Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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hat­te Za­ra­thustra zu sei­nem Her­zen ge­spro­chen, als die Son­ne im Mit­tag stand: da blick­te er fra­gend in die Höhe – denn er hör­te über sich den schar­fen Ruf ei­nes Vo­gels. Und sie­he! Ein Ad­ler zog in wei­ten Krei­sen durch die Luft, und an ihm hieng eine Schlan­ge, nicht ei­ner Beu­te gleich, son­dern ei­ner Freun­din: denn sie hielt sich um sei­nen Hals ge­rin­gelt.

      »Es sind mei­ne Thie­re!« sag­te Za­ra­thustra und freu­te sich von Her­zen.

      Das stol­zes­te Thier un­ter der Son­ne und das klügs­te Thier un­ter der Son­ne – sie sind aus­ge­zo­gen auf Kund­schaft.

      Er­kun­den wol­len sie, ob Za­ra­thustra noch lebe. Wahr­lich, lebe ich noch?

      Ge­fähr­li­cher fand ich’s un­ter Men­schen als un­ter Thie­ren, ge­fähr­li­cher Wege geht Za­ra­thustra. Mö­gen mich mei­ne Thie­re füh­ren!«

      Als Za­ra­thustra diess ge­sagt hat­te, ge­dach­te er der Wor­te des Hei­li­gen im Wal­de, seufz­te und sprach also zu sei­nem Her­zen:

      Möch­te ich klü­ger sein! Möch­te ich klug von Grund aus sein, gleich mei­ner Schlan­ge!

      Aber Un­mög­li­ches bit­te ich da: so bit­te ich denn mei­nen Stolz, dass er im­mer mit mei­ner Klug­heit gehe!

      Und wenn mich einst mei­ne Klug­heit ver­lässt: – ach, sie liebt es, da­von­zu­flie­gen! – möge mein Stolz dann noch mit mei­ner Thor­heit flie­gen!

      – Also be­gann Za­ra­thustra’s Un­ter­gang.

Die Reden Zarathustra’s

      Von den drei Verwandlungen

      Drei Ver­wand­lun­gen nen­ne ich euch des Geis­tes: wie der Geist zum Ka­mee­le wird, und zum Lö­wen das Ka­meel, und zum Kin­de zu­letzt der Löwe.

      Vie­les Schwe­re giebt es dem Geis­te, dem star­ken, trag­sa­men Geis­te, dem Ehr­furcht in­ne­wohnt: nach dem Schwe­ren und Schwers­ten ver­langt sei­ne Stär­ke.

      Was ist schwer? so fragt der trag­sa­me Geist, so kniet er nie­der, dem Ka­mee­le gleich, und will gut be­la­den sein.

      Was ist das Schwers­te, ihr Hel­den? so fragt der trag­sa­me Geist, dass ich es auf mich neh­me und mei­ner Stär­ke froh wer­de.

      Ist es nicht das: sich er­nied­ri­gen, um sei­nem Hoch­muth wehe zu thun? Sei­ne Thor­heit leuch­ten las­sen, um sei­ner Weis­heit zu spot­ten?

      Oder ist es das: von un­se­rer Sa­che schei­den, wenn sie ih­ren Sieg fei­ert? Auf hohe Ber­ge stei­gen, um den Ver­su­cher zu ver­su­chen?

      Oder ist es das: sich von Ei­cheln und Gras der Er­kennt­niss näh­ren und um der Wahr­heit wil­len an der See­le Hun­ger lei­den?

      Oder ist es das: krank sein und die Trös­ter heim­schi­cken und mit Tau­ben Freund­schaft schlies­sen, die nie­mals hö­ren, was du willst?

      Oder ist es das: in schmut­zi­ges Was­ser stei­gen, wenn es das Was­ser der Wahr­heit ist, und kal­te Frösche und heis­se Krö­ten nicht von sich wei­sen?

      Oder ist es das: Die lie­ben, die uns ver­ach­ten, und dem Ge­s­pens­te die Hand rei­chen, wenn es uns fürch­ten ma­chen will?

      Al­les diess Schwers­te nimmt der trag­sa­me Geist auf sich: dem Ka­mee­le gleich, das be­la­den in die Wüs­te eilt, also eilt er in sei­ne Wüs­te.

      Aber in der ein­sams­ten Wüs­te ge­schieht die zwei­te Ver­wand­lung: zum Lö­wen wird hier der Geist, Frei­heit will er sich er­beu­ten und Herr sein in sei­ner eig­nen Wüs­te.

      Sei­nen letz­ten Herrn sucht er sich hier: feind will er ihm wer­den und sei­nem letz­ten Got­te, um Sieg will er mit dem gros­sen Dra­chen rin­gen.

      Wel­ches ist der gros­se Dra­che, den der Geist nicht mehr Herr und Gott heis­sen mag? »Du-sollst« heisst der gros­se Dra­che. Aber der Geist des Lö­wen sagt »Ich will«.

      »Du-sollst« liegt ihm am Wege, gold­fun­kelnd, ein Schup­pent­hier, und auf je­der Schup­pe glänzt gol­den »Du-sollst!«

      Tau­send­jäh­ri­ge Wert­he glän­zen an die­sen Schup­pen, und also spricht der mäch­tigs­te al­ler Dra­chen »al­ler Werth der Din­ge – der glänzt an mir.«

      »Al­ler Werth ward schon ge­schaf­fen, und al­ler ge­schaf­fe­ne Werth – das bin ich. Wahr­lich, es soll kein »Ich will« mehr ge­ben!« Also spricht der Dra­che.

      Mei­ne Brü­der, wozu be­darf es des Lö­wen im Geis­te? Was ge­nügt nicht das last­ba­re Thier, das ent­sagt und ehr­fürch­tig ist?

      Neue Wert­he schaf­fen – das ver­mag auch der Löwe noch nicht: aber Frei­heit sich schaf­fen zu neu­em Schaf­fen – das ver­mag die Macht des Lö­wen.

      Frei­heit sich schaf­fen und ein hei­li­ges Nein auch vor der Pf­licht: dazu, mei­ne Brü­der be­darf es des Lö­wen.

      Recht sich neh­men zu neu­en Wert­hen – das ist das furcht­bars­te Neh­men für einen trag­sa­men und ehr­fürch­ti­gen Geist. Wahr­lich, ein Rau­ben ist es ihm und ei­nes rau­ben­den Thie­res Sa­che.

      Als sein Hei­ligs­tes lieb­te er einst das »Du-sollst«: nun muss er Wahn und Will­kür auch noch im Hei­ligs­ten fin­den, dass er sich Frei­heit rau­be von sei­ner Lie­be: des Lö­wen be­darf es zu die­sem Rau­be.

      Aber sagt, mei­ne Brü­der, was ver­mag noch das Kind, das auch der Löwe nicht ver­moch­te? Was muss der rau­ben­de Löwe auch noch zum Kin­de wer­den?

      Un­schuld ist das Kind und Ver­ges­sen, ein Neu­be­gin­nen, ein Spiel, ein aus sich rol­len­des Rad, eine ers­te Be­we­gung, ein hei­li­ges Ja-sa­gen.

      Ja, zum Spie­le des Schaf­fens, mei­ne Brü­der, be­darf es ei­nes hei­li­gen Ja-sa­gens: sei­nen Wil­len will nun der Geist, sei­ne Welt ge­winnt sich der Welt­ver­lo­re­ne.

      Drei Ver­wand­lun­gen nann­te ich euch des Geis­tes: wie der Geist zum Ka­mee­le ward, und zum Lö­wen das Ka­meel, und der Löwe zu­letzt zum Kin­de. –-

      Also sprach Za­ra­thustra. Und da­mals weil­te er in der Stadt, wel­che ge­nannt wird: die bun­te Kuh.

      Von den Lehrstühlen der Tugend

      Man rühm­te Za­ra­thustra einen Wei­sen, der gut vom Schla­fe und von der Tu­gend zu re­den wis­se: sehr wer­de er ge­ehrt und ge­lohnt da­für, und alle Jüng­lin­ge säs­sen vor sei­nem Lehr­stuh­le. Zu ihm gieng Za­ra­thustra, und mit al­len Jüng­lin­gen sass er vor sei­nem Lehr­stuh­le. Und also sprach der Wei­se:

      Ehre und Scham vor dem Schla­fe! Das ist das Ers­te! Und Al­len aus dem Wege gehn, die schlecht schla­fen und Nachts wa­chen!

      Scham­haft ist noch der Dieb vor dem Schla­fe: stets stiehlt er sich lei­se durch die Nacht. Scham­los aber ist der Wäch­ter der Nacht, scham­los trägt er sein Horn.

      Kei­ne ge­rin­ge Kunst ist schla­fen: es thut schon Noth, den gan­zen Tag dar­auf hin zu wa­chen.

      Zehn Mal musst du des Ta­ges dich sel­ber über­win­den: das macht eine gute Mü­dig­keit und ist Mohn der See­le.

      Zehn Mal musst du dich wie­der dir sel­ber ver­söh­nen; denn Über­win­dung ist Bit­ter­niss, und schlecht schläft der Un­ver­söhn­te.

      Zehn Wahr­hei­ten musst du des Ta­ges fin­den: sonst suchst du noch des Nachts nach Wahr­heit, und dei­ne See­le blieb hung­rig.


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