Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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Glau­ben, daß die mo­ra­li­schen Wert­he car­di­na­le Wert­he sind. Wer Gott fah­ren ließ, hält umso stren­ger am Glau­ben an die Moral fest.

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      19.

      Jede rein mo­ra­li­sche Wert­h­set­zung (wie z.B. die bud­dhis­ti­sche) en­det mit Ni­hi­lis­mus: dies für Eu­ro­pa zu er­war­ten! Man glaubt mit ei­nem Mora­lis­mus ohne re­li­gi­ösen Hin­ter­grund aus­zu­kom­men: aber da­mit ist der Weg zum Ni­hi­lis­mus nothwen­dig. – In der Re­li­gi­on fehlt der Zwang, uns als wert­h­set­zend zu be­trach­ten.

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      20.

      Die Fra­ge des Ni­hi­lis­mus »wo­zu?« geht von der bis­he­ri­gen Ge­wöh­nung aus, ver­mö­ge de­ren das Ziel von Au­ßen her ge­stellt, ge­ge­ben, ge­for­dert schi­en – näm­lich durch ir­gend eine über­mensch­li­che Au­to­ri­tät. Nach­dem man ver­lernt hat, an die­se zu glau­ben, sucht man doch nach al­ter Ge­wöh­nung nach ei­ner an­de­ren Au­to­ri­tät, wel­che un­be­dingt zu re­den wüß­te und Zie­le und Auf­ga­ben be­feh­len könn­te. Die Au­to­ri­tät des Ge­wis­sens tritt jetzt in ers­te Li­nie (je mehr eman­ci­pirt von der Theo­lo­gie, umso im­pe­ra­ti­vi­scher wird die Moral) als Scha­den­er­satz für eine per­sön­li­che Au­to­ri­tät. Oder die Au­to­ri­tät der Ver­nunft. Oder der so­cia­le In­stink­t (die He­er­de). Oder die His­to­rie mit ei­nem im­ma­nen­ten Geist, wel­che ihr Ziel in sich hat und der man sich über­las­sen kann. Man möch­te her­um­kom­men um den Wil­len, um das Wol­len ei­nes Zie­les, um das Ri­si­ko, sich selbst ein Ziel zu ge­ben; man möch­te die Verant­wor­tung ab­wäl­zen (– man wür­de den Fa­ta­lis­mus ac­cep­ti­ren), End­lich: Glück, und, mit ei­ni­ger Tar­tüf­fe­rie, das Glück der Meis­ten.

      Man sagt sich

      1. ein be­stimm­tes Ziel ist gar nicht nö­thig,

       2. ist gar nicht mög­lich vor­her­zu­sehn.

      Gera­de jetzt, wo der Wil­le in der höchs­ten Kraft nö­thig wäre, ist er am schwächs­ten und klein­müthigs­ten. Ab­so­lu­tes Miß­trau­en ge­gen die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Kraft des Wil­lens für’s Gan­ze.

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      21.

      Der voll­kom­me­ne Ni­hi­list. – Das Auge des Ni­hi­lis­ten idea­li­sirt in’s Häß­li­che, übt Un­treue ge­gen sei­ne Erin­ne­run­gen –: es läßt sie fal­len, sich ent­blät­tern; es schützt sie nicht ge­gen lei­chen­blas­se Ver­fär­bun­gen, wie sie die Schwä­che über Fer­nes und Ver­gan­ge­nes gießt. Und was er ge­gen sich nicht übt, das übt er auch ge­gen die gan­ze Ver­gan­gen­heit der Men­schen nicht, – er läßt sie fal­len.

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      22.

      Ni­hi­lis­mus. Er ist zwei­deu­tig:

      A. Ni­hi­lis­mus als Zei­chen der ge­stei­ger­ten Macht des Geis­tes: der ak­ti­ve Ni­hi­lis­mus.

      B. Ni­hi­lis­mus als Nie­der­gang und Rück­gang der Macht des Geis­tes: der pas­si­ve Ni­hi­lis­mus.

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      23.

      Der Ni­hi­lis­mus ein nor­ma­ler Zu­stand.

      Er kann ein Zei­chen von Stär­ke sein, die Kraft des Geis­tes kann so an­ge­wach­sen sein, daß ihr die bis­he­ri­gen Zie­le (»Über­zeu­gun­gen«, Glau­bens­ar­ti­kel) un­an­ge­mes­sen sind (–: ein Glau­be näm­lich drückt im All­ge­mei­nen den Zwang von Exis­tenz­be­din­gun­gen aus, eine Un­ter­wer­fung un­ter die Au­to­ri­tät von Ver­hält­nis­sen, un­ter de­nen ein We­sen ge­deiht, wächst, Macht ge­winnt…); an­de­rer­seits ein Zei­chen von nicht ge­nü­gen­der Stär­ke, um pro­duk­tiv sich nun auch wie­der ein Ziel, ein Wa­rum, einen Glau­ben zu set­zen.

      Sein Ma­xi­mum von re­la­ti­ver Kraft er­reicht er als ge­waltt­hä­ti­ge Kraft der Zer­stö­rung: als ak­ti­ver Ni­hi­lis­mus.

      Sein Ge­gen­satz wäre der mü­de Ni­hi­lis­mus, der nicht mehr an­greift: sei­ne be­rühm­tes­te Form der Bud­dhis­mus: als pas­si­vi­scher Ni­hi­lis­mus, als ein Zei­chen von Schwä­che: die Kraft des Geis­tes kann er­mü­det, er­schöpft sein, so­daß die bis­he­ri­gen Zie­le und Wert­he un­an­ge­mes­sen sind und kei­nen Glau­ben mehr fin­den –, daß die Syn­the­sis der Wert­he und Zie­le (auf der jede star­ke Cul­tur be­ruht) sich löst, so­daß die ein­zel­nen Wert­he sich Krieg ma­chen: Zer­set­zung –, daß Al­les, was er­quickt, heilt, be­ru­higt, be­täubt, in den Vor­der­grund tritt, un­ter ver­schie­de­nen Ver­klei­dun­gen, re­li­gi­ös, oder mo­ra­lisch, oder po­li­tisch, oder äs­the­tisch u.s.w.

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      24.

      Der Ni­hi­lis­mus ist nicht nur eine Be­tracht­sam­keit über das »Um­sonst!«, und nicht nur der Glau­be, daß Al­les werth ist zu Grun­de zu ge­hen: man legt Hand an, man rich­tet zu Grun­de … Das ist, wenn man will, un­lo­gisch: aber der Ni­hi­list glaubt nicht an die Nö­thi­gung, lo­gisch zu sein … Es ist der Zu­stand star­ker Geis­ter und Wil­len: und sol­chen ist es nicht mög­lich, bei dem Nein »des Urt­heils« ste­hen zu blei­ben: – das Nein der That kommt aus ih­rer Na­tur. Der Ver- Nichts­ung durch das Urt­heil se­cun­dirt die Ver-Nichts­ung durch die Hand.

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      25.

      Zur Ge­ne­sis des Ni­hi­lis­ten. – Man hat nur spät den Muth zu Dem, was man ei­gent­lich weiß. Daß ich von Grund aus bis­her Ni­hi­list ge­we­sen bin, das habe ich mir erst seit Kur­zem ein­ge­stan­den: die Ener­gie, der Ra­di­ka­lis­mus, mit dem ich als Ni­hi­list vor­wärts gieng, täusch­te mich über die­se Grundt­hat­sa­che. Wenn man ei­nem Zie­le ent­ge­gen­geht, so scheint es un­mög­lich, daß »die Zi­el­lo­sig­keit an sich« un­ser Glau­bens­grund­satz ist.

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      26.

      Der Pes­si­mis­mus der That­kräf­ti­gen: das »Wo­zu?« nach ei­nem furcht­ba­ren Rin­gen, selbst Sie­gen. Daß ir­gend Et­was hun­dert­mal wich­ti­ger ist, als die Fra­ge, ob wir uns wohl oder schlecht be­fin­den: Grund­in­stinkt al­ler star­ken Na­tu­ren, – und folg­lich auch, ob sich die An­de­ren gut oder schlecht be­fin­den. Kurz, daß wir ein Ziel ha­ben, um des­sent­wil­len man nicht zö­gert, Men­schen­op­fer zu brin­gen, jede Ge­fahr zu lau­fen, je­des Schlim­me und Schlimms­te auf sich zu neh­men: die große Lei­den­schaft.

      2. Fernere Ursachen des Nihilismus.

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      27.

      Ur­sa­chen des Ni­hi­lis­mus: 1) es fehlt die hö­he­re Spe­cies, d. h. die, de­ren un­er­schöpf­li­che Frucht­bar­keit und Macht den Glau­ben an den Men­schen auf­recht er­hält. (Man den­ke, was man Na­po­le­on ver­dankt: fast alle hö­he­ren Hoff­nun­gen die­ses Jahr­hun­derts.)

      2) die nie­de­re Spe­cies (»He­er­de«, »Mas­se«, »Ge­sell­schaft«) ver­lernt die


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