Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding
Читать онлайн книгу.es ihr gelingt! – Ich bitte den Staatsminister einzutreten!«
Herr Rouher näherte sich dem Kaiser, welcher aufgestanden war und ihm die Hand reichte.
»Sie waren bei der Kaiserin?« fragte er.
»Ja, Sire,« antwortete Herr Rouher mit nicht ganz unterdrücktem Erstaunen, »Ihre Majestät hatte mich rufen lassen,« fuhr er fort, indem er den Blick klar und fest auf das verschleierte Auge des Kaisers richtete, »um mir ihre so natürliche Besorgnis vor dem drohenden Kriege auszusprechen und mir ans Herz zu legen, durch meinen Rat für die Erhaltung des Friedens zu wirken.«
»Ich finde das sehr natürlich und löblich von meiner Gemahlin,« sagte der Kaiser, »aber sie ist bei Ihnen nicht glücklich gewesen, Sie waren wenigstens nicht für eine Politik des Nachgebens.«
»Gewiß nicht, Sire,« erwiderte Herr Rouher, »ebensowenig aber möchte ich auch die Verantwortung tragen für ein starres Vorgehen bis zum äußersten, ich habe viel über die Frage nachgedacht, Sire,« fuhr er fort, »und ich muß Eurer Majestät sagen, daß ich mehr und mehr bedenklich geworden bin –«
»Die Kaiserin zu kontrariieren?« fragte der Kaiser lächelnd, indem er die Spitze seines Schnurrbarts drehte.
»Eure Majestät wissen,« erwiderte Herr Rouher mit Aplomb, »daß ich stets bereit bin, Ihrer erhabenen Gemahlin nach allen Kräften meine Ergebenheit zu beweisen, ebenso wie ich Ihre Ideen, Sire, durchzuführen und zu verteidigen keinen Anstand nehme, aber meine politischen Anschauungen und der Rat, den ich Eurer Majestät in den Angelegenheiten Frankreichs gebe, sind unabhängig von allen persönlichen Rücksichten.«
»Ich weiß es, ich weiß es, mein lieber Staatsminister!« sagte der Kaiser in herzlichem Tone, ihm leicht auf die Schulter klopfend, während sein Blick sich unter den tief niedersinkenden Augenlidern verbarg.
»Sie sind also der Ansicht –?« fragte er.
»Ich habe die Überzeugung gewonnen, Sire,« erwiderte der Staatsminister, »daß diese luxemburgische Affäre nicht wert ist, in diesem Augenblick fast unvorbereitet und ohne Allianzen einen Kampf aufzunehmen, bei welchem es sich um die Machtstellung Frankreichs und – um den Ruhm der Dynastie handeln würde, um so mehr –«
»Um so mehr?« fragte der Kaiser.
»Um so mehr, als ich aus allen Anzeichen sehe, daß das Land, welches in einem seltenen Aufschwung der Industrie emporblüht, den Krieg nicht wünscht, wenn es auch die unvermeidliche Notwendigkeit mit dem ganzen altfranzösischen Patriotismus akzeptieren würde! – Ganz insbesondere aber,« fuhr er fort, »wiegt für mich die schon vorbereitete Weltausstellung besonders schwer –«
Der Kaiser ließ sich, wie ermüdet, auf seinen Lehnstuhl sinken, indem er den Minister durch eine Handbewegung einlud, sich ebenfalls zu setzen.
Herr Rouher verneigte sich, trat zu einem Fauteuil dem Kaiser gegenüber, und, indem er die linke Hand auf dessen Lehne stützte, blieb er hinter demselben stehen.
Mit der leicht erhobenen Rechten seine Worte durch ruhige und würdevolle Bewegungen begleitend, fuhr er in eindringendem Tone fort:
»Die Weltausstellung, Sire, dieser große Gedanke Eurer Majestät, durch welchen Sie dem edelsten Wettkampfe der Nationen Europas und bei ganzen Welt eine herrliche Arena eröffnen, soll unmittelbar ausgeführt werden. Tausende haben ihre Vorbereitungen getroffen, ungeheure Werte sind aus den entferntesten Stätten der Kultur bereits hier angelangt, eben so große Werte schwimmen noch auf dem Ozean und werden von Karawanen und Eisenbahnzügen Eurer Majestät kaiserlicher Residenz zugeführt, Frankreich, insbesondere Paris erwartet jene Ströme von Fremden, welche ebensoviel Ströme von Gold hierherführen sollen; – wenn nun in diesem Augenblick der Brand eines europäischen Krieges sich entzündet, eines Krieges, der von dem Worte und dem Willen Eurer Majestät abhängig war, so würden alle die Werte vernichtet, alle diese Hoffnungen zerstört werden, und alle dadurch Betroffenen – das aber ist fast die ganze Welt, und wiederum Paris vor allem –, sie alle würden die Schuld davon auf Eure Majestät weisen. – Selbst der glänzendste Erfolg eines Feldzuges aber könnte kaum wieder gutmachen, was diese Stimmung Eurer Majestät schaden würde.«
Der Kaiser nickte schweigend mit dem Kopf, ohne den Blick emporzurichten.
»Auf der anderen Seite aber, Sire,« fuhr der Staatsminister, aufmerksam den Eindruck seiner Worte auf den Kaiser beobachtend, fort, »handelt es sich bei dieser ganzen Frage in diesem Augenblick weniger um den Besitz von Luxemburg, als um das Prestige Frankreichs. – Ich komme abermals auf die Weltausstellung – und ich glaube, daß dieselbe dies Prestige höher heben wird, als es je gestanden –, denn, Sire, sie hat, wie ich Eurer Majestät kaum auszuführen nötig habe, auch ihre eminent politische Bedeutung. Alle Souveräne Europas bereiten sich vor, die Wunder der Ausstellung zu sehen, selbst der Sultan rüstet sich – eine unerhörte Neuigkeit – zur Reise hierher. – Alle diese Souveräne aber besuchen nicht nur die Ausstellung, sie besuchen Eure Majestät. Sie werden also, Sire, sich umgeben sehen von einem Parterre von Kaisern und Königen, welches weitaus dasjenige an Glanz überstrahlen wird, das Ihr großer Oheim einst in Erfurt um sich versammelte, und das auf keiner Basis von Blut und zertretenen Existenzen ruht, sondern im Gegenteil errichtet ist auf dem fruchtbaren Boden der edelsten internationalen Arbeit. – Welche Anknüpfungen können da gemacht, welcher Einfluß kann gewonnen werden, wenn alle diese Souveräne, in deren Händen sich die Schicksalsfäden der Welt vereinigen, der so mächtigen Wirksamkeit der persönlichen Unterhaltung Eurer Majestät« – er verneigte sich gegen den Kaiser – »ausgesetzt werden, dieser Wirksamkeit, welcher noch niemand widerstanden hat? Und das französische Volk, das den Souverän seiner Wahl umgeben sehen wird von allem, was die Welt an Macht und Herrlichkeit, an Glanz, an Reichtum, an Arbeit und Produktion umfaßt, welches sehen wird, wie seine Hauptstadt dem ganzen Universum eine strahlende Gastfreundschaft darbietet, wird es nicht dankbar, wird es nicht stolz sein, daß sein Kaiser ein blutiges Lorbeerblatt diesem rauschenden Hain der schönsten Lorbeeren des Friedens geopfert hat? – Diese Erwägungen, Sire,« fuhr er fort, »bestimmen mich aus vollster Überzeugung, für den Frieden zu sprechen.«
Der Kaiser erhob das Haupt, sein Blick entschleierte sich ein wenig, mit einem anmutig verbindlichen Lächeln sagte er:
»Ich muß Ihnen gestehen, mein lieber Minister, daß Ihre Worte einen mächtigen Eindruck auf mich machten, ich war gereizt über diese immerfort feindliche Haltung des Berliner Kabinetts, aber ich fühle, ein Souverän darf persönlichen Gefühlen keine Rechnung tragen! Doch,« fuhr er sinnend fort, »Sie wissen, daß nicht alle denken und sprechen wie Sie, es würde nötig sein, die großen, schönen und wahren Ideen, welche Sie mir soeben entwickelt haben, in geeigneter Weise langsam und vorsichtig in die Öffentlichkeit dringen zu lassen.«
»Nichts leichter als das, Sire!« rief Herr Rouher, »ich werde die Presse –«
»Moustier bedarf,« sagte der Kaiser, ihn unterbrechend, »um die Sache in würdiger Weise zu führen, einer gewissen kriegerischen Strömung, welche seine Worte in Berlin unterstützt – Sie wissen, daß man dort sehr aufmerksam unsere öffentliche Meinung verfolgt, würde sie zu laut den Frieden predigen, so könnten unsere Gegner zu übermütig werden. – Lassen Sie also,« fuhr er nach einer kleinen Pause fort, »lassen Sie das Auswärtige Amt immerhin eine kleine kriegerische Kampagne machen, damit man in Berlin nicht vergißt, daß Frankreich eine militärische Nation ist, aber sorgen Sie dafür, daß Ihre Ideen daneben immer tiefer in das Publikum dringen, und vor allem: sprechen Sie selbst dieselben bei jeder Gelegenheit mit derselben Festigkeit und Beredsamkeit aus, mit welcher Sie mir dieselben soeben entwickelten. – Ihre Autorität –«
»Eure Majestät erlauben also,« fragte der Staatsminister lebhaft, »daß ich mich persönlich engagiere?«
»Ich bitte Sie sogar darum,« sagte der Kaiser.
Der Kammerdiener trat ein.
»Lord Cowley bittet Eure Majestät um Audienz.«
Der Kaiser nickte mit dem Kopf.
»Ich danke Ihnen für den Freimut, mit welchem Sie mir Ihre Ansichten entwickelt haben,«