Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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sind jene Au­to­ren, wel­che das, was ih­nen an Fleisch ab­ge­ht, durch künst­li­che Far­ben er­set­zen möch­ten.

      Der groß­ar­ti­ge Stil und das Hö­he­re. – an lernt es schnel­ler, groß­ar­tig schrei­ben, als leicht und schlicht schrei­ben. Die Grün­de da­von ver­lie­ren sich ins Mora­li­sche.

      Se­bas­ti­an Bach. – So­fern man Bachs Mu­sik nicht als voll­kom­me­ner und ge­wit­zig­ter Ken­ner des Kon­tra­punk­tes und al­ler Ar­ten des fu­gier­ten Sti­les hört und dem­ge­mäß des ei­gent­li­chen ar­tis­ti­schen Ge­nus­ses ent­ra­ten muß, wird es uns als Hö­rern sei­ner Mu­sik zu­mu­te sein (um uns gran­di­os mit Goe­the aus­zu­drücken), als ob wir da­bei wä­ren, wie Gott die Welt schuf. Das heißt: wir füh­len, daß hier et­was Gro­ßes im Wer­den ist, aber noch nicht ist: un­se­re große mo­der­ne Mu­sik. Sie hat schon die Welt über­wun­den, da­durch daß sie die Kir­che, die Na­tio­na­li­tä­ten und den Kon­tra­punkt über­wand. In Bach ist noch zu­viel kru­de Christ­lich­keit, kru­des Deutsch­tum, kru­de Scho­las­tik; er steht an der Schwel­le der eu­ro­päi­schen (mo­der­nen) Mu­sik, aber schaut sich von hier nach dem Mit­tel­al­ter um.

      Hän­del. – Hän­del, im Er­fin­den sei­ner Mu­sik kühn, neue­rungs­süch­tig, wahr­haft, ge­wal­tig, dem He­ro­i­schen zu­ge­wandt und ver­wandt, des­sen ein Volk fä­hig ist, – wur­de bei der Aus­ar­bei­tung oft be­fan­gen und kalt, ja an sich sel­ber müde; da wen­de­te er ei­ni­ge er­prob­te Metho­den der Durch­füh­rung an, schrieb schnell und viel und war froh, wenn er fer­tig war, – aber nicht in der Art froh, wie es Gott und an­de­re Schöp­fer am Aben­de ih­res Werk­ta­ges ge­we­sen sind.

      Haydn. – So­weit sich Ge­nia­li­tät mit ei­nem schlecht­hin gu­ten Men­schen ver­bin­den kann, hat Haydn sie ge­habt. Er geht ge­ra­de bis an die Gren­ze, wel­che die Mora­li­tät dem In­tel­lekt zieht; er macht lau­ter Mu­sik, die "kei­ne Ver­gan­gen­heit" hat.

      Beetho­ven und Mo­zart. – Beetho­vens Mu­sik er­scheint häu­fig wie eine tief­be­weg­te Be­trach­tung beim un­er­war­te­ten Wie­der­hö­ren ei­nes längst ver­lo­ren ge­glaub­ten Stückes "Un­schuld in Tö­nen": es ist Mu­sik über Mu­sik. Im Lie­de der Bett­ler und Kin­der auf der Gas­se, bei den ein­tö­ni­gen Wei­sen wan­dern­der Ita­lie­ner, beim Tan­ze in der Dorf­schen­ke oder in den Näch­ten des Kar­ne­vals, – da ent­deckt er sei­ne "Me­lo­di­en": er trägt sie wie eine Bie­ne zu­sam­men, in­dem er bald hier bald dort einen Laut, eine kur­ze Fol­ge er­hascht. Es sind ihm ver­klär­te Erin­ne­run­gen aus der "bes­se­ren Welt": ähn­lich wie Pla­to es sich von den Ide­en dach­te. – Mo­zart steht ganz an­ders zu sei­nen Me­lo­di­en: er fin­det sei­ne In­spi­ra­tio­nen nicht beim Hö­ren von Mu­sik, son­dern im Schau­en des Le­bens, des be­weg­tes­ten süd­län­di­schen Le­bens: er träum­te im­mer von Ita­li­en, wenn er nicht dort war.

      Re­zi­ta­tiv. – Ehe­mals war das Re­zi­ta­tiv tro­cken; jetzt le­ben wir in der Zeit des nas­sen Re­zi­ta­tivs: es ist ins Was­ser ge­fal­len, und die Wel­len rei­ßen es, wo­hin sie wol­len.

      "Hei­te­re" Mu­sik. – Hat man lan­ge die Mu­sik ent­behrt, so geht sie nach­her wie ein schwe­rer Süd­wein all­zu­schnell ins Blut und hin­ter­läßt eine nar­ko­tisch be­täub­te, halb­wa­che, schlaf-sehn­süch­ti­ge See­le; na­ment­lich tut dies ge­ra­de die hei­te­re Mu­sik, wel­che zu­sam­men Bit­ter­keit und Ver­wun­dung, Über­druß und Heim­weh gibt und al­les wie in ei­nem ver­zu­cker­ten Gift­ge­tränk wie­der und wie­der zu schlür­fen nö­tigt. Da­bei scheint der Saal der hei­ter rau­schen­den Freu­de sich zu ver­en­gern, das Licht an Hel­le zu ver­lie­ren und bräu­ner zu wer­den: zu­letzt ist es ei­nem zu Mute, als ob die Mu­sik wie in ein Ge­fäng­nis hin­ein­klin­ge, wo ein ar­mer Mensch vor Heim­weh nicht schla­fen kann.

      Franz Schu­bert. – Franz Schu­bert, ein ge­rin­ge­rer Ar­tist als die an­de­ren großen Mu­si­ker, hat­te doch von al­len den größ­ten Er­breich­tum an Mu­sik. Er ver­schwen­de­te ihn mit vol­ler Hand und aus gü­ti­gem Her­zen: so daß die Mu­si­ker noch ein paar Jahr­hun­der­te an sei­nen Ge­dan­ken und Ein­fäl­len zu zeh­ren ha­ben wer­den. In sei­nen Wer­ken ha­ben wir einen Schatz von un­ver­brauch­ten Er­fin­dun­gen; an­de­re wer­den ihre Grö­ße im Ver­brau­chen ha­ben. – Dürf­te man Beetho­ven den idea­len Zu­hö­rer ei­nes Spiel­man­nes nen­nen, so hät­te Schu­bert dar­auf ein An­recht, sel­ber der idea­le Spiel­mann zu hei­ßen.

      Mo­d­erns­ter Vor­trag der Mu­sik. – Der große tra­gisch dra­ma­ti­sche Vor­trag in der Mu­sik be­kommt sei­nen Cha­rak­ter durch Nach­ah­mung der Ge­bär­den des großen Sün­ders, wie ihn das Chris­ten­tum sich denkt und wünscht: des lang­sam Schrei­ten­den, lei­den­schaft­lich Grü­beln­den, des von Ge­wis­sens­qual Hin- und Her­ge­wor­fe­nen, des ent­setzt Flie­hen­den, des ent­zückt Ha­schen­den, des ver­zwei­felt Stil­le­ste­hen­den – und was sonst al­les die Merk­ma­le des großen Sün­der­tums sind. Nur un­ter der Voraus­set­zung des Chris­ten, daß alle Men­schen große Sün­der sind und gar nichts tun, als sün­di­gen, lie­ße es sich recht­fer­ti­gen, je­nen Stil des Vor­trags auf al­le Mu­sik an­zu­wen­den: in­so­fern die Mu­sik das Ab­bild al­les mensch­li­chen Tun und Trei­bens wäre, und als sol­ches die Ge­bär­den­spra­che des großen Sün­ders fort­wäh­rend zu spre­chen hät­te. Ein Zu­hö­rer, der nicht ge­nug Christ wäre, um die­se Lo­gik zu ver­ste­hen, dürf­te frei­lich bei ei­nem sol­chen Vor­tra­ge er­schreckt aus­ru­fen: "Um des Him­mels wil­len, wie ist denn die Sün­de in die Mu­sik ge­kom­men!"

      Fe­lix Men­dels­sohn. – Fe­lix Men­dels­sohns Mu­sik ist die Mu­sik des gu­ten Ge­schmacks an al­lem Gu­ten, was da­ge­we­sen ist: sie weist im­mer hin­ter sich. Wie könn­te sie viel "Vor-sich", viel Zu­kunft ha­ben! – Aber hat er sie denn ha­ben wol­len? Er be­saß eine Tu­gend, die un­ter Künst­lern sel­ten ist, die der Dank­bar­keit ohne Ne­ben­ge­dan­ken: auch die­se Tu­gend weist im­mer hin­ter sich.

      Ei­ne Mut­ter der Küns­te. – In un­se­rem skep­ti­schen Zeit­al­ter ge­hört zur ei­gent­li­chen De­vo­tion fast ein bru­ta­ler He­ro­is­mus des Ehr­gei­zes; das fa­na­ti­sche Au­gen­schlie­ßen und Knie­beu­gen ge­nügt nicht mehr. Wäre es nicht mög­lich, daß der Ehr­geiz, in der De­vo­ti­on der Letz­te für alle Zei­ten zu sein, der Va­ter ei­ner letz­ten ka­tho­li­schen Kir­chen­mu­sik wür­de, wie er schon der Va­ter des letz­ten kirch­li­chen Bau­stils ge­we­sen ist? (Man nennt ihn Je­sui­ten­stil.)


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