Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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wäre Se­lig­keit – tech­ni­scher ge­re­det, Lust – je­mals ein Be­weis der Wahr­heit? So we­nig, daß es bei­na­he den Ge­gen­be­weis, je­den­falls den höchs­ten Arg­wohn ge­gen »Wahr­heit« ab­giebt, wenn Lu­st­emp­fin­dun­gen über die Fra­ge »was ist wahr?« mit­re­den. Der Be­weis der »Lust« ist ein Be­weis für »Lust«, – nichts mehr; wo­her um Al­les in der Welt stün­de es fest, daß ge­ra­de wah­re Urt­hei­le mehr Ver­gnü­gen mach­ten als falsche und, ge­mäß ei­ner prä­sta­bi­lir­ten Har­mo­nie, an­ge­neh­me Ge­füh­le mit Not­wen­dig­keit hin­ter sich drein zö­gen? – Die Er­fah­rung al­ler stren­gen, al­ler tief ge­ar­te­ten Geis­ter lehrt das Um­ge­kehr­te. Man hat je­den Schritt breit Wahr­heit sich ab­rin­gen müs­sen, man hat fast Al­les da­ge­gen preis­ge­ben müs­sen, wor­an sonst da? Herz, wor­an uns­re Lie­be, un­ser Ver­trau­en zum Le­ben hängt. Es be­darf Grö­ße der See­le dazu: der Dienst der Wahr­heit ist der här­tes­te Dienst. – Was heißt denn recht­schaf­fen sein in geis­ti­gen Din­gen? Daß man streng ge­gen sein Herz ist, daß man die »schö­nen Ge­füh­le« ver­ach­tet, daß man sich aus je­dem Ja und Nein ein Ge­wis­sen macht! – – – Der Glau­be macht se­lig: folg­lich lügt er …

      *

      51.

      Daß der Glau­be un­ter Um­stän­den se­lig macht, daß Se­lig­keit aus ei­ner fi­xen Idee noch nicht eine wah­re Idee macht, daß der Glau­be kei­ne Ber­ge ver­setzt, wohl aber Ber­ge hin­setzt, wo es kei­ne giebt: ein flüch­ti­ger Gang durch ein Ir­ren­haus klärt zur Ge­nü­ge dar­über auf. Nicht frei­lich einen Pries­ter: denn der leug­net aus In­stinkt, daß Krank­heit Krank­heit, daß Ir­ren­haus Ir­ren­haus ist. Das Chris­tent­hum hat die Krank­heit nö­thig, un­ge­fähr wie das Grie­chent­hum einen Über­schuß von Ge­sund­heit nö­thig hat, – krank- ma­chen ist die ei­gent­li­che Hin­ter­ab­sicht des gan­zen Heil­spro­ce­du­ren-Sys­tems der Kir­che. Und die Kir­che selbst – ist sie nicht das ka­tho­li­sche Ir­ren­haus als letz­tes Ide­al? – Die Erde über­haupt als Ir­ren­haus? – Der re­li­gi­öse Mensch, wie ihn die Kir­che will, ist ein ty­pi­scher dé­ca­dent; der Zeit­punkt, wo eine re­li­gi­öse Kri­sis über ein Volk Herr wird, ist je­des­mal durch Ner­ven-Epi­de­mi­en ge­kenn­zeich­net; die »in­ne­re Welt« des re­li­gi­ösen Men­schen sieht der »in­ne­ren Welt« der Über­reiz­ten und Er­schöpf­ten zum Ver­wech­seln ähn­lich; die »höchs­ten« Zu­stän­de, wel­che das Chris­tent­hum als Werth al­ler Wert­he über der Mensch­heit auf­ge­hängt hat, sind epi­lep­toi­de For­men, – die Kir­che hat nur Ver­rück­te oder große Be­trü­ger in ma­jo­rem dei ho­no­rem hei­lig ge­spro­chen… Ich habe mir ein­mal er­laubt, den gan­zen christ­li­chen Buß- und Er­lö­sungs- trai­ning (den man heu­te am bes­ten in Eng­land stu­dirt) als eine me­tho­disch er­zeug­te fo­lie cir­cu­lai­re zu be­zeich­nen, wie bil­lig, auf ei­nem be­reits dazu vor­be­rei­te­ten, das heißt gründ­lich mor­bi­den Bo­den. Es steht Nie­man­dem frei, Christ zu wer­den: man wird zum Chris­tent­hum nicht »be­kehrt«, – man muß krank ge­nug dazu sein … Wir An­de­ren, die wir den Muth zur Ge­sund­heit und auch zur Ver­ach­tung ha­ben, wie dür­fen wir eine Re­li­gi­on ver­ach­ten, die den Leib miß­ver­ste­hen lehr­te! die den See­len–A­ber­glau­ben nicht los­wer­den will! die aus der un­zu­rei­chen­den Er­näh­rung ein »Ver­dienst« macht! die in der Ge­sund­heit eine Art Feind, Teu­fel, Ver­su­chung be­kämpft! die sich ein­re­de­te, man kön­ne eine »voll­komm­ne See­le« in ei­nem Ca­da­ver von Leib her­um­tra­gen, und dazu nö­thig hat­te, einen neu­en Be­griff der »Voll­kom­men­heit« sich zu­recht zu ma­chen, ein blei­ches, krank­haf­tes, idio­tisch-schwär­me­ri­sches We­sen, die so­ge­nann­te »Hei­lig­keit«, – Hei­lig­keit, selbst bloß eine Sym­pto­men-Rei­he des ver­arm­ten, ent­nerv­ten, un­heil­bar ver­dor­be­nen Lei­bes! … Die christ­li­che Be­we­gung, als eine eu­ro­päi­sche Be­we­gung, ist von vorn­her­ein eine Ge­sammt-Be­we­gung der Aus­schuß- und Ab­falls-Ele­men­te al­ler Art (– die­se wol­len mit dem Chris­tent­hum zur Macht). Sie drückt nicht den Nie­der­gang ei­ner Ras­se aus, sie ist eine Ag­gre­gat-Bil­dung sich zu­sam­mendrän­gen­der und sich su­chen­der dé­ca­dence-For­men von Über­all. Es ist nicht, wie man glaubt, die Kor­rup­ti­on des Al­ter­thums selbst, des vor­neh­men Al­ter­thums, was das Chris­tent­hum er­mög­lich­te: man kann dem ge­lehr­ten Idio­tis­mus, der auch heu­te noch so Et­was auf­recht er­hält, nicht hart ge­nug wi­der­spre­chen. In der Zeit, wo die kran­ken, ver­dor­be­nen Tschan­da­la-Schich­ten im gan­zen Im­pe­ri­um sich chris­tia­ni­sir­ten, war ge­ra­de der Ge­gen­ty­pus, die Vor­nehm­heit, in ih­rer schöns­ten und reifs­ten Ge­stalt vor­han­den. Die große Zahl wur­de Herr; der De­mo­kra­tis­mus der christ­li­chen In­stink­te sieg­te … Das Chris­tent­hum war nicht »na­tio­nal«, nicht ras­se­be­dingt, – es wen­de­te sich an jede Art von Ent­erb­ten des Le­bens, es hat­te sei­ne Ver­bün­de­ten über­all. Das Chris­tent­hum hat die Ran­cu­ne der Kran­ken auf dem Grun­de, den In­stinkt ge­gen die Ge­sun­den, ge­gen die Ge­sund­heit ge­rich­tet. Al­les Wohl­ge­rat­he­ne, Stol­ze, Über­müthi­ge, die Schön­heit vor Al­lem thut ihm in Ohren und Au­gen weh. Noch­mals er­inn­re ich an das un­schätz­ba­re Wort des Pau­lus: »Was schwach ist vor der Welt, was thö­richt ist vor der Welt, das Uned­le und Ver­ach­te­te vor der Welt hat Gott er­wäh­let«: das war die For­mel, in hoc si­gno sieg­te die dé­ca­dence. – Gott am Kreu­ze – ver­steht man im­mer noch die furcht­ba­re Hin­ter­ge­dank­lich­keit die­ses Sym­bols nicht? – Al­les was lei­det, Al­les was am Kreu­ze hängt, ist gött­lich … Wir Alle hän­gen am Kreu­ze, folg­lich sind wir gött­lich … Wir al­lein sind gött­lich … Das Chris­tent­hum war ein Sieg, eine vor­neh­me­re Ge­sin­nung gieng an ihm zu Grun­de,– das Chris­tent­hum war bis­her das größ­te Un­glück der Mensch­heit. – –

      *

      52.

      Das Chris­tent­hum steht auch im Ge­gen­satz zu al­ler geis­ti­gen Wohl­ge­rat­hen­heit, – es kann nur die kran­ke Ver­nunft als christ­li­che Ver­nunft brau­chen, es nimmt die Par­tei al­les Idio­ti­schen, es spricht den Fluch aus ge­gen den »Geist«, ge­gen die su­per­bia­des ge­sun­den Geis­tes. Weil die Krank­heit zum We­sen des Chris­tent­hums ge­hört, muß auch der ty­pisch-christ­li­che Zu­stand, »der Glau­be«, eine Krank­heits­form sein, müs­sen alle ge­ra­den, recht­schaff­nen, wis­sen­schaft­li­chen Wege zur Er­kennt­nis von der Kir­che als ver­bo­te­ne Wege ab­ge­lehnt wer­den. Der Zwei­fel be­reits ist eine Sün­de … Der voll­komm­ne Man­gel an psy­cho­lo­gi­scher Rein­lich­keit beim Pries­ter – im Blick sich ver­rat­hend – ist eine Fol­ge­er­schei­nung der dé­ca­dence– man hat die hys­te­ri­schen Frau­en­zim­mer, and­rer­seits rha­chi­tisch an­ge­leg­te Kin­der dar­auf hin zu be­ob­ach­ten, wie re­gel­mä­ßig Falsch­heit aus In­stinkt, Lust zu lü­gen, um zu lü­gen, Un­fä­hig­keit zu ge­ra­den Bli­cken und Schrit­ten der Aus­druck von dé­ca­dence ist. »Glau­be« heißt Nicht-wis­sen- wol­len, was wahr ist. Der Pie­tist, der Pries­ter bei­der­lei Ge­schlechts, ist falsch, weil er krank ist: sein In­stinkt ver­langt, daß die Wahr­heit an kei­nem Punkt zu Rech­te kommt. »Was krank macht, ist gut; was aus der Fül­le, aus dem Über­fluß, aus der Macht kommt, ist böse«: so emp­fin­det der Gläu­bi­ge. Die Un­frei­heit zur Lüge – dar­an er­rat­he ich je­den vor­her­be­stimm­ten Theo­lo­gen. – Ein andres Ab­zei­chen des Theo­lo­gen ist sein Un­ver­mö­gen zur Phi­lo­lo­gie. Un­ter Phi­lo­lo­gie soll hier, in ei­nem sehr all­ge­mei­nen


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