Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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das zu Nichts mehr taugt. That­säch­lich giebt es zwi­schen die­sen bei­den Ar­ten des Da­seins nur Grad­un­ter­schie­de: die Über­trei­bung, die Dispro­por­ti­on, die Nicht-Har­mo­nie der nor­ma­len Phä­no­me­ne con­sti­tu­i­ren den krank­haf­ten Zu­stand (Clau­de Ber­nard).

      So gut »das Bö­se« be­trach­tet wer­den kann als Über­trei­bung, Dis­har­mo­nie, Dispro­por­ti­on, so gut kann »das Gu­te« eine Schutz­diät ge­gen die Ge­fahr der Über­trei­bung, Dis­har­mo­nie und Dispro­por­ti­on sein.

      Die erb­li­che Schwä­che, als do­mi­ni­ren­des Ge­fühl: Ur­sa­che der obers­ten Wert­he.

      NB. Man will Schwä­che: warum? … meis­tens, weil man no­thwen­dig schwach ist.

      – Die Schwä­chung als Auf­ga­be: Schwä­chung der Be­geh­run­gen, der Lust- und Un­lust­ge­füh­le, des Wil­lens zur Macht, zum Stolz­ge­fühl, zum Ha­ben- und Mehr-ha­ben-wol­len; die Schwä­chung als De­muth; die Schwä­chung als Glau­be; die Schwä­chung als Wi­der­wil­le und Scham an al­lem Na­tür­li­chen, als Ver­nei­nung des Le­bens, als Krank­heit und ha­bi­tu­el­le Schwä­che … die Schwä­chung als Ver­zicht­leis­ten auf Ra­che, auf Wi­der­stand, auf Feind­schaft und Zorn.

      Der Fehl­griff in der Be­hand­lung: man will die Schwä­che nicht be­kämp­fen durch ein systè­me for­ti­fi­ant, son­dern durch eine Art Recht­fer­ti­gung und Mora­li­si­rung: d. h. durch eine Aus­le­gung

      – Die Ver­wechs­lung zwei­er gänz­lich ver­schie­de­ner Zu­stän­de: z.B. die Ruhe der Stär­ke, wel­che we­sent­lich Ent­hal­tung der Re­ak­ti­on ist (der Ty­pus der Göt­ter, wel­che nichts be­wegt), – und die Ru­he der Er­schöp­fung, die Starr­heit, bis zur Anäs­the­sie. Alle phi­lo­so­phisch-as­ke­ti­schen Pro­ce­du­ren stre­ben nach der zwei­ten, aber mei­nen in der That die ers­te … denn sie le­gen dem er­reich­ten Zu­stan­de die Prä­di­ka­te bei, wie als ob ein gött­li­cher Zu­stand er­reicht sei.

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      Das ge­fähr­lichs­te Miß­ver­ständ­nis. – Es giebt einen Be­griff, der an­schei­nend kei­ne Ver­wechs­lung, kei­ne Zwei­deu­tig­keit zu­läßt: das ist der der Er­schöp­fung. Die­se kann er­wor­ben sein; sie kann er­erbt sein, – in je­dem Fal­le ver­än­dert sie den Aspekt der Din­ge, den Werth der Din­ge

      Im Ge­gen­satz zu Dem, der aus der Fül­le, wel­che er dar­stellt und fühlt, un­frei­wil­lig ab­gieb­t an die Din­ge, sie vol­ler, mäch­ti­ger, zu­kunfts­rei­cher sieht, – der je­den­falls schen­ken kann –, ver­klei­nert und ver­hunzt der

      (Nr. 49. folgt wei­ter un­ten. Re.)

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      Theo­rie der Er­schöp­fung. – Das Las­ter, die Geis­tes­kran­ken (resp. die Ar­tis­ten …), die Ver­bre­cher, die An­ar­chis­ten – das sind nicht die un­ter­drück­ten Klas­sen, son­dern der Aus­wur­f der bis­he­ri­gen Ge­sell­schaft al­ler Klas­sen …

      Mit der Ein­sicht, daß alle uns­re Stän­de durch­drun­gen sind von die­sen Ele­men­ten, ha­ben wir be­grif­fen, daß die mo­der­ne Ge­sell­schaft kei­ne »Ge­sell­schaft«, kein »Kör­per« ist, son­dern ein kran­kes Con­glo­me­rat von Tschan­dala’s, – eine Ge­sell­schaft, die die Kraft nicht mehr hat, zu ex­kre­ti­ren.

      In­wie­fern durch das Zu­sam­men­le­ben seit Jahr­hun­der­ten die Krank­haf­tig­keit viel tiefer geht:

       -------------------------- ------------------------ die mo­der­ne Tu­gend, als Krank­heits-For­men. die mo­der­ne Geis­tig­keit, uns­re Wis­sen­schaft

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      Der Zu­stand der Cor­rup­tion. – Die Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit al­ler Cor­rup­ti­ons-For­men zu be­grei­fen; und da­bei nicht die christ­li­che Cor­rup­ti­on zu ver­ges­sen (Pas­cal als Ty­pus); eben­so die so­cia­lis­tisch-kom­mu­nis­ti­sche Cor­rup­ti­on (eine Fol­ge der christ­li­chen; – na­tur­wis­sen­schaft­lich ist die höchs­te So­cie­täts-Con­cep­ti­on der So­cia­lis­ten die nied­rigs­te in der Rang­ord­nung der So­cie­tä­ten); die »Jen­seits«-Cor­rup­ti­on: wie als ob es au­ßer der wirk­li­chen Welt, der des Wer­dens, eine Welt des Sei­en­den gäbe.

      Hier darf es kei­nen Ver­trag ge­ben: hier muß man aus­mer­zen, ver­nich­ten, Krieg füh­ren, – man muß das christ­lich-ni­hi­lis­ti­sche Wert­h­maaß über­all noch her­aus­ziehn und es un­ter je­der Mas­ke be­kämp­fen … z. B. aus der jet­zi­gen So­cio­lo­gie, aus der jet­zi­gen Mu­si­k, aus dem jet­zi­gen Pes­si­mis­mus (– Al­les For­men des christ­li­chen Wert­h­ideals –).

      Ent­we­der Eins o­der das An­de­re ist wahr: wahr, das heißt hier den Ty­pus Mensch em­por­he­bend …

      Der Pries­ter, der Seel­sor­ger, als ver­werf­li­che Da­seins­for­men. Die ge­samm­te Er­zie­hung bis­her hül­f­los, halt­los, ohne Schwer­ge­wicht, mit dem Wi­der­spruch der Wert­he be­haf­tet –

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      52.

      Nicht die Na­tur ist un­mo­ra­lisch, wenn sie ohne Mit­leid für die De­ge­ner­ir­ten ist: das Wachst­hum der phy­sio­lo­gi­schen und mo­ra­li­schen Übel im mensch­li­chen Ge­schlecht ist um­ge­kehrt die Fol­ge ei­ner krank­haf­ten und un­na­tür­li­chen Moral. Die Sen­si­bi­li­tät der Mehr­zahl der Men­schen ist krank­haft und un­na­tür­lich.

      Woran hängt es, daß die Mensch­heit cor­rup­t ist in mo­ra­li­scher und phy­sio­lo­gi­scher Be­zie­hung? – Der Leib geht zu Grun­de, wenn ein Or­gan al­ter­ir­t ist. Man kann nicht das Recht des Al­truis­mus auf die Phy­sio­lo­gie zu­rück­füh­ren, eben­so­we­nig das Recht auf Hül­fe, auf Gleich­heit der Loo­se: das sind al­les Prä­mi­en für die De­ge­ner­ir­ten und Schlecht­weg­ge­kom­me­nen.

      Es giebt k­ei­ne So­li­da­ri­tät in ei­ner Ge­sell­schaft, wo es un­frucht­ba­re, un­pro­duk­ti­ve und zer­stö­re­ri­sche Ele­men­te giebt: die üb­ri­gens noch ent­ar­te­te­re Nach­kom­men ha­ben wer­den, als sie selbst sind.

      Er­schöpf­te Al­les, was er sieht, – er ver­arm­t den Werth: er ist schäd­lich …

      Hier­über scheint kein Fehl­griff mög­lich: trotz­dem ent­hält die Ge­schich­te die schau­er­li­che That­sa­che, daß die Er­schöpf­ten im­mer ver­wech­sel­t wor­den sind mit den Volls­ten – und die Volls­ten mit den Schäd­lichs­ten.

      Der Arme an Le­ben, der Schwa­che, ver­armt noch das Le­ben: der Rei­che an Le­ben, der Star­ke, be­rei­chert es. Der Ers­te ist des­sen Pa­ra­sit: der Zwei­te ein Hin­zu-Schen­ken­der … Wie ist eine Ver­wechs­lung mög­lich? …

      Wenn der Er­schöpf­te mit der Ge­bär­de der höchs­ten Ak­ti­vi­tät und Ener­gie auf­trat (wenn die Ent­ar­tung einen Ex­ceß der geis­ti­gen oder ner­vö­sen Ent­la­dung be­ding­te), dann ver­wech­sel­te man ihn mit dem Rei­chen … Er er­reg­te Furcht … Der Cul­tus des Nar­ren ist im­mer


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