier die genannten Halbzeilen auch zu drei Hebungen lesen ließen. Durch diese Umbildung aber geriethen die alten Schlußreime in die Cäsur:

      Es troumde Kriemhilde in tugenden der si phlac wie si einen valken wilde züge manegen tac, ein Beweis, daß Mittelreime dem Schreiber dieses Textes nicht anstößig waren, während Lachmann Kriemhilte und wilden schrieb, "um auch den Schein eines innern Reimes zu vermeiden". Was freilich 'in tugenden der si phlac' heißen soll ist nicht leicht zu sagen; wahrscheinlich sollte damit das in ir hohen eren des alten Liedes umschrieben werden, denn in disen höhen êren lautete es wohl erst, als die zwölf Strophen der einem Theaterzettel ähnlichen Einleitung davor gerückt wurden.

      Daß auch viele nur auf Einer Hebung reimende Langzeilen des Aufgesangs vier Hebungen tragen, hab ich in meiner Schrift: Die Nibelungenstrophe und ihr Ursprung, Bonn 1858, auf die ich überhaupt hier verweisen muß, näher ausgeführt, und der aufmerksame Leser wird in der gegenwärtigen Ausgabe zahlreiche Belege dafür nicht übersehen; am auffallendsten ist, daß sogar Zusatzstrophen in C wie nach 1662 bei stumpfem Reim im Aufgesang vier Hebungen zeigen: sie sind ohne Zweifel alt und zu einer Zeit eingeschoben, wo man noch vier Hebungen an diesen Stellen erwartete.

      Es darf nicht irren, daß uns die Nibelungenstrophe zuerst in Liedern entgegentritt, ja daß sie eine lyrische Gliederung zeigt. Was zuerst letztere belangt, so würde, wenn die Gliederung ganz wegfiele, mithin auch die vierte Zeile wie in dem spätern Hildebrandston, nur drei Hebungen trüge, die Strophe in zwei gleiche Hälften auseinanderfallen. Strophische Behandlung der Langzeile finden wir aber schon in der Edda, also noch ehe der Reim an die Stelle der Alliteration trat. Die Verwendung zu Liedern aber darf nicht befremden, denn diese ältesten Lieder, z.B. die s.g. Kürnbergschen, zeigen noch epische Eingänge, sie gehören einer Zeit an, wo sich das Lied eben erst dem mütterlichen Schooß der Epik entwunden hatte: darum tritt sie, wie ich das Nibelungenstr. 82 näher ausgeführt habe, anfangs noch in epischen Formen auf, ja entnimmt ihren Inhalt, wie das Gleichniss von dem Falken, dem Epos.

      Wenn die Nibelungenstrophe keine ursprünglich lyrische war, oder der epische Volksgesang sich ihrer schon früh bemächtigt hatte, so durfte sich jeder Sänger ihrer bedienen, und der spätere Gebrauch der Minnesinger, jedem Liede eigenes Maß und eigene Weise zu widmen, deren Entleihung dann für unerlaubt galt, konnte auf sie noch keine Anwendung finden.

      Diesen Einwand haben sich diejenigen schon selbst gemacht, die der Nibelungenstrophe, wie sie in der Pariser Handschrift zuerst erscheint, in Kürnberg einen Erfinder entdeckt haben wollen, dem sie dann mit überhöfischer Milde auch noch das ganze Nibelungenlied zum Geschenk machen, einem modernen Lyriker unser tausendjähriges Nationalepos.

      Sie setzen aber diesem Einwand entgegen: wenn die Nibelungenstrophe, die sie ohne Grund Kürnbergs Weise nennen, eine alte Volksweise gewesen, so würden andere Dichter sich nicht gescheut haben sie anzuwenden; sie hätten nicht Variationen dieser Strophe erfunden, sie nicht mit kleinen Modificationen umgebildet: "denn ein geringer Unterschied," sagt Bartsch, "brauchte nur da zu sein, um eine Strophenform neben einer schon vorhandenen als neu erscheinen zu laßen." Demnach wäre denn die Strophe, deren ursprüngliche Gliederung wir soeben besprochen haben, von dem erträumten Kürnberg so umgebildet, daß sie bald die ursprüngliche Gliederung behalten, bald wieder in den zweiten Vershälften des Aufgesangs nur drei Hebungen, oder gar in der ersten Zeile des Aufgesangs vier, in der zweiten drei tragen durfte; und der Dichter des Wolfdietrich und schon der Schreiber der Nibelungenhandschrift A hätte sie so umgebildet, daß es erlaubt war, der achten Halbzeile bald drei, bald vier Hebungen zu geben. Hatten aber wirklich diese und andere Umbildungen der Nibelungenstrophe den angegebenen Grund, daß man kein "Tönedieb" heißen wollte, so müste man ja glauben, der vorgebliche Kürnberg hätte selber gefürchtet an sich zum Dieb zu werden durch Anwendung der selbsterfundenen Strophe, da wir ja auch bei ihm eine Variation derselben finden, und zwar nach Bartschens eigener Aufstellung (Deutsche Liederdichter S. 1) eine durch zwei Strophen belegte Variation.

      Für uns, die wir als Grundlage beider Theile des Nibelungenliedes, neben der lateinischen Faßung Konrad des Schreibers, deren Einwirkung nicht geläugnet werden kann, eine Sammlung er Volkslieder in der gemeinsamen alten, aber sich allmählich umbildenden Volksweise annehmen, deren Näthe hier und da noch deutlich zu erkennen sind, uns fehlt es an Beispielen unveränderter Anwendung der Nibelungenstrophe bei verschiedenen Dichtern nicht. Der einzige Unterschied, der sich hervorthut, ist in demselben Liede die ungleiche Zahl der Hebungen in den Zeilen des Aufgesangs, und die Freiheit hier mit Auslaßung der Senkung auf zwei Hebungen zu reimen, was sich in den beiden Zeilen des Abgesangs niemals


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