Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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wel­che sie öf­fent­lich be­wun­dern, nicht an­ders zu lo­ben wis­sen, als in­dem sie die­sel­be als Vor­stu­fe und Brücke, die zu ih­nen führt, dar­stel­len.

      Auf dem Bo­den der Schmach. – Wer den Men­schen eine Vor­stel­lung neh­men will, tut sich ge­wöhn­lich nicht ge­nug da­mit, sie zu wi­der­le­gen und den un­lo­gi­schen Wurm, der in ihr sitzt, her­aus­zu­zie­hen: viel­mehr wirft er, nach­dem der Wurm ge­tö­tet ist, die gan­ze Frucht auch noch in den Kot, um sie den Men­schen un­an­sehn­lich zu ma­chen und Ekel vor ihr ein­zu­flö­ßen. So glaubt er das Mit­tel ge­fun­den zu ha­ben, die bei wi­der­leg­ten Vor­stel­lun­gen so ge­wöhn­li­che "Wie­der­au­fer­ste­hung am drit­ten Tage" un­mög­lich zu ma­chen. – Er irrt sich, denn ge­ra­de auf dem Bo­den der Schmach, in­mit­ten des Un­fla­tes, treibt der Frucht­kern der Vor­stel­lung schnell neue Kei­me. – Also: ja nicht ver­höh­nen, be­schmut­zen, was man end­gül­tig be­sei­ti­gen will, son­dern es ach­tungs­voll auf Eis le­gen, im­mer und im­mer wie­der, in An­be­tracht, daß Vor­stel­lun­gen ein sehr zä­hes Le­ben ha­ben. Hier muß man nach der Ma­xi­me han­deln: "Eine Wi­der­le­gung ist kei­ne Wi­der­le­gung."

      Los der Mora­li­tät. – Da die Ge­bun­den­heit der Geis­ter ab­nimmt, ist si­cher­lich die Mora­li­tät (die ver­erb­te, über­lie­fer­te, in­stinkt­haf­te Hand­lungs­wei­se nach mo­ra­li­schen Ge­füh­len) eben­falls in Ab­nah­me: nicht aber die ein­zel­nen Tu­gen­den, Mä­ßig­keit, Ge­rech­tig­keit, See­len­ru­he, – denn die größ­te Frei­heit des be­wuß­ten Geis­tes führt ein­mal schon un­will­kür­lich zu ih­nen hin und rät sie so­dann auch als nütz­lich an.

      Der Fa­na­ti­ker des Miß­trau­ens und sei­ne Bürg­schaft. – Der Al­te: Du willst das Un­ge­heu­re wa­gen und die Men­schen im Gro­ßen be­leh­ren? Wo ist dei­ne Bürg­schaft? – Pyr­rhon: Hier ist sie: ich will die Men­schen vor mir sel­ber war­nen, ich will alle Feh­ler mei­ner Na­tur öf­fent­lich be­ken­nen und mei­ne Übe­rei­lun­gen, Wi­der­sprü­che und Dumm­hei­ten vor al­ler Au­gen bloß­stel­len. Hört nicht auf mich, will ich ih­nen sa­gen, bis ich nicht eu­rem Ge­rings­ten gleich ge­wor­den bin, und noch ge­rin­ger bin, als er; sträubt euch ge­gen die Wahr­heit, so lan­ge ihr nur könnt, aus Ekel vor dem, der ihr Für­spre­cher ist. Ich wer­de euer Ver­füh­rer und Be­trü­ger sein, wenn ihr noch den min­des­ten Glanz von Acht­bar­keit und Wür­de an mir wahr­nehmt. – Der Al­te: Du ver­sprichst zu­viel, du kannst die­se Last nicht tra­gen – Pyr­rhon – So will ich auch dies den Men­schen sa­gen, daß ich zu schwach bin und nicht hal­ten kann, was ich ver­spre­che. Je grö­ßer mei­ne Un­wür­dig­keit, um so mehr wer­den sie der Wahr­heit miß­trau­en, wenn sie durch mei­nen Mund geht. – Der Al­te: Willst du denn der Leh­rer des Miß­trau­ens ge­gen die Wahr­heit sein? – Pyr­rhon: Des Miß­trau­ens, wie es noch nie in der Welt war, des Miß­trau­ens ge­gen Al­les und Je­des. Es ist der ein­zi­ge Weg zur Wahr­heit. Das rech­te Auge darf dem lin­ken nicht trau­en, und Licht wird eine Zeit­lang Fins­ter­nis hei­ßen müs­sen: dies ist der Weg, den ihr ge­hen müßt. Glaubt nicht, daß er euch zu Frucht­bäu­men und schö­nen Wei­den füh­re. Klei­ne har­te Kör­ner wer­det ihr auf ihm fin­den, – das sind die Wahr­hei­ten: Jahr­zehn­te­lang wer­det ihr die Lü­gen hän­de­voll ver­schlin­gen müs­sen, um nicht Hun­gers zu ster­ben, ob ihr schon wis­set, daß es Lü­gen sind. Jene Kör­ner aber wer­den ge­sä­et und ein­ge­gra­ben, und viel­leicht, viel­leicht gibt es ein­mal einen Tag der Ern­te: nie­mand darf ihn ver­spre­chen, er sei denn ein Fa­na­ti­ker. – Der Al­te: Freund, Freund! Auch dei­ne Wor­te sind die des Fa­na­ti­kers! – Pyr­rhon: Du hast recht! ich will ge­gen alle Wor­te miß­trau­isch sein. – Der Al­te: Dann wirst du schwei­gen müs­sen. – Pyr­rhon: Ich wer­de den Men­schen sa­gen, daß ich schwei­gen muß und daß sie mei­nem Schwei­gen miß­trau­en sol­len. – Der Al­te: Du trittst also von dei­nem Un­ter­neh­men zu­rück? – Pyr­rhon: Viel­mehr- du hast mir eben das Tor ge­zeigt, durch wel­ches ich ge­hen muß. – Der Al­te: Ich weiß nicht – : ver­ste­hen wir uns jetzt noch völ­lig? – Pyr­rhon: Wahr­schein­lich nicht. – Der Al­te: Wenn du dich nur sel­ber völ­lig ver­stehst! – Pyr­rhon dreht sich um und lacht. – Der Al­te: Ach Freund! Schwei­gen und La­chen – ist das jetzt dei­ne gan­ze Phi­lo­so­phie? – Pyr­rhon: Es wäre nicht die schlech­tes­te.-

      Eu­ro­päi­sche Bü­cher. – Man ist beim Le­sen von Mon­taig­ne, La Ro­che­fou­cauld, La Bruy­ere, Fon­te­nel­le (na­ment­lich der dia­lo­gues des morts), Vau­ve­n­ar­gues, Cham­fort dem Al­ter­tum nä­her als bei ir­gend wel­cher Grup­pe von sechs Au­to­ren an­de­rer Völ­ker. Durch jene Sechs ist der Geist der letz­ten Jahr­hun­der­te der al­ten Zeit­rech­nung wie­der er­stan­den – sie zu­sam­men bil­den ein wich­ti­ges Glied in der großen noch fort­lau­fen­den Ket­te der Re­naissance. Ihre Bü­cher er­he­ben sich über den Wech­sel des na­tio­na­len Ge­schmacks und der phi­lo­so­phi­schen Fär­bun­gen, in de­nen für ge­wöhn­lich jetzt je­des Buch schil­lert und schil­lern muß, um be­rühmt zu wer­den: sie ent­hal­ten mehr wirk­li­che Ge­dan­ken als alle Bü­cher deut­scher Phi­lo­so­phen zu­sam­men­ge­nom­men: Ge­dan­ken von der Art, wel­che Ge­dan­ken macht, und die – ich bin in Ver­le­gen­heit zu Ende zu de­fi­nie­ren; ge­nug, daß es mir Au­to­ren zu sein schei­nen, wel­che we­der für Kin­der noch für Schwär­mer ge­schrie­ben ha­ben, we­der für Jung­frau­en noch für Chris­ten, we­der für Deut­sche noch für – ich bin wie­der in Ver­le­gen­heit, mei­ne Lis­te zu schlie­ßen. – Um aber ein deut­li­ches Lob zu sa­gen: sie wä­ren, grie­chisch ge­schrie­ben, auch von Grie­chen ver­stan­den wor­den. Wie­viel hät­te da­ge­gen selbst ein Pla­to von den Schrif­ten un­se­rer bes­ten deut­schen Den­ker, zum Bei­spiel Goe­thes und Scho­pen­hau­ers, über­haupt ver­ste­hen kön­nen, von dem Wi­der­wil­len zu schwei­gen, wel­chen ihre Schreibart ihm er­regt ha­ben wür­de, näm­lich das Dunkle, Über­trie­be­ne und ge­le­gent­lich wie­der Klap­per­dür­re, – Feh­ler, an de­nen die Ge­nann­ten noch am we­nigs­ten von den deut­schen Den­kern und doch noch all­zu­viel lei­den (Goe­the, als Den­ker, hat die Wol­ke lie­ber um­armt, als bil­lig ist, und Scho­pen­hau­er wan­delt nicht un­ge­straft fast fort­wäh­rend un­ter Gleich­nis­sen der Din­ge statt un­ter den Din­gen sel­ber). – Da­ge­gen, wel­che Hel­lig­keit und zier­li­che Be­stimmt­heit bei je­nen Fran­zo­sen! Die­se Kunst hät­ten auch die fei­noh­rigs­ten Grie­chen gut­hei­ßen müs­sen, und ei­nes wür­den sie so­gar be­wun­dert und an­ge­be­tet ha­ben, den fran­zö­si­schen Witz des Aus­drucks: so et­was lieb­ten sie sehr, ohne ge­ra­de dar­in be­son­ders stark zu sein.

      Mo­de und mo­dern. – Über­all, wo noch die Un­wis­sen­heit, die Un­rein­lich­keit, der Aber­glau­be im Schwan­ge sind, wo der Ver­kehr lahm, die Land­wirt­schaft arm­se­lig, die Pries­ter­schaft mäch­tig ist, da fin­den sich auch noch die Na­tio­naItrach­ten. Da­ge­gen herrscht die Mo­de, wo die An­zei­chen des Ent­ge­gen­ge­setz­ten sich fin­den. Die Mode ist also ne­ben den Tu­gen­den des jet­zi­gen Eu­ro­pa zu fin­den: soll­te sie wirk­lich


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