Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

Читать онлайн книгу.

Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


Скачать книгу
das ge­sam­te Men­schen­tum gleich dem Ameis­en­tum von "In­stinkt" re­den las­sen. Bei stren­ge­rer Prü­fung neh­men wir wahr, wie gan­ze Völ­ker, gan­ze Jahr­hun­der­te sich ab­mü­hen, neue Mit­tel aus­fin­dig zu ma­chen und aus­zu­pro­bie­ren, wo­mit man ei­nem großen mensch­li­chen Gan­zen und zu­letzt dem großen Ge­samt-Frucht­bau­me der Mensch­heit wohl­tun kön­ne; und was auch im­mer bei die­sem Aus­pro­bie­ren die Ein­zel­nen, die Völ­ker und die Zei­ten für Scha­den lei­den, durch die­sen Scha­den sind je­des­mal ein­zel­ne klug ge­wor­den, und von ih­nen aus strömt die Klug­heit lang­sam auf die Maß­re­geln gan­zer Völ­ker, gan­zer Zei­ten über. Auch die Amei­sen ir­ren und ver­grei­fen sich; die Mensch­heit kann recht wohl durch Tor­heit der Mit­tel ver­der­ben und ver­dor­ren, vor der Zeit, es gibt we­der für jene, noch für die­se einen si­cher füh­ren­den In­stinkt. Wir müs­sen viel­mehr der großen Auf­ga­be ins Ge­sicht se­hen, die Erde für ein Ge­wächs der größ­ten und freu­digs­ten Frucht­bar­keit vor­zu­be­rei­ten, – ei­ner Auf­ga­be der Ver­nunft für die Ver­nunft!

      Das Lob des Unei­gen­nüt­zi­gen und sein Ur­sprung. – Zwi­schen zwei nach­bar­li­chen Häupt­lin­gen war seit Jah­ren Ha­der: man ver­wüs­te­te ein­an­der die Saa­ten, führ­te Her­den weg, brann­te Häu­ser nie­der, mit ei­nem un­ent­schie­de­nen Er­fol­ge im Gan­zen, weil ihre Macht ziem­lich gleich war. Ein Drit­ter, der durch die ab­ge­schlos­se­ne Lage sei­nes Be­sitz­tums von die­sen Feh­den sich fern­hal­ten konn­te, aber doch Grund hat­te, den Tag zu fürch­ten, an dem ei­ner die­ser hän­del­süch­ti­gen Nach­barn ent­schei­dend zum Über­ge­wicht kom­men wür­de, trat end­lich zwi­schen die Strei­ten­den, mit Wohl­wol­len und Fei­er­lich­keit: und im Ge­hei­men leg­te er auf sei­nen Frie­dens­vor­schlag ein schwe­res Ge­wicht, in­dem er je­dem ein­zeln zu ver­ste­hen gab, für­der­hin ge­gen den, wel­cher sich wi­der den Frie­den sträu­be, mit dem an­dern ge­mein­sa­me Sa­che zu ma­chen. Man kam vor ihm zu­sam­men, man leg­te zö­gernd in sei­ne Hand die Hän­de, wel­che bis­her die Werk­zeu­ge und all­zu­oft die Ur­sa­che des Has­ses ge­we­sen wa­ren, – und wirk­lich, man ver­such­te es ernst­lich mit dem Frie­den. Je­der sah mit Er­stau­nen, wie plötz­lich sein Wohl­stand, sein Be­ha­gen wuchs, wie man jetzt am Nach­bar einen kaufs- und ver­kaufs­be­rei­ten Händ­ler, an­statt ei­nes tücki­schen oder of­fen höh­nen­den Übel­tä­ters, hat­te, wie selbst, in un­vor­her­ge­se­he­nen Not­fäl­len, man sich ge­gen­sei­tig aus der Not zie­hen konn­te, an­statt, wie es bis­her ge­sche­hen, die­se Not des Nach­bars aus­zu­nut­zen und aufs höchs­te zu stei­gern; ja es schi­en, als ob der Men­schen­schlag in bei­den Ge­gen­den sich seit­dem ver­schö­nert hät­te: denn die Au­gen hat­ten sich er­hellt, die Stir­nen sich ent­run­zelt, al­len war das Ver­trau­en zur Zu­kunft zu ei­gen ge­wor­den,- und nichts ist den See­len und Lei­bern der Men­schen för­der­li­cher, als dies Ver­trau­en. Man sah ein­an­der alle Jah­re am Tage des Bünd­nis­ses wie­der, die Häupt­lin­ge so­wohl wie de­ren An­hang: und zwar vor dem An­ge­sicht des Mitt­lers, des­sen Hand­lungs­wei­se man, je grö­ßer der Nut­zen war, den man ihr ver­dank­te, im­mer mehr an­staun­te und ver­ehr­te. Man nann­te sie u­nei­gen­nüt­zig – man hat­te den Blick viel zu fest auf den ei­ge­nen, seit­her ein­ge­ern­te­ten Nut­zen ge­rich­tet, um von der Hand­lungs­wei­se des Nach­bars mehr zu se­hen, als daß sein Zu­stand in­fol­ge der­sel­ben sich nicht so ver­än­dert habe wie der ei­ge­ne: er war viel­mehr, der­sel­be ge­blie­ben, und so schi­en es, daß je­ner den Nut­zen nicht im Auge ge­habt habe. Zum ers­ten Male sag­te man sich, daß die Unei­gen­nüt­zig­keit eine Tu­gend sei: ge­wiß moch­ten im Klei­nen und Pri­va­ten sich oft­mals bei ih­nen ähn­li­che Din­ge er­eig­net ha­ben, aber man hat­te das Au­gen­merk für die­se Tu­gend erst, als sie zum ers­ten Male in ganz großer Schrift, les­bar für die gan­ze Ge­mein­de, an die Wand ge­malt wur­de. Er­kannt als Tu­gen­den, zu Na­men ge­kom­men, in Schät­zung ge­bracht, zur An­eig­nung an­emp­foh­len sind die mo­ra­li­schen Ei­gen­schaf­ten erst von dem Au­gen­bli­cke an, da sie sicht­bar über Glück und Ver­häng­nis gan­zer Ge­sell­schaf­ten ent­schie­den ha­ben: dann ist näm­lich die Höhe der Emp­fin­dung und die Er­re­gung der in­ne­ren schöp­fe­ri­schen Kräf­te bei vie­len so groß, daß man die­ser Ei­gen­schaft Ge­schen­ke bringt, vom Bes­ten, was je­der hat: der Erns­te legt ihr sei­nen Ernst zu Fü­ßen, der Wür­di­ge sei­ne Wür­de, die Frau­en ihre Mil­de, die Jüng­lin­ge al­les Hoff­nungs- und Zu­kunfts­rei­che ih­res We­sens; der Dich­ter leiht ihr Wor­te und Na­men, reiht sie in den Rei­gen­tanz ähn­li­cher We­sen ein, gibt ihr einen Stamm­baum und be­tet zu­letzt, wie es Künst­ler tun, das Ge­bil­de sei­ner Phan­ta­sie als neue Gott­heit an – er lehrt sie an­be­ten. So wird eine Tu­gend, weil die Lie­be und die Dank­bar­keit al­ler an ihr ar­bei­tet, wie an ei­ner Bild­säu­le, zu­letzt eine An­samm­lung des Gu­ten und Ver­eh­rungs­wür­di­gen, eine Art Tem­pel und gött­li­cher Per­son zu­gleich. Sie steht für­der­hin als ein­zel­ne Tu­gend da, als ein We­sen für sich, was sie bis da­hin nicht war, und übt die Rech­te und die Macht ei­ner ge­hei­lig­ten Über­mensch­lich­keit aus. – Im spä­te­ren Grie­chen­land stan­den die Städ­te voll von sol­chen ver­gott­mensch­lich­ten Abstrak­ten (man ver­zei­he das ab­son­der­li­che Wort um des ab­son­der­li­chen Be­griffs wil­len); das Volk hat­te sich auf sei­ne Art einen pla­to­ni­schen "Ide­en­him­mel" in­mit­ten sei­ner Erde her­ge­rich­tet, und ich glau­be nicht, daß des­sen In­woh­ner we­ni­ger le­ben­dig emp­fun­den wur­den, als ir­gend eine alt­ho­me­ri­sche Gott­heit.

      Dun­kel – Zei­ten. – "Dun­kel-Zei­ten" nennt man sol­che in Nor­we­gen, da die Son­ne den gan­zen Tag un­ter dem Ho­ri­zon­te bleibt: die Tem­pe­ra­tur fällt da­bei fort­wäh­rend lang­sam. – Ein schö­nes Gleich­nis für alle Den­ker, wel­chen die Son­ne der Mensch­heits-Zu­kunft zeit­wei­lig ver­schwun­den ist.

      Der Phi­lo­soph der Üp­pig­keit. – Ein Gärt­chen, Fei­gen, klei­ne Käse und dazu drei oder vier gute Freun­de, – das war die Üp­pig­keit Epi­kurs.

      Die Epo­chen des Le­bens. – Die ei­gent­li­chen Epo­chen im Le­ben sind jene kur­ze Zei­ten des Still­stan­des, mit­ten inne zwi­schen dem Auf­stei­gen und Ab­stei­gen ei­nes re­gie­ren­den Ge­dan­kens oder Ge­fühls. Hier ist wie­der ein­mal Satt­heit da: al­les an­de­re ist Durst und Hun­ger – oder Über­druß.

      Der Traum. – Un­se­re Träu­me sind, wenn sie ein­mal aus­nahms­wei­se ge­lin­gen und voll­kom­men wer­den – für ge­wöhn­lich ist, der Traum eine Pfu­scher-Ar­beit –, sym­bo­li­sche Sze­nen- und Bil­der-Ket­ten an Stel­le ei­ner er­zäh­len­den Dich­ter-Spra­che; sie um­schrei­ben un­se­re Er­leb­nis­se oder Er­war­tun­gen oder Ver­hält­nis­se mit dich­te­ri­scher Kühn­heit und Be­stimmt­heit, daß wir dann mor­gens im­mer über uns er­staunt sind, wenn wir uns un­se­rer Träu­me er­in­nern. Wir ver­brau­chen im Trau­me zu viel Künst­le­ri­sches – und sind des­halb am Tage oft zu arm dar­an.

      Na­tur


Скачать книгу