Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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die vor­neh­me Küh­le und Frei­heit des Geis­tes ver­gif­tet, ver­leum­det, ver­ru­fen ge­macht wer­den kann. Der »Glau­be« als Im­pe­ra­tiv ist das Veto ge­gen die Wis­sen­schaft, – in pra­xi die Lüge um je­den Preis … Pau­lus be­griff, daß die Lüge – daß »der Glau­be« noth that; die Kir­che be­griff spä­ter wie­der Pau­lus. – Je­ner »Gott«, den Pau­lus sich er­fand, ein Gott, der »die Weis­heit der Welt« (im en­gern Sinn die bei­den großen Geg­ne­rin­nen al­les Aber­glau­bens, Phi­lo­lo­gie und Me­di­cin) »zu Schan­den macht«, ist in Wahr­heit nur der re­so­lu­te Ent­schluß des Pau­lus selbst dazu: »Gott« sei­nen eig­nen Wil­len zu nen­nen, tho­ra, das ist ur­jü­disch. Pau­lus will »die Weis­heit der Welt« zu Schan­den ma­chen: sei­ne Fein­de sind die gu­ten Phi­lo­lo­gen und Ärz­te alex­an­dri­ni­scher Schu­lung –, ih­nen macht er den Krieg. In der That, man ist nicht Phi­lo­log und Arzt, ohne nicht zu­gleich auch An­ti­christ zu sein. Als Phi­lo­log schaut man näm­lich hin­ter die »hei­li­gen Bü­cher«, als Arzt hin­ter die phy­sio­lo­gi­sche Ver­kom­men­heit des ty­pi­schen Chris­ten. Der Arzt sagt »un­heil­bar«, der Phi­lo­log »Schwin­del« …

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      48.

      – Hat man ei­gent­lich die be­rühm­te Ge­schich­te ver­stan­den, die am An­fang der Bi­bel steht, – von der Höl­len­angst Got­tes vor der Wis­sen­schaft? … Man hat sie nicht ver­stan­den. Dies Pries­ter­buch par ex­cel­lence be­ginnt, wie bil­lig, mit der großen in­ne­ren Schwie­rig­keit des Pries­ters: er hat nur Eine große Ge­fahr, folg­lich hat »Gott« nur Eine große Ge­fahr. –

      Der alte Gott, ganz »Geist«, ganz Ho­her­pries­ter, ganz Voll­kom­men­heit, lust­wan­delt in sei­nen Gär­ten: nur daß er sich lang­weilt. Ge­gen die Lan­ge­wei­le kämp­fen Göt­ter selbst ver­ge­bens. Was thut er? Er er­fin­det den Men­schen, – der Mensch ist un­ter­hal­tend … Aber sie­he da, auch der Mensch lang­weilt sich. Das Er­bar­men Got­tes mit der ein­zi­gen Noth, die alle Pa­ra­die­se an sich ha­ben, kennt kei­ne Gren­zen: er schuf als­bald noch and­re Thie­re. Ers­ter Fehl­griff Got­tes: der Mensch fand die Thie­re nicht un­ter­hal­tend, – er herrsch­te über sie, er woll­te nicht ein­mal »Thier« sein. – Folg­lich schuf Gott das Weib. Und in der That, mit der Lan­gen­wei­le hat­te es nun ein Ende, – aber auch mit An­de­rem noch! Das Weib war der zwei­te Fehl­griff Got­tes. – »Das Weib ist sei­nem We­sen nach Schlan­ge, Heva« – das weiß je­der Pries­ter; »vom Weib kommt je­des Un­heil in der Welt« – das weiß eben­falls je­der Pries­ter. » Folg­lich kommt von ihm auch die Wis­sen­schaft« … Erst durch das Weib lern­te der Mensch vom Bau­me der Er­kennt­niß kos­ten. – Was war ge­schehn? Den al­ten Gott er­griff eine Höl­len­angst. Der Mensch selbst war sein größ­ter Fehl­griff ge­wor­den, er hat­te sich einen Ri­va­len ge­schaf­fen, die Wis­sen­schaft macht gott­gleich, – es ist mit Pries­tern und Göt­tern zu Ende, wenn der Mensch wis­sen­schaft­lich wird! – Moral: die Wis­sen­schaft ist das Ver­bo­te­ne an sich, – sie al­lein ist ver­bo­ten. Die Wis­sen­schaft ist die ers­te Sün­de, der Keim al­ler Sün­de, die Erb­sün­de. Dies al­lein ist Moral. – »Du sollst nicht er­ken­nen«: – der Rest folgt dar­aus. – Die Höl­len­angst Got­tes ver­hin­der­te ihn nicht, klug zu sein. Wie wehrt man sich ge­gen die Wis­sen­schaft? das wur­de für lan­ge sein Haupt­pro­blem. Ant­wort: fort mit dem Men­schen aus dem Pa­ra­die­se! Das Glück, der Mü­ßig­gang bringt auf Ge­dan­ken, – alle Ge­dan­ken sind schlech­te Ge­dan­ken… Der Mensch soll nicht den­ken. – Und der »Pries­ter an sich« er­fin­det die Noth, den Tod, die Le­bens­ge­fahr der Schwan­ger­schaft, jede Art von Elend, Al­ter, Müh­sal, die Krank­heit vor Al­lem, – lau­ter Mit­tel im Kamp­fe mit der Wis­sen­schaft! Die Noth er­laubt dem Men­schen nicht, zu den­ken … Und trotz­dem! ent­setz­lich! Das Werk der Er­kennt­niß thürmt sich auf, him­mel­stür­mend, göt­te­ran­däm­mernd, – was thun! – Der alte Gott er­fin­det den Krieg, er trennt die Völ­ker, er macht, daß die Men­schen sich ge­gen­sei­tig ver­nich­ten (– die Pries­ter ha­ben im­mer den Krieg nö­thig ge­hab­t…). Der Krieg – un­ter An­de­rem ein großer Stö­ren­fried der Wis­sen­schaft! – Un­glaub­lich! Die Er­kennt­niß, die Eman­ci­pa­ti­on vom Pries­ter, nimmt selbst trotz Krie­gen zu. – Und ein letz­ter Ent­schluß kommt dem al­ten Got­te: »der Mensch ward wis­sen­schaft­lich, – es hilft Nichts, man muß ihn er­säu­fen!« …

      *

      48.

      – Man hat mich ver­stan­den. Der An­fang der Bi­bel ent­halt die gan­ze Psy­cho­lo­gie des Pries­ters. – Der Pries­ter kennt nur Eine große Ge­fahr: das ist die Wis­sen­schaft, – der ge­sun­de Be­griff von Ur­sa­che und Wir­kung. Aber die Wis­sen­schaft ge­deiht im Gan­zen nur un­ter glück­li­chen Ver­hält­nis­sen, – man muß Zeit, man muß Geist über­flüs­sig ha­ben, um zu »er­ken­nen« … » Folg­lich muß man den Men­schen un­glück­lich ma­chen«, – dies war zu je­der Zeit die Lo­gik des Pries­ters. – Man er­räth be­reits, was, die­ser Lo­gik ge­mäß, da­mit erst in die Welt ge­kom­men ist: – die » Sün­de«… Der Schuld- und Straf­be­griff, die gan­ze »sitt­li­che Wel­t­ord­nung« ist er­fun­den ge­gen die Wis­sen­schaft, – ge­gen die Ab­lö­sung des Men­schen vom Pries­ter … Der Mensch soll nicht hin­aus«, er soll in sich hin­ein­sehn; er soll nicht klug und vor­sich­tig, als Ler­nen­der, in die Din­ge sehn, er soll über­haupt gar nicht sehn: er soll lei­den … Und er soll so lei­den, daß er je­der­zeit den Pries­ter nö­thig hat. – Weg mit den Ärz­ten! Man hat einen Hei­land nö­thig. – Der Schuld« und Straf-Be­griff, ein­ge­rech­net die Leh­re von der »Gna­de«, von der »Er­lö­sung«, von der »Ver­ge­bung« – Lü­gen durch und durch und ohne jede psy­cho­lo­gi­sche Rea­li­tät – sind er­fun­den, um den Ur­sa­chen-Sinn des Men­schen zu zer­stö­ren: sie sind das At­ten­tat ge­gen den Be­griff Ur­sa­che und Wir­kung! – Und nicht ein At­ten­tat mit der Faust, mit dem Mes­ser, mit der Ehr­lich­keit in Haß und Lie­be! Son­dern aus den feigs­ten, lis­tigs­ten, nied­rigs­ten In­stink­ten her­aus! Ein Pries­ter-At­ten­tat! Ein Pa­ra­si­ten-At­ten­tat! Ein Vam­py­ris­mus blei­cher un­ter­ir­di­scher Blut­sau­ger! … Wenn die na­tür­li­chen Fol­gen ei­ner That nicht mehr »na­tür­lich« sind, son­dern durch Be­griffs– Ge­s­pens­ter des Aber­glau­bens, durch »Gott«, durch »Geis­ter«, durch »See­len« be­wirkt ge­dacht wer­den, als bloß »mo­ra­li­sche« Con­se­quen­zen, als Lohn, Stra­fe, Wink, Er­zie­hungs­mit­tel, so ist die Voraus­set­zung zur Er­kennt­nis; zer­stört, – so hat man das größ­te Ver­bre­chen an der Mensch­heit be­gan­gen. – Die Sün­de, noch­mals ge­sagt, die­se Selbst­schän­dungs-Form des Men­schen par ex­cel­lence, ist er­fun­den, um Wis­sen­schaft, um Cul­tur, um jede Er­hö­hung und Vor­nehm­heit des Men­schen un­mög­lich zu ma­chen; der Pries­ter herrscht durch die Er­fin­dung der Sün­de. –

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      50.

      – Ich er­las­se mir an die­ser Stel­le eine Psy­cho­lo­gie des »Glau­bens«, der »Gläu­bi­gen« nicht, zum Nut­zen, wie bil­lig, ge­ra­de der »Gläu­bi­gen«. Wenn es heu­te noch an Sol­chen nicht fehlt, die es nicht wis­sen, in­wie­fern es un­an­stän­dig ist, »gläu­big« zu sein – oder ein Ab­zei­chen von dé­ca­dence, von ge­broch­nem Wil­len zum Le­ben –, mor­gen schon wer­den sie es wis­sen. Mei­ne Stim­me er­reicht auch die Hart­hö­ri­gen, – Es scheint, wenn an­ders ich mich nicht ver­hört habe, daß es un­ter Chris­ten eine Art Kri­te­ri­um der Wahr­heit giebt, das man den »Be­weis der Kraft« nennt. »Der Glau­be macht se­lig: also ist er wahr.« –


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