Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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ih­rem Grun­de der Tod­hass der Ge­schlech­ter ist! – Ich weiss kei­nen Fall, wo der tra­gi­sche Witz, der das We­sen der Lie­be macht, so streng sich aus­drück­te, so schreck­lich zur For­mel wür­de, wie im letz­ten Schrei Don José’s, mit dem das Werk schliesst:

       "Ja! Ich habe sie ge­töd­tet,

       ich – mei­ne an­ge­be­te­te Car­men!"

      – Eine sol­che Auf­fas­sung der Lie­be (die ein­zi­ge, die des Phi­lo­so­phen wür­dig ist –) ist sel­ten: sie hebt ein Kunst­werk un­ter Tau­sen­den her­aus. Denn im Durch­schnitt ma­chen es die Künst­ler wie alle Welt, so­gar schlim­mer – sie miss­ver­ste­hen die Lie­be. Auch Wa­gner hat sie miss­ver­stan­den. Sie glau­ben in ihr selbst­los zu sein, weil sie den Vort­heil ei­nes and­ren We­sens wol­len, oft wi­der ih­ren ei­ge­nen Vort­heil. Aber da­für wol­len sie je­nes and­re We­sen be­sit­zen … So­gar Gott macht hier kei­ne Aus­nah­me. Er ist fer­ne da­von zu den­ken "was geht dich’s an, wenn ich dich lie­be?" – er wird schreck­lich, wenn man ihn nicht wie­der liebt. L’a­mour – mit die­sem Spruch be­hält man un­ter Göt­tern und Men­schen Recht – est de tous les sen­ti­ments le plus égoïs­te, et, par conséquent, lor­s­qu’il est blessé, le moins généreux. (B. Con­stant.)

      Sie se­hen be­reits, wie sehr mich die­se Mu­sik ver­bes­sert? – Il faut mé­di­ter­ra­ni­ser la mu­si­que: ich habe Grün­de zu die­ser For­mel (jen­seits von Gut und Böse, S. 220). Die Rück­kehr zur Na­tur, Ge­sund­heit, Hei­ter­keit, Ju­gend, Tu­gend! – Und doch war ich Ei­ner der cor­rup­tes­ten Wa­gne­ria­ner … Ich war im Stan­de, Wa­gnern ernst zu neh­men … Ah die­ser alte Zau­be­rer! was hat er uns Al­les vor­ge­macht! Das Ers­te, was sei­ne Kunst uns an­bie­tet, ist ein Ver­grös­se­rungs­glas: man sieht hin­ein, man traut sei­nen Au­gen nicht – Al­les wird gross, selbst Wa­gner wird gross … Was für eine klu­ge Klap­per­schlan­ge! Das gan­ze Le­ben hat sie uns von "Hin­ge­bung", von "Treue", von "Rein­heit" vor­ge­klap­pert, mit ei­nem Lobe auf die Keusch­heit zog sie sich aus der ver­derb­ten Welt zu­rück! – Und wir ha­ben’s ihr ge­glaubt …

      – Aber Sie hö­ren mich nicht? Sie zie­hen selbst das Pro­blem Wa­gner’s dem Bi­zet’s vor? Auch ich un­ter­schät­ze es nicht, es hat sei­nen Zau­ber. Das Pro­blem der Er­lö­sung ist selbst ein ehr­wür­di­ges Pro­blem. Wa­gner hat über Nichts so tief wie über die Er­lö­sung nach­ge­dacht: sei­ne Oper ist die Oper der Er­lö­sung. Ir­gend wer will bei ihm im­mer er­löst sein: bald ein Männ­lein, bald ein Fräu­lein – dies ist sein Pro­blem. – Und wie reich er sein Leit­mo­tiv va­ri­irt! Wel­che sel­te­nen, wel­che tief­sin­ni­gen Aus­wei­chun­gen! Wer lehr­te es uns, wenn nicht Wa­gner, dass die Un­schuld mit Vor­lie­be in­ter­essan­te Sün­der er­löst? (der Fall im Tann­häu­ser) Oder dass selbst der ewi­ge Jude er­löst wird, sess­haft wird, wenn er sich ver­hei­rat­het? (der Fall im Flie­gen­den Hol­län­der) Oder dass alte ver­dor­be­ne Frau­en­zim­mer es vor­ziehn, von keu­schen Jüng­lin­gen er­löst zu wer­den? (der Fall Kun­dry) Oder dass schö­ne Mäd­chen am liebs­ten durch einen Rit­ter er­löst wer­den, der Wa­gne­ria­ner ist? (der Fall in den Meis­ter­sin­gern) Oder dass auch ver­hei­rat­he­te Frau­en ger­ne durch einen Rit­ter er­löst wer­den? (der Fall Isol­dens) Oder dass "der alte Gott", nach­dem er sich mo­ra­lisch in je­dem Be­tracht com­pro­mit­tirt hat, end­lich durch einen Frei­geist und Im­mo­ra­lis­ten er­löst wird? (der Fall im "Ring") Be­wun­dern Sie in Son­der­heit die­sen letz­ten Tief­sinn! Ver­stehn Sie ihn? Ich – hüte mich, ihn zu ver­stehn … Dass man noch and­re Leh­ren aus den ge­nann­ten Wer­ken ziehn kann, möch­te ich eher be­wei­sen als be­strei­ten. Dass man durch ein Wa­gne­ri­sches Bal­let zur Verzweif­lung ge­bracht wer­den kann – und zur Tu­gend! (noch­mals der Fall Tann­häu­sers) Dass es von den schlimms­ten Fol­gen sein kann, wenn man nicht zur rech­ten Zeit zu Bett geht (noch­mals der Fall Lo­hen­grins). Dass man nie zu ge­nau wis­sen soll, mit wem man sich ei­gent­lich ver­hei­ra­tet (zum drit­ten Mal der Fall Lo­hen­grins) Tris­tan und Isol­de ver­herr­li­chen den voll­komm­nen Ehe­gat­ten, der, in ei­nem ge­wis­sen Fal­le, nur Eine Fra­ge hat: "aber warum habt ihr mir das nicht eher ge­sagt? Nichts ein­fa­cher als das!" Ant­wort:

       "Das kann ich dir nicht sa­gen;

       und was du frägst,

       das kannst du nie er­fah­ren."

      Der Lo­hen­grin ent­hält eine fei­er­li­che In-Acht-Er­klä­rung des For­schens und Fra­gens. Wa­gner ver­tritt da­mit den christ­li­chen Be­griff "du sollst und musst glau­ben". Es ist ein Ver­bre­chen am Höchs­ten, am Hei­ligs­ten, wis­sen­schaft­lich zu sein … Der flie­gen­de Hol­län­der pre­digt die er­hab­ne Leh­re, dass das Weib auch den Un­stä­tes­ten fest­macht, Wa­gne­risch ge­re­det, "er­löst". Hier ge­stat­ten wir uns eine Fra­ge. Ge­setzt näm­lich, dies wäre wahr, wäre es da­mit auch schon wün­schens­werth? – Was wird aus dem "ewi­gen Ju­den", den ein Weib an­be­tet und fest­macht? Er hört bloss auf, ewig zu sein; er ver­hei­rat­het sich, er geht uns Nichts mehr an. – In’s Wirk­li­che über­setzt: die Ge­fahr der Künst­ler, der Ge­nie’s – und das sind ja die "ewi­gen Ju­den" liegt im Wei­be: die an­be­ten­den Wei­ber sind ihr Ver­derb. Fast Kei­ner hat Cha­rak­ter ge­nug, um nicht ver­dor­ben – "er­löst" zu wer­den, wenn er sich als Gott be­han­delt fühlt: – er con­de­scen­dirt als­bald zum Wei­be. – Der Mann ist fei­ge vor al­lem Ewig-Weib­li­chen: das wis­sen die Weib­lein. – In vie­len Fäl­len der weib­li­chen Lie­be, und viel­leicht ge­ra­de in den be­rühm­tes­ten, ist Lie­be nur ein fei­ne­rer Pa­ra­si­tis­mus , ein Sich-Ein­nis­ten in eine frem­de See­le, mit­un­ter selbst in ein frem­des Fleisch – ach! wie sehr im­mer auf "des Wir­thes" Un­kos­ten! –

      Man kennt das Schick­sal Goethe’s im mo­ralin­sau­ren alt­jung­fern­haf­ten Deutsch­land. Er war den Deut­schen im­mer an­stös­sig, er hat ehr­li­che Be­wun­de­rer nur un­ter Jü­din­nen ge­habt. Schil­ler, der "edle" Schil­ler, der ih­nen mit gros­sen Wor­ten um die Ohren schlug, – der war nach ih­rem Her­zen. Was war­fen sie Goethen vor? Den "Berg der Ve­nus"; und dass er ve­ne­tia­ni­sche Epi­gram­me ge­dich­tet habe. Schon Klop­stock hielt ihm eine Sit­ten­pre­digt; es gab eine Zeit, wo Her­der, wenn er von Goe­the sprach, mit Vor­lie­be das Wort "Priap" ge­brauch­te. Selbst der Wil­helm Meis­ter galt nur als Sym­ptom des Nie­der­gangs, als mo­ra­li­sches "Auf-den-Hund-Kom­men". Die "Me­na­ge­rie von zah­mem Vieh", die "Nichts­wür­dig­keit" des Hel­den dar­in er­zürn­te zum Bei­spiel Nie­buhrn: der end­lich in eine Kla­ge aus­bricht, wel­che Bi­te­rolf hät­te ab­sin­gen kön­nen: "Nichts macht leicht einen schmerz­li­che­ren Ein­druck, als wenn ein gros­ser Geist sich sei­ner Flü­gel be­raubt und sei­ne Vir­tuo­si­tät in et­was weit Ge­rin­ge­rem sucht, in­dem er dem Hö­he­ren ent­sagt" … Vor Al­lem aber war die hö­he­re Jung­frau em­pört: alle klei­nen Höfe, alle Art "Wart­burg" in Deutsch­land be­kreuz­te sich vor Goe­the, vor dem "un­sau­be­ren Geist" in Goe­the. – Die­se Ge­schich­te hat Wa­gner in Mu­sik ge­setzt. Er er­löst Goe­the, das ver­steht sich von selbst; aber so, dass er, mit Klug­heit, zu­gleich die Par­tei der hö­he­ren Jung­frau nimmt. Goe­the wird ge­ret­tet: – ein Ge­bet ret­tet ihn, eine hö­he­re Jung­frau zieht ihn hin­an …

      Was Goe­the über Wa­gner ge­dacht ha­ben wür­de? Goe­the hat sich ein­mal die Fra­ge vor­ge­legt, was die Ge­fahr sei, die über al­len Ro­man­ti­kern schwe­be: das Ro­man­ti­ker-Ver­häng­niss. Sei­ne Ant­wort ist: "am Wie­der­käu­en sitt­li­cher und re­li­gi­öser Ab­sur­di­tä­ten zu


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