Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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ge­noss sei­nes Sie­ges und ver­schluck­te dar­über den Ver­druss, wel­chen ihm der Ge­wis­sen­haf­te mach­te. »Sei still! sag­te er mit be­schei­de­ner Stim­me, gute Lie­der wol­len gut wie­der­hal­len; nach gu­ten Lie­dern soll man lan­ge schwei­gen.

      So thun es die­se Alle, die hö­he­ren Men­schen. Du aber hast wohl We­nig von mei­nem Lied ver­stan­den? In dir ist We­nig von ei­nem Zau­ber­geis­te.«

      »Du lobst mich, ent­geg­ne­te der Ge­wis­sen­haf­te, in­dem du mich von dir ab­trennst, wohl­an! Aber ihr An­de­ren, was sehe ich? Ihr sitzt alle noch mit lüs­ter­nen Au­gen da –:

      Ihr frei­en See­len, wo­hin ist eure Frei­heit! Fast, dünkt mich’s, gleicht ihr Sol­chen, die lan­ge schlim­men tan­zen­den nack­ten Mäd­chen zu­sahn: eure See­len tan­zen sel­ber!

      In euch, ihr hö­he­ren Men­schen, muss Mehr von Dem sein, was der Zau­be­rer sei­nen bö­sen Zau­ber- und Trug­geist nennt: – wir müs­sen wohl ver­schie­den sein.

      Und wahr­lich, wir spra­chen und dach­ten ge­nug mit­sam­men, ehe Za­ra­thustra heim­kam zu sei­ner Höh­le, als dass ich nicht wüss­te: wir sin­d ver­schie­den.

      Wir su­chen Ver­schied­nes auch hier oben, ihr und ich. Ich näm­lich su­che mehr Si­cher­heit, dess­halb kam ich zu Za­ra­thustra. Der näm­lich ist noch der fes­tes­te Thurm und Wil­le –

      – heu­te, wo Al­les wa­ckelt, wo alle Erde bebt. Ihr aber, wenn ich eure Au­gen sehe, die ihr macht, fast dünkt mich’s, ihr sucht mehr Un­si­cher­heit,

      – mehr Schau­der, mehr Ge­fahr, mehr Erd­be­ben. Euch ge­lüs­tet, fast dünkt mich’s so, ver­gebt mei­nem Dün­kel, ihr hö­he­ren Men­schen –

      – euch ge­lüs­tet nach dem schlimms­ten ge­fähr­lichs­ten Le­ben, das mir am meis­ten Furcht macht, nach dem Le­ben wil­der Thie­re, nach Wäl­dern, Höh­len, stei­len Ber­gen und Irr- Schlün­den.

      Und nicht die Füh­rer aus der Ge­fahr ge­fal­len euch am bes­ten, son­dern die euch von al­len We­gen ab­füh­ren, die Ver­füh­rer. Aber, wenn solch Ge­lüs­ten an euch wirk­lich ist, so dünkt es mich trotz­dem un­mög­lich.

      Furcht näm­lich – das ist des Men­schen Erb- und Grund­ge­fühl; aus der Furcht er­klärt sich jeg­li­ches, Erb­sün­de und Erb­tu­gend. Aus der Furcht wuchs auch mei­ne Tu­gend, die heisst: Wis­sen­schaft.

      Die Furcht näm­lich vor wil­dem Gethier – die wur­de dem Men­schen am längs­ten an­ge­züch­tet, ein­sch­liess­lich das Thier, das er in sich sel­ber birgt und fürch­tet: – Za­ra­thustra heisst es »das in­ne­re Vieh.«

      Sol­che lan­ge alte Furcht, end­lich fein ge­wor­den, geist­lich, geis­tig – heu­te, dünkt mich, heisst sie: Wis­sen­schaft.« –

      Also sprach der Ge­wis­sen­haf­te; aber Za­ra­thustra, der eben in sei­ne Höh­le zu­rück­kam und die letz­te Rede ge­hört und er­rat­hen hat­te, warf dem Ge­wis­sen­haf­ten eine Hand voll Ro­sen zu und lach­te ob sei­ner »Wahr­hei­ten«. »Wie! rief er, was hör­te ich da eben? Wahr­lich, mich dünkt, du bist ein Narr oder ich sel­ber bin’s: und dei­ne »Wahr­heit« stel­le ich rucks und flugs auf den Kopf.

      Furcht näm­lich – ist uns­re Aus­nah­me. Muth aber und Aben­teu­er und Lust am Un­ge­wis­sen, am Un­ge­wag­ten, – Muth dünkt mich des Men­schen gan­ze Vor­ge­schich­te.

      Den wil­des­ten muthigs­ten Thie­ren hat er alle ihre Tu­gen­den ab­ge­nei­det und ab­ge­raubt: so erst wur­de er – zum Men­schen.

      Die­ser Muth, end­lich fein ge­wor­den, geist­lich, geis­tig, die­ser Men­schen-Muth mit Ad­ler-Flü­geln und Schlan­gen-Klug­heit: der, dünkt mich, heisst heu­te –«

      »Za­ra­thustra«! schri­en Alle, die bei­sam­men sas­sen, wie aus Ei­nem Mun­de und mach­ten dazu ein gros­ses Ge­läch­ter; es hob sich aber von ih­nen wie eine schwe­re Wol­ke. Auch der Zau­be­rer lach­te und sprach mit Klug­heit: »Wohl­an! Er ist da­von, mein bö­ser Geist!

      Und habe ich euch nicht sel­ber vor ihm ge­warnt, als ich sag­te, dass er ein Be­trü­ger sei, ein Lug- und Trug­geist?

      Son­der­lich näm­lich, wenn er sich nackend zeigt. Aber was kann ich für sei­ne Tücken! Habe ich ihn und die Welt ge­schaf­fen?

      Wohl­an! Sei­en wir wie­der gut und gu­ter Din­ge! Und ob schon Za­ra­thustra böse blickt – seht ihn doch! er ist mir gram –:

      – be­vor die Nacht kommt, lernt er wie­der, mich lie­ben und lo­ben, er kann nicht lan­ge le­ben, ohne sol­che Thor­hei­ten zu thun.

      Der – liebt sei­ne Fein­de: die­se Kunst ver­steht er am bes­ten von Al­len, die ich sah. Aber er nimmt Ra­che da­für – an sei­nen Freun­den!«

      Also sprach der alte Zau­be­rer, und die hö­he­ren Men­schen zoll­ten ihm Bei­fall: so dass Za­ra­thustra her­um­gieng und mit Bos­heit und Lie­be sei­nen Freun­den die Hän­de schüt­tel­te, – gleich­sam als Ei­ner, der an Al­len Et­was gutz­u­ma­chen und ab­zu­bit­ten hat. Als er aber da­bei an die Thür sei­ner Höh­le kam, sie­he, da ge­lüs­te­te ihn schon wie­der nach der gu­ten Luft da draus­sen und nach sei­nen Thie­ren, – und er woll­te hin­aus schlüp­fen.

      Unter Töchtern der Wüste

      1

      »Gehe nicht da­von! sag­te da der Wan­de­rer, wel­cher sich den Schat­ten Za­ra­thustra’s nann­te, blei­be bei uns, es möch­te uns sonst die alte dump­fe Trüb­sal wie­der an­fal­len.

      Schon gab uns je­ner alte Zau­be­rer von sei­nem Schlimms­ten zum Bes­ten, und sie­he doch, der gute from­me Papst da hat Thrä­nen in den Au­gen und hat sich ganz wie­der auf­’s Meer der Schwer­muth ein­ge­schifft.

      Die­se Kö­ni­ge mö­gen wohl vor uns noch gute Mie­ne ma­chen: das lern­ten Die näm­lich von uns Al­len heu­te am Bes­ten! Hät­ten sie aber kei­ne Zeu­gen, ich wet­te, auch bei ih­nen fien­ge das böse Spiel wie­der an –

      – das böse Spiel der zie­hen­den Wol­ken, der feuch­ten Schwer­muth, der ver­häng­ten Him­mel, der ge­stoh­le­nen Son­nen, der heu­len­den Herbst-Win­de,

      – das böse Spiel uns­res Heu­lens und Noth­schrei­ens: blei­be bei uns, oh Za­ra­thustra! Hier ist viel ver­bor­ge­nes Elend, das re­den will, viel Abend, viel Wol­ke, viel dump­fe Luft!

      Du nähr­test uns mit star­ker Manns-Kost und kräf­ti­gen Sprü­chen: lass es nicht zu, dass uns zum Nach­tisch die weich­li­chen weib­li­chen Geis­ter wie­der an­fal­len!

      Du al­lein machst die Luft um dich her­um stark und klar! Fand ich je auf Er­den so gute Luft als bei dir in dei­ner Höh­le?

      Vie­le Län­der sah ich doch, mei­ne Nase lern­te vie­ler­lei Luft prü­fen und ab­schät­zen: aber bei dir schme­cken mei­ne Nüs­tern ihre gröss­te Lust!

      Es sei denn, – es sei denn – , oh ver­gieb eine alte Erin­ne­rung! Ver­gieb mir ein al­tes Nach­tisch-Lied, das ich einst un­ter Töch­tern der Wüs­te dich­te­te: –

      – bei de­nen näm­lich gab es gleich gute hel­le mor­gen­län­di­sche Luft; dort war ich am ferns­ten vom wol­ki­gen feuch­ten schwer­müthi­gen Alt-Eu­ro­pa!

      Da­mals lieb­te ich sol­cher­lei Mor­gen­land-Mäd­chen


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