Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

Читать онлайн книгу.

Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


Скачать книгу
Tu­gend lo­ben.

      Einst hat­test du Lei­den­schaf­ten und nann­test sie böse. Aber jetzt hast du nur noch dei­ne Tu­gen­den: die wuch­sen aus dei­nen Lei­den­schaf­ten.

      Du leg­test dein höchs­tes Ziel die­sen Lei­den­schaf­ten an’s Herz: da wur­den sie dei­ne Tu­gen­den und Freu­den­schaf­ten.

      Und ob du aus dem Ge­schlech­te der Jäh­zor­ni­gen wä­rest oder aus dem der Wol­lüs­ti­gen oder der Glau­bens-Wüthi­gen oder der Rach­süch­ti­gen:

      Am Ende wur­den alle dei­ne Lei­den­schaf­ten zu Tu­gen­den und alle dei­ne Teu­fel zu En­geln.

      Einst hat­test du wil­de Hun­de in dei­nem Kel­ler: aber am Ende ver­wan­del­ten sie sich zu Vö­geln und lieb­li­chen Sän­ge­rin­nen.

      Aus dei­nen Gif­ten brau­test du dir dei­nen Bal­sam; dei­ne Kuh Trüb­sal melk­test du, – nun trinkst du die süs­se Milch ih­res Eu­ters.

      Und nichts Bö­ses wächst mehr für­der­hin aus dir, es sei denn das Böse, das aus dem Kamp­fe dei­ner Tu­gen­den wächst.

      Mein Bru­der, wenn du Glück hast, so hast du Eine Tu­gend und nicht mehr: so gehst du leich­ter über die Brücke.

      Aus­zeich­nend ist es, vie­le Tu­gen­den zu ha­ben, aber ein schwe­res Loos; und Man­cher gieng in die Wüs­te und töd­te­te sich, weil er müde war, Schlacht und Schlacht­feld von Tu­gen­den zu sein.

      Mein Bru­der, ist Krieg und Schlacht böse? Aber nothwen­dig ist diess Böse, nothwen­dig ist der Neid und das Miss­trau­en und die Ver­leum­dung un­ter dei­nen Tu­gen­den.

      Sie­he, wie jede dei­ner Tu­gen­den be­gehr­lich ist nach dem Höchs­ten: sie will dei­nen gan­zen Geist, dass er ih­r He­rold sei, sie will dei­ne gan­ze Kraft in Zorn, Hass und Lie­be.

      Ei­fer­süch­tig ist jede Tu­gend auf die and­re, und ein furcht­ba­res Ding ist Ei­fer­sucht. Auch Tu­gen­den kön­nen an der Ei­fer­sucht zu Grun­de gehn.

      Wen die Flam­me der Ei­fer­sucht um­ringt, der wen­det zu­letzt, gleich dem Scor­pio­ne, ge­gen sich sel­ber den ver­gif­te­ten Sta­chel.

      Ach, mein Bru­der, sahst du noch nie eine Tu­gend sich sel­ber ver­leum­den und er­ste­chen?

      Der Mensch ist Et­was, das über­wun­den wer­den muss: und dar­um sollst du dei­ne Tu­gen­den lie­ben, – denn du wirst an ih­nen zu Grun­de gehn. –

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Vom bleichen Verbrecher

      Ihr wollt nicht töd­ten, ihr Rich­ter und Op­fe­rer, be­vor das Thier nicht ge­nickt hat? Seht, der blei­che Ver­bre­cher hat ge­nickt: aus sei­nem Auge re­det die gros­se Ver­ach­tung.

      »Mein Ich ist Et­was, das über­wun­den wer­den soll: mein Ich ist mir die gros­se Ver­ach­tung des Men­schen«: so re­det es aus die­sem Auge.

      Dass er sich sel­ber rich­te­te, war sein höchs­ter Au­gen­blick: lasst den Er­ha­be­nen nicht wie­der zu­rück in sein Nie­de­res!

      Es giebt kei­ne Er­lö­sung für Den, der so an sich sel­ber lei­det, es sei denn der schnel­le Tod.

      Euer Töd­ten, ihr Rich­ter, soll ein Mit­leid sein und kei­ne Ra­che. Und in­dem ihr töd­tet, seht zu, dass ihr sel­ber das Le­ben recht­fer­ti­get!

      Es ist nicht ge­nug, dass ihr euch mit Dem ver­söhnt, den ihr töd­tet. Eure Trau­rig­keit sei Lie­be zum Über­menschen: so recht­fer­tigt ihr euer Noch-Le­ben!

      »Feind« sollt ihr sa­gen, aber nicht »Bö­se­wicht«; »Kran­ker« sollt ihr sa­gen, aber nicht »Schuft«; »Thor« sollt ihr sa­gen, aber nicht »Sün­der«.

      Und du, ro­ther Rich­ter, wenn du laut sa­gen woll­test, was du Al­les schon in Ge­dan­ken gethan hast: so wür­de Je­der­mann schrei­en: »Weg mit die­sem Un­flath und Gift­wurm!«

      Aber ein An­de­res ist der Ge­dan­ke, ein An­de­res die That, ein An­de­res das Bild der That. Das Rad des Grun­des rollt nicht wi­schen ih­nen.

      Ein Bild mach­te die­sen blei­chen Men­schen bleich. Gleich­wüch­sig war er sei­ner That, als er sie that: aber ihr Bild er­trug er nicht, als sie gethan war.

      Im­mer sah er sich nun als Ei­ner That Thä­ter. Wahn­sinn heis­se ich diess: die Aus­nah­me ver­kehr­te sich ihm zum We­sen.

      Der Strich bannt die Hen­ne; der Streich, den er führ­te, bann­te sei­ne arme Ver­nunft – den Wahn­sinn nach der That heis­se ich diess.

      Hört, ihr Rich­ter! Ei­nen an­de­ren Wahn­sinn giebt es noch: und der ist vor der That. Ach, ihr krocht mir nicht tief ge­nug in die­se See­le!

      So spricht der ro­the Rich­ter: »was mor­de­te doch die­ser Ver­bre­cher? Er woll­te rau­ben.« Aber ich sage euch: sei­ne See­le woll­te Blut, nicht Raub: er dürs­te­te nach dem Glück des Mes­sers!

      Sei­ne arme Ver­nunft aber be­griff die­sen Wahn­sinn nicht und über­re­de­te ihn. »Was liegt an Blut! sprach sie; willst du nicht zum min­des­ten einen Raub da­bei ma­chen? Eine Ra­che neh­men?«

      Und er horch­te auf sei­ne arme Ver­nunft: wie Blei lag ihre Rede auf ihm, – da raub­te er, als er mor­de­te. Er woll­te sich nicht sei­nes Wahn­sinns schä­men.

      Und nun wie­der liegt das Blei sei­ner Schuld auf ihm, und wie­der ist sei­ne arme Ver­nunft so steif, so ge­lähmt, so schwer.

      Wenn er nur den Kopf schüt­teln könn­te, so wür­de sei­ne Last her­ab­rol­len: aber wer schüt­telt die­sen Kopf?

      Was ist die­ser Mensch? Ein Hau­fen von Krank­hei­ten, wel­che durch den Geist in die Welt hin­aus­grei­fen: da wol­len sie ihre Beu­te ma­chen.

      Was ist die­ser Mensch? Ein Knäu­el wil­der Schlan­gen, wel­che sel­ten bei ein­an­der Ruhe ha­ben, – da gehn sie für sich fort und su­chen Beu­te in der Welt.

      Seht die­sen ar­men Leib! Was er litt und be­gehr­te, das deu­te­te sich die­se arme See­le, – sie deu­te­te es als mör­de­ri­sche Lust und Gier nach dem Glück des Mes­sers.

      Wer jetzt krank wird, den über­fällt das Böse, das jetzt böse ist: wehe will er thun, mit dem, was ihm wehe thut. Aber es gab and­re Zei­ten und ein andres Bö­ses und Gu­tes.

      Einst war der Zwei­fel böse und der Wil­le zum Selbst. Da­mals wur­de der Kran­ke zum Ket­zer und zur Hege: als Ket­zer und Hexe litt er und woll­te lei­den ma­chen.

      Aber diess will nicht in eure Ohren: eu­ren Gu­ten scha­de es, sagt ihr mir. Aber was liegt mir an eu­ren Gu­ten!

      Vie­les an eu­ren Gu­ten macht mir Ekel, und wahr­lich nicht ihr Bö­ses. Woll­te ich doch, sie hät­ten einen Wahn­sinn, an dem sie zu Grun­de gien­gen, gleich die­sem blei­chen Ver­bre­cher!

      Wahr­lich, ich woll­te, ihr Wahn­sinn hies­se Wahr­heit oder Treue oder Ge­rech­tig­keit: aber sie ha­ben ihre Tu­gend, um lan­ge zu le­ben und in ei­nem er­bärm­li­chen Be­ha­gen.

      Ich bin ein Ge­län­der am Stro­me: fas­se mich, wer mich fas­sen kann! Eure Krücke aber bin ich nicht. –

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Vom Lesen und Schreiben

      Von al­lem Ge­schrie­be­nen lie­be ich nur Das, was Ei­ner mit sei­nem Blu­te schreibt. Schrei­be mit Blut: und du wirst er­fah­ren, dass Blut Geist ist.

      Es


Скачать книгу