Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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wie er­klärt wer­den muß, warum jetzt der Unei­gen­nüt­zi­ge ge­lob­t wird: ur­sprüng­lich wird er ver­ach­tet oder als tückisch ge­fürch­tet.

      Klein sein kön­nen. – Man muß den Blu­men, Grä­sern und Schmet­ter­lin­gen auch noch so nah sein wie ein Kind, das nicht viel über sie hin­weg reicht. Wir Äl­te­ren da­ge­gen sind über sie hin­aus­ge­wach­sen und müs­sen uns zu ih­nen her­ab­las­sen; ich mei­ne, die Grä­ser has­sen uns, wenn wir un­se­re Lie­be für sie be­ken­nen. – Wer an al­lem Gu­ten teil­ha­ben will, muß auch zu Stun­den klein zu sein ver­ste­hen.

      In­halt des Ge­wis­sens. – Der In­halt un­se­res Ge­wis­sens ist al­les, was in den Jah­ren der Kind­heit von uns ohne Grund re­gel­mä­ßig ge­for­der­t wur­de durch Per­so­nen, die wir ver­ehr­ten oder fürch­te­ten. Vom Ge­wis­sen aus wird also je­nes Ge­fühl des Müs­sens er­regt ("die­ses muß ich tun, die­ses las­sen"), wel­ches nicht fragt: warum muß ich? – In al­len Fäl­len, wo eine Sa­che mit "weil" und "warum" ge­tan wird, han­delt der Mensch oh­ne Ge­wis­sen; des­halb aber noch nicht wi­der das­sel­be. – Der Glau­be an Au­to­ri­tä­ten ist die Quel­le des Ge­wis­sens: es ist also nicht die Stim­me Got­tes in der Brust des Men­schen, son­dern die Stim­me ei­ni­ger Men­schen im Men­schen.

      Ü­ber­win­dung der Lei­den­schaf­ten. – Der Mensch, der sei­ne Lei­den­schaf­ten über­wun­den hat, ist in den Be­sitz des frucht­bars­ten Erd­rei­ches ge­tre­ten: wie der Ko­lo­nist, der über die Wäl­der und Sümp­fe Herr ge­wor­den ist. Auf dem Bo­den der be­zwun­ge­nen Lei­den­schaf­ten den Sa­men der gu­ten geis­ti­gen Wer­ke sä­en, ist dann die drin­gen­de nächs­te Auf­ga­be. Die Über­win­dung sel­ber ist nur ein Mit­tel, kein Ziel; wenn sie nicht so an­ge­se­hen wird, so wächst schnell al­ler­lei Un­kraut und Teu­fels­zeug auf dem leer ge­wor­de­nen fet­ten Bo­den auf, und bald geht es auf ihm vol­ler und tol­ler zu als je vor­her.

      Ge­schick zum Die­nen. – Alle so­ge­nann­ten prak­ti­schen Men­schen ha­ben ein Ge­schick zum Die­nen: das eben macht sie prak­tisch, sei es für an­de­re oder für sich sel­ber. Ro­bin­son be­saß noch einen bes­se­ren Die­ner, als Frei­tag war: das war Cru­soe.

      Ge­fahr der Spra­che für die geis­ti­ge Frei­heit. – Je­des Wort ist ein Vor­ur­teil.

      Geist und Lan­ge­wei­le. – Das Sprich­wort: "Der Magyar ist viel zu faul, um sich zu lang­wei­len" gibt zu den­ken. Die feins­ten und tä­tigs­ten Tie­re erst sind der Lan­ge­wei­le fä­hig. – Ein Vor­wurf für einen großen Dich­ter wäre die Lan­ge­wei­le Got­tes am sie­ben­ten Tage der Schöp­fung.

      Im Ver­kehr mit den Tie­ren. – Man kann das Ent­ste­hen der Moral in un­se­rem Ver­hal­ten ge­gen die Tie­re noch be­ob­ach­ten. Wo nut­zen und Scha­den nicht in Be­tracht kom­men, ha­ben wir ein Ge­fühl der völ­li­gen Un­ver­ant­wort­lich­keit; wir tö­ten und ver­wun­den zum Bei­spiel In­sek­ten oder las­sen sie le­ben und den­ken für ge­wöhn­lich gar nichts da­bei. Wir sind so plump, daß schon un­se­re Ar­tig­kei­ten ge­gen Blu­men und klei­ne Tie­re fast im­mer mör­de­risch sind: was un­ser Ver­gün­gen an ih­nen gar nicht be­ein­träch­tigt. – Es ist heu­te das Fest der klei­nen Tie­re, der schwüls­te Tage des Jah­res: es wim­melt und krab­belt um uns, und wir zer­drücken, ohne es zu wol­len, a­ber auch ohne acht zu ge­ben, bald hier, bald dort ein Würm­chen und ge­fie­der­tes Kä­fer­chen. – Brin­gen die Tie­re uns Scha­den, so er­stre­ben wir auf jede Wei­se ihre Ver­nich­tung, die Mit­tel sind oft grau­sam ge­nug, ohne daß wir dies ei­gent­lich wol­len: es ist die Grau­sam­keit der Ge­dan­ken­lo­sig­keit. Nüt­zen sie, so beu­ten wir sie aus: bis eine fei­ne­re Klug­heit uns lehrt, daß ge­wis­se Tie­re für eine an­de­re Be­hand­lung, näm­lich für die der Pfle­ge und Zucht, reich­lich loh­nen. Da erst ent­steht Verant­wort­lich­keit. Ge­gen das Haus­tier wird die Quä­le­rei ge­mie­den; der eine Mensch em­pört sich, wenn ein an­de­rer un­barm­her­zig ge­gen sei­ne Kuh ist, ganz in Ge­mäß­heit der pri­mi­ti­ven Ge­mein­de-Moral, wel­che den ge­mein­sa­men Nut­zen in Ge­fahr sieht, so oft ein ein­zel­ner sich ver­geht. Wer in der Ge­mein­de ein Ver­ge­hen wahr­nimmt, fürch­tet den in­di­rek­ten Scha­den für sich: und wir fürch­ten für die Güte des Flei­sches, des Land­bau­es und der Ver­kehrs­mit­tel, wenn wir die Haus­tie­re nicht gut be­han­delt se­hen. Zu­dem er­weckt der, wel­cher roh ge­gen Tie­re ist, den Arg­wohn, auch roh ge­gen schwa­che, un­glei­che, der Ra­che un­fä­hi­ge Men­schen zu sein; er gilt als un­edel, des fei­ne­ren Stol­zes er­man­gelnd. So ent­steht ein An­satz von mo­ra­li­schem Ur­tei­len und Emp­fin­den: das bes­te tut nun der Aber­glau­be hin­zu. Man­che Tie­re rei­zen durch Bli­cke, Töne und Ge­bär­den den Men­schen an, sich in sie hin­ein­zu­dich­ten, und man­che Re­li­gio­nen leh­ren im Tie­re un­ter Um­stän­den den Wohn­sitz von Men­schen- und Göt­ter­see­len se­hen: wes­halb sie über­haupt ed­le­re Vor­sicht, ja ehr­fürch­ti­ge Scheu im Um­gan­ge mit den Tie­ren an­emp­feh­len. Auch nach dem Ver­schwin­den die­ses Aber­glau­bens wir­ken die von ihm er­weck­ten Emp­fin­dun­gen fort und rei­fen und blü­hen aus. – Das Chris­ten­tum hat sich be­kannt­lich in die­sem Punk­te als arme und zu­rück­bil­den­de Re­li­gi­on be­währt.

      Neue Schau­spie­ler. – Es gibt un­ter den Men­schen kei­ne grö­ße­re Bana­li­tät als den Tod; zu zweit im Ran­ge steht die Ge­burt, weil nicht alle ge­bo­ren wer­den, wel­che doch ster­ben; dann folgt die Hei­rat. Aber die­se klei­nen ab­ge­spiel­ten Tra­gi­ko­mö­di­en wer­den bei je­der ih­rer un­ge­zähl­ten und un­zähl­ba­ren Auf­füh­run­gen im­mer wie­der von neu­en Schau­spie­lern dar­ge­stellt und hö­ren des­halb nicht auf, in­ter­es­sier­te Zuschau­er zu ha­ben: wäh­rend man glau­ben soll­te, daß die ge­sam­te Zuschau­er­schaft des Er­den­thea­ters sich längst aus Über­druß dar­an an al­len Bäu­men auf­ge­hängt hät­te. So­viel liegt an neu­en Schau­spie­lern, so­we­nig am Stück.

      Was ist "obsti­nat"? – Der kür­zes­te Weg ist nicht der mög­lichst ge­ra­de, son­dern der, bei wel­chem die güns­tigs­ten Win­de un­se­re Se­gel schwel­len: so sagt die Leh­re der Schif­fah­rer. Ihr nicht zu fol­gen, das heißt obsti­nat sein: die Fes­tig­keit des Cha­rak­ters ist da durch Dumm­heit ver­un­rei­nigt.

      Das Wort "Ei­tel­keit". – Es ist läs­tig, daß ein­zel­ne Wor­te, de­ren wir Mora­lis­ten schlech­ter­dings nicht ent­ra­ten kön­nen, schon eine Art Sit­ten­zen­sur in sich tra­gen aus je­nen Zei­ten her, in de­nen die nächs­ten und na­tür­lichs­ten Re­gun­gen des Men­schen ver­ket­zert wur­den. So wird jene Grund­über­zeu­gung, daß wir auf den Wel­len der Ge­sell­schaft viel mehr durch das, was wir gel­ten,


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