Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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der Kir­che, im­mer im Diens­te al­ler schlech­ten In­stink­te der Kir­che, – aber gut be­zahl­t… Daß die Kir­che ge­ra­de mit Hül­fe deut­scher Schwer­ter, deut­schen Blu­tes und Mu­thes ih­ren Tod­feind­schafts-Krieg ge­gen al­les Vor­neh­me auf Er­den durch­ge­führt hat! Es giebt an die­ser Stel­le eine Men­ge schmerz­li­cher Fra­gen. Der deut­sche Adel fehlt bei­na­he in der Ge­schich­te der hö­he­ren Cul­tur: man er­räth den Grund … Chris­tent­hum, Al­ko­hol – die bei­den großen Mit­tel der Cor­rup­ti­on … An sich soll­te es ja kei­ne Wahl ge­ben, an­ge­sichts von Is­lam und Chris­tent­hum, so we­nig als an­ge­sichts ei­nes Ara­bers und ei­nes Ju­den. Die Ent­schei­dung ist ge­ge­ben; es steht Nie­man­dem frei, hier noch zu wäh­len. Ent­we­der ist man ein Tschan­da­la, oder man ist es nicht … »Krieg mit Rom auf­’s Mes­ser! Frie­de, Freund­schaft mit dem Is­lam«: so emp­fand, so that je­ner große Frei­geist, das Ge­nie un­ter den deut­schen Kai­sern, Fried­rich der Zwei­te. Wie? muß ein Deut­scher erst Ge­nie, erst Frei­geist sein, um an­stän­dig zu emp­fin­den? Ich be­grei­fe nicht, wie ein Deut­scher je christ­lich emp­fin­den konn­te…

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      61.

      Hier thut es noth, eine für Deut­sche noch hun­dert­mal pein­li­che­re Erin­ne­rung zu be­rüh­ren. Die Deut­schen ha­ben Eu­ro­pa um die letz­te große Cul­tur-Ern­te ge­bracht, die es für Eu­ro­pa heim­zu­brin­gen gab, – um die der Re­naissance. Ver­steht man end­lich, will man ver­stehn, was die Re­naissance war? Die Um­wer­thung der christ­li­chen Wert­he, der Ver­such, mit al­len Mit­teln, mit al­len In­stink­ten, mit al­lem Ge­nie un­ter­nom­men, die Ge­gen-Wert­he, die vor­neh­men Wert­he zum Sieg zu brin­gen… Es gab bis­her nur die­sen großen Krieg, es gab bis­her kei­ne ent­schei­den­de­re Fra­ge­stel­lung als die der Re­naissance, – mei­ne Fra­ge ist ihre Fra­ge –: es gab auch nie eine grund­sätz­li­che­re, eine ge­ra­de­re, eine stren­ger in gan­zer Front und auf das Cen­trum los ge­führ­te Form des An­griffs! An der ent­schei­den­den Stel­le, im Sitz des Chris­tent­hums selbst an­grei­fen, hier die vor­neh­men Wert­he auf den Thron brin­gen, will sa­gen in die In­stink­te, in die un­ters­ten Be­dürf­nis­se und Be­gier­den der da­selbst Sit­zen­den hin­ein brin­gen … Ich sehe eine Mög­lich­keit vor mir von ei­nem voll­kom­men über­ir­di­schen Zau­ber und Far­ben­reiz: – es scheint mir, daß sie in al­len Schau­dern raf­fi­nir­ter Schön­heit er­glänzt, daß eine Kunst in ihr am Wer­ke ist, so gött­lich, so teu­fels­mä­ßig-gött­lich, daß man Jahr­tau­sen­de um­sonst nach ei­ner zwei­ten sol­chen Mög­lich­keit durch­sucht; ich sehe ein Schau­spiel, so sinn­reich, so wun­der­bar pa­ra­dox zu­gleich, daß alle Gott­hei­ten des Olym­ps einen An­laß zu ei­nem un­s­terb­li­chen Ge­läch­ter ge­habt hät­ten – Ce­sa­re Bor­gia als Papst… Ver­steht man mich? … Wohl­an, das wäre der Sieg ge­we­sen, nach dem ich heu­te al­lein ver­lan­ge –: da­mit war das Chris­ten­tum ab­ge­schafft! – Was ge­sch­ah? Ein deut­scher Mönch, Luther, kam nach Rom. Die­ser Mönch, mit al­len rach­süch­ti­gen In­stink­ten ei­nes ver­un­glück­ten Pries­ters im Lei­be, em­pör­te sich in Rom ge­gen die Re­naissance … Statt mit tiefs­ter Dank­bar­keit das Un­ge­heu­re zu ver­stehn, das ge­sche­hen war, die Über­win­dung des Chris­tent­hums an sei­nem Sitz –, ver­stand sein Haß aus die­sem Schau­spiel nur sei­ne Nah­rung zu ziehn. Ein re­li­gi­öser Mensch denkt nur an sich. – Luther sah die Ver­derb­niß des Papst­t­hums, wäh­rend ge­ra­de das Ge­gent­heil mit Hän­den zu grei­fen war: die alte Ver­derb­niß, das pec­ca­tum ori­gi­na­le, das Chris­tent­hum saß nicht mehr auf dem Stuhl des Paps­tes! Son­dern das Le­ben! Son­dern der Tri­umph des Le­bens! Son­dern das große Ja zu al­len ho­hen, schö­nen, ver­we­ge­nen Din­gen! … Und Luther stell­te die Kir­che wie­der her: er griff sie an… Die Re­naissance – ein Er­eigniß ohne Sinn, ein großes Um­sonst! – Ah die­se Deut­schen, was sie uns schon ge­kos­tet ha­ben! Um­sonst – das war im­mer das Werk der Deut­schen. – Die Re­for­ma­ti­on; Leib­niz; Kant und die so­ge­nann­te deut­sche Phi­lo­so­phie; die »Frei­heits«-Krie­ge; das Reich – je­des­mal ein Um­sonst für Et­was, das be­reits da war, für et­was Un­wie­der­bring­li­ches … Es sind mei­ne Fein­de, ich be­ken­ne es, die­se Deut­schen: ich ver­ach­te in ih­nen jede Art von Be­griffs- und Werth-Unsau­ber­keit, von Feig­heit vor je­dem recht­schaff­nen Ja und Nein. Sie ha­ben, seit ei­nem Jahr­tau­send bei­na­he, Al­les ver­filzt und ver­wirrt, wor­an sie mit ih­ren Fin­gern rühr­ten, sie ha­ben alle Halb­hei­ten – Drei-Ach­tels­hei­ten! – auf dem Ge­wis­sen, an de­nen Eu­ro­pa krank ist, – sie ha­ben auch die un­sau­bers­te Art Chris­tent­hum, die es giebt, die un­heil­bars­te, die un­wi­der­leg­bars­te, den Pro­tes­tan­tis­mus auf dem Ge­wis­sen … Wenn man nicht fer­tig wird mit dem Chris­tent­hum, die Deut­schen wer­den dar­an schuld sein …

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      62.

      – Hier­mit bin ich am Schluß und spre­che mein Urt­heil. Ich ver­urt­hei­le das Chris­tent­hum, ich er­he­be ge­gen die christ­li­che Kir­che die furcht­bars­te al­ler An­kla­gen, die je ein An­klä­ger in den Mund ge­nom­men hat. Sie ist mir die höchs­te al­ler denk­ba­ren Cor­rup­tio­nen, sie hat den Wil­len zur letz­ten auch nur mög­li­chen Cor­rup­ti­on ge­habt. Die christ­li­che Kir­che ließ Nichts mit ih­rer Ver­derb­niß un­be­rührt, sie hat aus je­dem Werth einen Un­werth, aus je­der Wahr­heit eine Lüge, aus je­der Recht­schaf­fen­heit eine See­len-Nie­der­tracht ge­macht. Man wage es noch, mir von ih­ren »hu­ma­ni­tär­en« Seg­nun­gen zu re­den! Ir­gend einen Noth­stand ab­schaf­fen gieng wi­der ihre tiefs­te Nütz­lich­keit: sie leb­te von Noth­stän­den, sie schuf Noth­stän­de, um sich zu ver­ewi­gen… Der Wurm der Sün­de zum Bei­spiel: mit die­sem Noth­stan­de hat erst die Kir­che die Mensch­heit be­rei­chert! – Die »Gleich­heit der See­len vor Gott«, die­se Falsch­heit, die­ser Vor­wand für die ran­cu­ne al­ler Nied­rig­ge­sinn­ten, die­ser Spreng­stoff von Be­griff, der end­lich Re­vo­lu­ti­on, mo­der­ne Idee und Nie­der­gangs-Prin­cip der gan­zen Ge­sell­schafts-Ord­nung ge­wor­den ist, – ist christ­li­cher Dy­na­mit… »Hu­ma­ni­täre« Seg­nun­gen des Chris­tent­hums! Aus der hu­ma­ni­tas einen Selbst-Wi­der­spruch, eine Kunst der Selbst­schän­dung, einen Wil­len zur Lüge um je­den Preis, einen Wi­der­wil­len, eine Ver­ach­tung al­ler gu­ten und recht­schaff­nen In­stink­te her­aus­zu­züch­ten! Das wä­ren mir Seg­nun­gen des Chris­tent­hums! – Der Pa­ra­si­tis­mus als ein­zi­ge Pra­xis der Kir­che; mit ih­rem Bleich­suchts-, ih­rem »Hei­lig­keits«-Idea­le je­des Blut, jede Lie­be, jede Hoff­nung zum Le­ben aus­trin­kend: das Jen­seits als Wil­le zur Ver­nei­nung je­der Rea­li­tät; das Kreuz als Er­ken­nungs­zei­chen für die un­ter­ir­dischs­te Ver­schwö­rung, die es je ge­ge­ben hat, – ge­gen Ge­sund­heit, Schön­heit, Wohl­ge­rat­hen­heit, Tap­fer­keit, Geist, Güte der See­le, ge­gen das Le­ben selbst …

      Die­se ewi­ge An­kla­ge des Chris­tent­hums will ich an alle Wän­de schrei­ben, wo es nur Wän­de giebt, – ich habe Buch­sta­ben, um auch Blin­de se­hend zu ma­chen… Ich hei­ße das Chris­tent­hum den Ei­nen großen Fluch, die Eine große in­ner­lichs­te Ver­dor­ben­heit, den Ei­nen großen In­stinkt der Ra­che, dem kein Mit­tel gif­tig, heim­lich, un­ter­ir­disch, klein ge­nug ist, – ich hei­ße es den Ei­nen un­s­terb­li­chen Schand­fleck der Mensch­heit …

      Und man rech­net die Zeit nach dem dies ne­fas­tus, mit dem dies Ver­häng­niß an­hob, – nach dem ers­ten Tag des Chris­tent­hums! – Wa­rum nicht lie­ber nach


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