Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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die Ord­nung, man ver­stand hin­ter­drein Je­sus als im Aufruhr ge­gen die Ord­nung. Bis da­hin fehl­te die­ser krie­ge­ri­sche, die­ser Nein-sa­gen­de, Nein-thuen­de Zug in sei­nem Bil­de; mehr noch, er war des­sen Wi­der­spruch. Of­fen­bar hat die klei­ne Ge­mein­de ge­ra­de die Haupt­sa­che nicht ver­stan­den, das Vor­bild­li­che in die­ser Art zu ster­ben, die Frei­heit, die Über­le­gen­heit über je­des Ge­fühl von res­sen­ti­ment: – ein Zei­chen da­für, wie we­nig über­haupt sie von ihm ver­stand! An sich konn­te Je­sus mit sei­nem Tode nichts wol­len, als öf­fent­lich die stärks­te Pro­be, den Be­weis sei­ner Leh­re zu ge­ben … Aber sei­ne Jün­ger wa­ren fer­ne da­von, die­sen Tod zu ver­zei­hen, – was evan­ge­lisch im höchs­ten Sin­ne ge­we­sen wäre; oder gar sich zu ei­nem glei­chen Tode in sanf­ter und lieb­li­cher Ruhe des Her­zens an­zu­bie­ten… Gera­de das am meis­ten un­evan­ge­li­sche Ge­fühl, die Ra­che, kam wie­der oben­auf. Un­mög­lich konn­te die Sa­che mit die­sem Tode zu Ende sein: man brauch­te »Ver­gel­tung«, »Ge­richt« (– und doch, was kann noch un­evan­ge­li­scher sein, als »Ver­gel­tung«, »Stra­fe«, »Ge­richt-Hal­ten«!). Noch ein­mal kam die po­pu­lä­re Er­war­tung ei­nes Mes­si­as in den Vor­der­grund; ein his­to­ri­scher Au­gen­blick wur­de in’s Auge ge­faßt: das »Reich Got­tes« kommt zum Ge­richt über sei­ne Fein­de… Aber da­mit ist Al­les miß­ver­stan­den: das »Reich Got­tes« als Schluß­akt, als Ver­hei­ßung! Das Evan­ge­li­um war doch ge­ra­de das Da­sein, das Er­füllt­sein, die Wirk­lich­keit die­ses »Reichs« ge­we­sen. Gera­de ein sol­cher Tod war eben die­ses »Reich Got­tes«. Jetzt erst trug man die gan­ze Ver­ach­tung und Bit­ter­keit ge­gen Pha­ri­sä­er und Theo­lo­gen in den Ty­pus des Meis­ters ein, – man mach­te da­mit aus ihm einen Pha­ri­sä­er und Theo­lo­gen! And­rer­seits hielt die wild­ge­w­ord­ne Ver­eh­rung die­ser ganz aus den Fu­gen ge­rat­he­nen See­len jene evan­ge­li­sche Gleich­be­rech­ti­gung von Je­der­mann zum Kind Got­tes, die Je­sus ge­lehrt hat­te, nicht mehr aus; ihre Ra­che war, auf eine aus­schwei­fen­de Wei­se Je­sus em­por­zu­he­ben, von sich ab­zu­lö­sen: ganz so, wie ehe­dem die Ju­den aus Ra­che an ih­ren Fein­den ih­ren Gott von sich los­ge­trennt und in die Höhe ge­ho­ben ha­ben. Der Eine Gott und der Eine Sohn Got­tes: Bei­des Er­zeug­nis­se des res­sen­ti­ment

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      41.

      – Und von nun an tauch­te ein ab­sur­des Pro­blem auf: »wie konn­te Gott das zu­las­sen!« Da­rauf fand die ge­stör­te Ver­nunft der klei­nen Ge­mein­schaft eine ge­ra­de­zu schreck­lich ab­sur­de Ant­wort: Gott gab sei­nen Sohn zur Ver­ge­bung der Sün­den, als Op­fer. Wie war es mit Ei­nem Male zu Ende mit dem Evan­ge­li­um! Das Schul­dop­fer, und zwar in sei­ner wi­der­lichs­ten, bar­ba­rischs­ten Form, das Op­fer des Un­schul­di­gen für die Sün­den der Schul­di­gen! Wel­ches schau­der­haf­te Hei­dent­hum! – Je­sus hat­te ja den Be­griff »Schuld« selbst ab­ge­schafft, – er hat jede Kluft zwi­schen Gott und Mensch ge­leug­net, er leb­te die­se Ein­heit von Gott und Mensch als sei­ne »fro­he Bot­schaft« … Und nicht als Vor­recht! – Von nun an tritt schritt­wei­se in den Ty­pus des Er­lö­sers hin­ein: die Leh­re vom Ge­richt und von der Wie­der­kunft, die Leh­re vom Tod als ei­nem Op­fer­to­de, die Leh­re von der Au­fer­ste­hung, mit der der gan­ze Be­griff »Se­lig­keit«, die gan­ze und ein­zi­ge Rea­li­tät des Evan­ge­li­ums, es­ka­mo­tirt ist – zu Guns­ten ei­nes Zu­stan­des nach dem Tode! … Pau­lus hat die­se Auf­fas­sung, die­se Un­zucht von Auf­fas­sung mit je­ner rab­bi­ner­haf­ten Frech­heit, die ihn in al­len Stücken aus­zeich­net, da­hin lo­gi­sirt: » wenn Chris­tus nicht auf­er­stan­den ist von den Tod­ten, so ist un­ser Glau­be ei­tel«. – Und mit Ei­nem Male wur­de aus dem Evan­ge­li­um die ver­ächt­lichs­te al­ler un­er­füll­ba­ren Ver­spre­chun­gen, die un­ver­schäm­te Leh­re von der Per­so­nal-Uns­terb­lich­keit … Pau­lus selbst lehr­te sie noch als Lohn! …

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      42.

      Man sieht, was mit dem Tode am Kreuz zu Ende war: ein neu­er, ein durch­aus ur­sprüng­li­cher An­satz zu ei­ner bud­dhis­ti­schen Frie­dens­be­we­gung, zu ei­nem that­säch­li­chen, nicht bloß ver­hei­ße­nen Glück auf Er­den. Denn dies bleibt – ich hob es schon her­vor – der Grund­un­ter­schied zwi­schen den bei­den dé­ca­dence-Re­li­gio­nen: der Bud­dhis­mus ver­spricht nicht, son­dern hält, das Chris­ten­tum ver­spricht Al­les, aber hält Nichts. – Der »fro­hen Bot­schaft« folg­te auf dem Fuß die al­ler­schlimms­te: die des Pau­lus. In Pau­lus ver­kör­pert sich der Ge­gen­satz-Ty­pus zum »fro­hen Bot­schaf­ter«, das Ge­nie im Haß, in der Vi­si­on des Has­ses, in der un­er­bitt­li­chen Lo­gik des Has­ses. Was hat die­ser Dysan­ge­list Al­les dem Has­se zum Op­fer ge­bracht! Vor Al­lem den Er­lö­ser: er schlug ihn an sein Kreuz. Das Le­ben, das Bei­spiel, die Leh­re, der Tod, der Sinn und das Recht des gan­zen Evan­ge­li­ums – Nichts war mehr vor­han­den, als die­ser Falsch­mün­zer aus Haß be­griff, was al­lein er brau­chen konn­te. Nicht die Rea­li­tät, nicht die his­to­ri­sche Wahr­heit! … Und noch ein­mal ver­üb­te der Pries­ter-In­stinkt des Ju­den das glei­che große Ver­bre­chen an der His­to­rie, – er strich das Ges­tern, das Vor­ges­tern des Chris­ten­tums ein­fach durch, er er­fand sich eine Ge­schich­te des ers­ten Chris­ten­tums. Mehr noch: er fälsch­te die Ge­schich­te Is­raels noch­mals um, um als Vor­ge­schich­te für sei­ne That zu er­schei­nen: alle Pro­phe­ten ha­ben von sei­nem »Er­lö­ser« ge­re­det … Die Kir­che fälsch­te spä­ter so­gar die Ge­schich­te der Mensch­heit zur Vor­ge­schich­te des Chris­tent­hums… Der Ty­pus des Er­lö­sers, die Leh­re, die Prak­tik, der Tod, der Sinn des To­des, selbst das Nach­her des To­des – Nichts blieb un­an­ge­tas­tet, Nichts blieb auch nur ähn­lich der Wirk­lich­keit. Pau­lus ver­leg­te ein­fach das Schwer­ge­wicht je­nes gan­zen Da­seins hin­ter dies Da­sein, – in die Lüge vom »wie­der­au­fer­stan­de­nen« Je­sus. Er konn­te im Grun­de das Le­ben des Er­lö­sers über­haupt nicht brau­chen, – er hat­te den Tod am Kreuz nö­thig und et­was mehr noch… Ei­nen Pau­lus, der sei­ne Hei­math an dem Haupt­sitz der stoi­schen Auf­klä­rung hat­te, für ehr­lich hal­ten, wenn er sich aus ei­ner Hal­lu­ci­na­ti­on den Be­weis vom Noch-Le­ben des Er­lö­sers zu­recht macht, oder auch nur sei­ner Er­zäh­lung, daß er die­se Hal­lu­ci­na­ti­on ge­habt hat, Glau­ben schen­ken, wäre eine wah­re niai­se­rie sei­tens ei­nes Psy­cho­lo­gen: Pau­lus woll­te den Zweck, folg­lich woll­te er auch die Mit­tel… Was er selbst nicht glaub­te, die Idio­ten, un­ter die er sei­ne Leh­re warf, glaub­ten es. – Sein Be­dürf­niß war die Macht; mit Pau­lus woll­te noch­mals der Pries­ter zur Macht, – er konn­te nur Be­grif­fe, Leh­ren, Sym­bo­le brau­chen, mit de­nen man Mas­sen ty­ran­ni­sirt, He­er­den bil­det. Was al­lein ent­lehn­te spä­ter Mu­ham­med dem Chris­ten­tum? Die Er­fin­dung des Pau­lus, sein Mit­tel zur Pries­ter-Ty­ran­nei, zur He­er­den-Bil­dung: den Uns­terb­lich­keits-Glau­ben – das heißt die Leh­re vom »Ge­richt«…

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      43.

      Wenn man das Schwer­ge­wicht des Le­bens nicht in’s Le­ben, son­dern in’s »Jen­seits« ver­legt – in’s Nichts –, so hat man dem Le­ben über­haupt das Schwer­ge­wicht ge­nom­men. Die große Lüge von der Per­so­nal-Uns­terb­lich­keit zer­stört jede Ver­nunft, jede Na­tur im In­stink­te, – Al­les, was wohlt­hä­tig, was le­ben­för­dernd, was zu­kunft­ver­bür­gend in den In­stink­ten ist, er­regt nun­mehr Miß­trau­en. So zu le­ben, daß es kei­nen Sinn mehr hat,


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