Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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Her­kunft, nicht lang­sam und un­ter Fehl­grif­fen ge­sucht und ge­fun­den, son­dern, als gött­li­chen Ur­sprungs, ganz, voll­kom­men, ohne Ge­schich­te, ein Ge­schenk, ein Wun­der, bloß mit­get­heilt … So­dann die Tra­di­ti­on, das ist die Be­haup­tung, daß das Ge­setz be­reits seit ur­al­ten Zei­ten be­stan­den habe, daß es pie­tät­los, ein Ver­bre­chen an den Vor­fah­ren sei, es in Zwei­fel zu ziehn. Die Au­to­ri­tät des Ge­set­zes be­grün­det sich mit den The­sen: Gott gab es, die Vor­fah­ren leb­ten es. – Die hö­he­re Ver­nunft ei­ner sol­chen Pro­ce­dur liegt in der Ab­sicht, das Be­wußt­sein Schritt für Schritt von dem als rich­tig er­kann­ten (das heißt durch eine un­ge­heu­re und scharf durch­ge­sieb­te Er­fah­rung be­wie­se­nen) Le­ben zu­rück­zu­drän­gen: so­daß der voll­komm­ne Au­to­ma­tis­mus des In­stinkts er­reicht wird, – die­se Voraus­set­zung zu je­der Art Meis­ter­schaft, zu je­der Art Voll­kom­men­heit in der Kunst des Le­bens. Ein Ge­setz­buch nach Art des Manu auf­stel­len heißt ei­nem Vol­ke für­der­hin zu­ge­stehn, Meis­ter zu wer­den, voll­kom­men zu wer­den, – die höchs­te Kunst des Le­bens zu am­bi­tio­ni­ren. Dazu muß es un­be­wußt ge­macht wer­den: dies der Zweck je­der hei­li­gen Lüge. – Die Ord­nung der Kas­ten, das obers­te, das do­mi­ni­ren­de Ge­setz, ist nur die Sank­ti­on ei­ner Na­tur-Ord­nung, Na­tur-Ge­setz­lich­keit ers­ten Ran­ges, über die kei­ne Will­kür, kei­ne »mo­der­ne Idee« Ge­walt hat. Es tre­ten in je­der ge­sun­den Ge­sell­schaft, sich ge­gen­sei­tig be­din­gend, drei phy­sio­lo­gisch ver­schie­den-gra­vi­ti­ren­de Ty­pen aus­ein­an­der, von de­nen je­der sei­ne eig­ne Hy­gie­ne, sein eig­nes Reich von Ar­beit, sei­ne eig­ne Art Voll­kom­men­heits-Ge­fühl und Meis­ter­schaft hat. Die Na­tur, nicht Manu, trennt die vor­wie­gend Geis­ti­gen, die vor­wie­gend Mus­kel- und Tem­pe­ra­ments-Star­ken und die we­der im Ei­nen, noch im An­dern aus­ge­zeich­ne­ten Drit­ten, die Mit­tel­mä­ßi­gen, von ein­an­der ab, – die letz­te­ren als die große Zahl, die ers­te­ren als die Aus­wahl. Die obers­te Kas­te – ich nen­ne sie die We­nigs­ten – hat als die voll­komm­ne auch die Vor­rech­te der We­nigs­ten: dazu ge­hört es, das Glück, die Schön­heit, die Güte auf Er­den dar­zu­stel­len. Nur die geis­tigs­ten Men­schen ha­ben die Er­laub­niß zur Schön­heit, zum Schö­nen: nur bei ih­nen ist Güte nicht Schwä­che. Pulchrum est pau­corum ho­mi­num: das Gute ist ein Vor­recht. Nichts kann ih­nen da­ge­gen we­ni­ger zu­ge­stan­den wer­den, als häß­li­che Ma­nie­ren oder ein pes­si­mis­ti­scher Blick, ein Auge, das ver­häß­licht –, oder gar eine Ent­rüs­tung über den Ge­sammt-Aspekt der Din­ge. Die Ent­rüs­tung ist das Vor­recht der Tschan­da­la; der Pes­si­mis­mus des­glei­chen. »Die Welt ist voll­kom­men – so re­det der In­stinkt der Geis­tigs­ten, der Ja-sa­gen­de In­stinkt –: die Un­voll­kom­men­heit, das Un­ter-uns je­der Art, die Di­stanz, das Pa­thos der Di­stanz, der Tschan­da­la selbst ge­hört noch zu die­ser Voll­kom­men­heit.« Die geis­tigs­ten Men­schen, als die Stärks­ten, fin­den ihr Glück, worin And­re ih­ren Un­ter­gang fin­den wür­den: im La­by­rinth, in der Här­te ge­gen sich und And­re, im Ver­such; ihre Lust ist die Selbst­be­zwin­gung: der As­ke­tis­mus wird bei ih­nen Na­tur, Be­dürf­niß, In­stinkt. Die schwe­re Auf­ga­be gilt ih­nen als Vor­recht; mit Las­ten zu spie­len, die And­re er­drücken, eine Er­ho­lung… Er­kennt­niß – eine Form des As­ke­tis­mus. – Sie sind die ehr­wür­digs­te Art Mensch: das schließt nicht aus, daß sie die hei­ters­te, die lie­bens­wür­digs­te sind. Sie herr­schen, nicht weil sie wol­len, son­dern weil sie sind; es steht ih­nen nicht frei, die Zwei­ten zu sein. – Die Zwei­ten: das sind die Wäch­ter des Rechts, die Pfle­ger der Ord­nung und der Si­cher­heit, das sind die vor­neh­men Krie­ger, das ist der Kö­nig vor Al­lem als die höchs­te For­mel von Krie­ger, Rich­ter und Auf­recht­er­hal­ter des Ge­set­zes. Die Zwei­ten sind die Exe­ku­ti­ve der Geis­tigs­ten, das Nächs­te, was zu ih­nen ge­hört, das was ih­nen al­les Gro­be in der Ar­beit des Herr­schens ab­nimmt, – ihr Ge­fol­ge, ihre rech­te Hand, ihre bes­te Schü­ler­schaft. – In dem Al­lem, noch­mals ge­sagt, ist Nichts von Will­kür, Nichts »ge­macht«; was an­ders ist, ist ge­macht, – die Na­tur ist dann zu Schan­den ge­macht… Die Ord­nung der Kas­ten, die Rang­ord­nung, for­mu­lirt nur das obers­te Ge­setz des Le­bens selbst; die Ab­schei­dung der drei Ty­pen ist nö­thig zur Er­hal­tung der Ge­sell­schaft, zur Er­mög­li­chung hö­he­rer und höchs­ter Ty­pen, – die Un­gleich­heit der Rech­te ist erst die Be­din­gung da­für, daß es über­haupt Rech­te giebt, – Ein Recht ist ein Vor­recht. In sei­ner Art Sein hat Je­der auch sein Vor­recht. Un­ter­schät­zen wir die Vor­rech­te der Mit­tel­mä­ßi­gen nicht. Das Le­ben nach der Höhe zu wird im­mer här­ter, – die Käl­te nimmt zu, die Verant­wort­lich­keit nimmt zu. Eine hohe Cul­tur ist eine Py­ra­mi­de: sie kann nur auf ei­nem brei­ten Bo­den stehn, sie hat zu al­ler­erst eine stark und ge­sund con­so­li­dir­te Mit­tel­mä­ßig­keit zur Voraus­set­zung. Das Hand­werk, der Han­del, der Acker­bau, die Wis­sen­schaft, der größ­te Theil der Kunst, der gan­ze In­be­griff der Be­rufs­tä­tig­keit mit Ei­nem Wort, ver­trägt sich durch­aus nur mit ei­nem Mit­tel­maaß im Kön­nen und Be­geh­ren; der­glei­chen wäre de­pla­cirt un­ter Aus­nah­men, der da­zu­ge­hö­ri­ge In­stinkt wi­der­sprä­che so­wohl dem Ari­sto­kra­tis­mus als dem An­ar­chis­mus. Daß man ein öf­fent­li­cher Nut­zen ist, ein Rad, eine Funk­ti­on, dazu giebt es eine Na­tur­be­stim­mung: nicht die Ge­sell­schaft, die Art Glück, de­ren die Al­ler­meis­ten bloß fä­hig sind, macht aus ih­nen in­tel­li­gen­te Ma­schi­nen. Für den Mit­tel­mä­ßi­gen ist mit­tel­mä­ßig sein ein Glück; die Meis­ter­schaft in Ei­nem, die Spe­cia­li­tät ein na­tür­li­cher In­stinkt. Es wür­de ei­nes tiefe­ren Geis­tes voll­kom­men un­wür­dig sein, in der Mit­tel­mä­ßig­keit an sich schon einen Ein­wand zu sehn. Sie ist selbst die ers­te Not­wen­dig­keit da­für, daß es Aus­nah­men ge­ben darf: eine hohe Cul­tur ist durch sie be­dingt. Wenn der Aus­nah­me-Mensch ge­ra­de die Mit­tel­mä­ßi­gen mit zar­te­ren Fin­gern hand­habt, als sich und sei­nes Glei­chen, so ist dies nicht bloß Höf­lich­keit des Her­zens, – es ist ein­fach sei­ne Pf­licht … Wen has­se ich un­ter dem Ge­sin­del von Heu­te am bes­ten? Das So­cia­lis­ten-Ge­sin­del, die Tschan­da­la-Apos­tel, die den In­stinkt, die Lust, das Ge­nüg­sam­keits-Ge­fühl des Ar­bei­ters mit sei­nem klei­nen Sein un­ter­gra­ben, – die ihn nei­disch ma­chen, die ihn Ra­che leh­ren … Das Un­recht liegt nie­mals in un­glei­chen Rech­ten, es liegt im An­spruch auf »glei­che« Rech­te … Was ist schlecht? Aber ich sag­te es schon: Al­les, was aus Schwä­che, aus Neid, aus Ra­che stammt. – Der An­ar­chist und der Christ sind Ei­ner Her­kunft …

      *

      58.

      In der That, es macht einen Un­ter­schied, zu wel­chem Zweck man lügt: ob man da­mit er­hält oder zer­stört. Man darf zwi­schen Christ und An­ar­chist eine voll­komm­ne Glei­chung auf­stel­len: ihr Zweck, ihr In­stinkt geht nur auf Zer­stö­rung. Den Be­weis für die­sen Satz hat man aus der Ge­schich­te nur ab­zu­le­sen: sie ent­hält ihn in ent­setz­li­cher Deut­lich­keit. Lern­ten wir eben eine re­li­gi­öse Ge­setz­ge­bung ken­nen, de­ren Zweck war, die obers­te Be­din­gung da­für, daß das Le­ben ge­deiht, eine große Or­ga­ni­sa­ti­on der Ge­sell­schaft zu »ver­ewi­gen«, – das Chris­tent­hum hat sei­ne Miss­ton dar­in ge­fun­den, mit eben ei­ner sol­chen Or­ga­ni­sa­ti­on, weil in ihr das Le­ben ge­dieh, ein Ende zu ma­chen. Dort soll­te der Ver­nunft-Er­trag von lan­gen Zei­ten des Ex­pe­ri­ments und der Un­si­cher­heit zum ferns­ten Nut­zen an­ge­legt und die Ern­te so groß, so reich­lich, so


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